Kreis Pinneberg. Initiative verteilt 7500 Flyer, um 240 Meter hohe Windräder zu verhindern. 17 Giganten sollen in vier Gemeinden gebaut werden.
Der Widerstand gegen einen geplanten Windpark in Bönningstedt formiert sich. Dort will das Hamburger Unternehmen Greenfox Energy fünf, 240 Meter hohe Windkraftanlagen mit jeweils sechs Megawatt Leistung errichten, wie das Abendblatt bereits berichtete. Nun wird zudem öffentlich, dass weitere Anlagen in anderen umliegenden Dörfern geplant sind. Auch dort wächst die Skepsis.
In Bönningstedt wird die Gemeindevertretung am Dienstag, 26. November, entscheiden, ob das notwendige Bauleitverfahren für die extrem hohen Anlagen eingeleitet werden soll. Der Bauausschuss hat dies bereits mehrheitlich empfohlen. Doch etwa 60 Bürger wollen das mit aller Macht verhindern. Sie haben jetzt die Bürgerinitiative „Natur statt Windkraft-Giganten“ gegründet. 7500 Flugblätter wollen sie an möglichst alle Haushalte in Bönningstedt, Ellerbek und Tangstedt verteilen, um Stimmung gegen die Windkraftanlagen zu machen – „fünf der größten Windräder weltweit“.
17 Windkraftanlagen zwischen Ellerbek, Tangstedt und Bönningstedt
Tatsächlich sollen auch in den beiden Nachbardörfern ähnlich große Windparks mit jeweils sechs Windkraftanlagen entstehen, bestätigt Andreas Krause von Greenfox Energy. Dort sei die Planung aber noch nicht so weit fortgeschritten wie in Bönningstedt. Aber auch in Ellerbek und Tangstedt haben sich die politischen Gremien schon mit den Plänen befasst, wie das Abendblatt erfuhr.
„Wir sind noch sehr zurückhaltend und wollen in Ruhe abwägen, ob sich das für unsere Gemeinde lohnt“, sagt Tangstedts Bürgermeisterin Henriette Krohn (CDU). Im Januar soll es dazu eine erste öffentliche Info-Veranstaltung in ihrem Dorf geben. Und Ellerbeks Ex-Bürgermeister und FDP-Gemeinderat Günther Hildebrand sagt: „Ich finde es schon überraschend, dass in einem so dicht besiedelten Gebiet am Hamburger Stadtrand ein so großer Windpark entstehen soll.“
Ellerbeks Ex-Bürgermeister hält den Windpark für zu groß - CDU bereits dagegen
Die Ellerbeker CDU lehnt das Windparkprojekt bereits vollends ab, weil dadurch der „dörfliche Charakter unserer Gemeinde massiv beeinträchtigt werden“ würde, heißt es in einer Erklärung mit der Überschrift: „Fünf Fernsehtürme für Ellerbek? Nein, Danke!“ So reizvoll die 200.000 Euro Jahresbeteiligung auch für Ellerbek wären. „Man guckt nicht nur auf fünf statische Fernsehtürme, sondern auf einen dauerhaft rotierenden Industriepark in Höhe des Fernsehturms. Allein das wäre für uns schon Grund genug, dieses Vorhaben abzulehnen“, heißt es weiter.
Hinzu käme, dass sich die 66 Hektar, auf denen der Windpark entstehen soll, mitten im Landschaftsschutzgebiet befänden. „Die massiven Betonfundamente und für Vögel tödlichen Rotoren der Anlage sollen also genau dort platziert werden, wo wir unsere heimischen Tiere und die Natur besonders schützen wollen.“
Insgesamt sollen in diesem bislang landwirtschaftlich genutzten Dorf-Dreieck auf etwa 200 Hektar Fläche 17 Windkraftanlagen errichtet werden, deren Nabenhöhe 160 Meter und die Flügelspannweite 166 Meter betragen. Zusammen würden sie etwa 300 Millionen Kilowattstunden erneuerbaren Strom erzeugen, was den Strombedarf für rund 100.000 Haushalte decken könnte. Allen drei Gemeinden würden jeweils etwa 200.000 Euro im Jahr an Ertrag winken.
Die Bönningstedter Bürgerinitiative, die der Anwohner Klaus Niemöhlmann mit seiner Nachbarin Kirsten Möller und dem ehemaligen Kommunalpolitiker Arne Hansen ins Leben gerufen hat, befürchtet, dass dies nur der Anfang sein könnte. „Erst fünf Windräder – dann 50“, heißt es auf ihrem Flyer, der jetzt im DIN-A-5-Format von professionellen Austrägern flächendeckend verteilt werden soll. Aus ihrem Naturidyll, einem beliebten Naherholungsgebiet, das auch viele Hamburger anzöge, würde eine „Industriezone“.
Anwohner-Initiative warnt vor Gesundheitsrisiken und Wertverlust
Sie argumentieren, dass die Windenergieanlagen das Naherholungsgebiet zerstören, Vögel bedrohen, Gesundheitsrisiken durch Schattenschlag und Brummgeräusche verursachen und den Wert ihrer Immobilien mindern würden.
Investor Krause versichert, dass es bei diesen 17 Anlagen in den drei Gemeinden bleiben würde. Mehr gäben die Flächen nicht her. Insbesondere in Bönningstedt gebe es zahlreiche Biotope, die nicht bebaut werden dürften. Darum sei diese Fläche auch mit 90 Hektar etwa doppelt so groß wie in den beiden Nachbargemeinden, wo diese natürlichen Beschränkungen nicht vorhanden seien. Es sei aber die Landesregierung, die in diesem Jahr für ganz Schleswig-Holstein mögliche Potenzialflächen für den Bau von Windkraftanlagen festgelegt habe.
Auch im Süden von Quickborn-Renzel sollen Windräder errichtet werden
Und dazu zählt genau dieses Gebiet zwischen den vier Dörfern Bönningstedt, Hasloh, Ellerbek und Tangstedt, wobei für Hasloh bislang noch kein Windpark geplant ist. Dafür möchte Green Energy noch etwas weiter nördlich auf Quickborner Gebiet drei bis vier Windenergieanlagen errichten. Darüber soll in den politischen Gremien der Stadt Quickborn im Dezember zunächst nichtöffentlich beraten werden.
„Wir brauchen dafür aber die breite Masse der Bevölkerung“, sagt ein Ratsmitglied. Das könnte eine Einwohnerversammlung erreichen, die letztlich entscheiden sollte. „Wir brauchen erneuerbare Energie, aber zu welchem Preis“, sagt das Ratsmitglied und meint damit nicht nur den Eingriff in die Natur, sondern auch wie sich die Anlagen in die Umgebung einfügten und ob die unmittelbar betroffenen Bewohner der Gronau-Niederung einverstanden wären. „Das hätte für mich die höchste Priorität.“
BUND-Landesvorstandsmitglied hält den Kreis für zu besiedelt
Harald Busch aus Ellerbek, der sich der Bönningstedter Anti-Windkraft-Initiative angeschlossen hat, verweist in dem Zusammenhang auf die kritische Stellungnahme des Bundes für Natur und Umweltschutz (BUND) vom September dieses Jahres zu den landesweiten Potenzialflächen für Windenergieanlagen.
Marina Quoirin-Nebel aus Barmstedt, die auch dem Landesvorstand des BUND angehört, betont darin: „Windenergie ist ein wichtiger Baustein für die energetische Transformation, auch in Schleswig-Holstein. Doch die Erreichung der klimapolitischen Ziele des Landes darf nicht einseitig zu Lasten der Natur gehen. Das gilt besonders im Kreis Pinneberg, dem am dichtesten besiedelter Kreis im Land.“
Auch eine Internetseite soll gegen den Windpark Stimmung machen
Hier herrsche ein hoher Siedlungsdruck, durch Migrationsströme aus Hamburg, die Flächen für die Infrastruktur (Soziales, Verkehr, Energie), die Landwirtschaft, den Gartenbau, durch Tourismus und Erholung und die Flächen für die Natur in besonders ausgeprägter Konkurrenz - das gehe „oft zu Lasten des Natur- und Landschaftsschutzes“, warnt die BUND-Sprecherin. „So gibt es im Kreis Pinneberg kaum noch unzerschnittene Räume.“
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Die Bürgerinitiative in Bönningstedt geht ihren Widerstand gegen die „Windkraft-Giganten“ in ihrer Nachbarschaft sehr strategisch an. Neben den 7500 Flugblättern, die nun verteilt werden, soll zeitgleich eine Internetseite geschaltet werden, kündigt der Initiator Niemöhlmann an. Rund 10.000 Euro hätten sie bereits durch Spenden in diese Initiative gesteckt. Und auch ein Bürgerbegehren ist im Gespräch, das dann den Beschluss der Gemeindevertretung zu Fall bringen soll, sofern diese am Dienstag den Aufstellungsbeschluss für das geplante Sondergebiet Windpark beschließen wird.
Die Sitzung des Gemeinderats beginnt am Dienstag, 26. November, um 19.30 Uhr im Bönningstedter Kulturzentrum an der Kieler Straße 112 und ist öffentlich.