Kreis Pinneberg. Wer ist der Herausforderer des Berufspolitikers Ralf Stegner? Bernt Berger will für die Sozialdemokraten antreten – eine Annäherung.
Bei der SPD im Kreis Pinneberg läuft alles auf einen Zweikampf um die Bundestagskandidatur hinaus. Der amtierende Abgeordnete Ralf Stegner (65), der ein zweites Mal für den Wahlkreis 007 antreten will, muss sich dem Herausforderer Bernt Berger (54) aus Wedel stellen. Wie schon vor vier Jahren, als sich der in Bordesholm lebende Stegner gegen den damals 31 Jahre jungen Mats Hansen aus Elmshorn vom Kreisjugendring beweisen musste. Damals setzte sich Stegner mit 64 zu 28 Stimmen durch.
Am kommenden Freitag, 22. November, entscheiden die Delegierten des SPD-Kreisverbandes im Rellinger Hof, wen sie bei der auf den 23. Februar 2025 vorgezogenen Bundestagswahl ins Rennen schicken wollen: den erfahrenen Berufspolitiker Stegner, dem es 2021 auf Anhieb gelang, den Wahlkreis Pinneberg gegen Michael von Abercron (CDU) direkt zu gewinnen. Oder den gebürtigen Wedeler Berger, der dort seit kurzem auch den Ortsverein leitet und viele Jahre im Ausland in der Friedens- und Konfliktforschung gearbeitet hat.
SPD-Herausforderer Berger hat lange im Ausland gearbeitet, zuletzt in Südostasien
Wer ist dieser Berger, der seit fast 20 Jahren der SPD angehört und erst vor drei Jahren aus dem südostasiatischen Myanmar (ehemals Birma) zurückkehrt ist, wo er zwei Jahre für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung gearbeitet hat? „Dort habe ich mit sieben Mitarbeitenden verschiedene Gewerkschaftsprojekte aufgebaut, bis wir alle wegen des Militärputsches das Land verlassen mussten“, erzählt Berger in einem leisen, fast bedächtigen Ton. Um ihn zu verstehen, muss man gut zuhören.
Berger sieht sich keineswegs als Außenseiter, wie er versichert. Er erfahre viel Unterstützung aus den Ortsvereinen im Kreis Pinneberg und sei im Land und auch in Berlin in der SPD gut vernetzt, wo er die Partei in strategischen außenpolitischen Fragen lange beraten habe. „Meine Kontakte in China reichten bis ins Politbüro.“ Und auch mit dem Pentagon Barack Obamas habe er über Nordkorea verhandelt.
Stegner und sein Gegenkandidat haben sich schon mehrfach der Parteibasis vorgestellt
Berger und Stegner haben sich bereits in mehreren Vorstellungsrunden der Parteibasis, einem Teil der 1400 Mitglieder in den 32 Ortsvereinen präsentiert. „Ich bin zuversichtlich, dass ich am 22. November gewählt werde“, sagt Berger, der Versicherungskaufmann gelernt und dann über den zweiten Bildungsweg Soziologie in Hamburg an der Hochschule für Wirtschaft und Politik studiert hat.
„Ich bin zwar kein Berufspolitiker“, wie Stegner, sagt er, der im Bundestag dem Auswärtigen Ausschuss angehört und abrüstungspolitischer Sprecher seiner Fraktion dort ist. „Aber ich kenne mich in der Praxis viel besser aus und habe lange in der Sicherheitspolitik gearbeitet“, sagt Berger, der auch zwei Jahre für das international anerkannte unabhängige Friedensforschungsinstitut SIPRI in Stockholm wissenschaftlich tätig war.
Bernt Berger aus Wedel: „Wir müssen die Wirtschaft wieder neu entwickeln“
„Es geht um bundespolitische Themen“, ist seine Überzeugung. Da sehe er auch klare Vorteile auf Seiten der SPD im Vergleich zur CDU, die mit Daniel Kölbl (31) aus Tornesch einen eher bundespolitisch unerfahrenen Kandidaten aufgestellt hat. Auch wenn er anerkennend sagt, dass er es gut finde, dass die CDU dieses Mal „kein parteipolitisches Fossil“ ins Rennen schicke. „Wir müssen die Wirtschaft im Land wieder neu entwickeln und die Zivilgesellschaft zusammenbringen“, sagt Berger.
„Wir leben in ernsten Zeiten und haben keine Zeit, uns lange mit großen Ideen zu befassen“, ist seine Einschätzung. Vielmehr gehe es darum, die Ärmel hochzukrempeln und die Wirtschaftskraft und Technologie hierzulande wieder nach vorne zu bringen. „Das ist viel zu viel auf die lange Bank geschoben worden. Wir alle werden viel arbeiten müssen, um unseren sozialen Wohlstand zu erhalten“, ist sein Eindruck.
Die Verkehrs-Infrastruktur im Kreis Pinneberg müsse besser werden
Da habe die deutsche Industrie auch viel falsch gemacht, glaubt Berger. So seien die Automobilhersteller in China schon vor vielen Jahren gezwungen gewesen, dort Elektrofahrzeuge anzubieten. Das hätten sie hierzulande dagegen lange vernachlässigt. Auch die Bildungspolitik müsse besser werden. Wie wichtig die ist, habe er in Schweden erleben können, wohin Fachkräfte aus Japan in Scharen ausgewandert seien – wegen des guten Bildungssystems dort.
Im Kreis Pinneberg müsse die Infrastruktur auf dem Verkehrssektor endlich besser werden, fordert Berger. Sonst verpasse der Kreis den Anschluss, am Hochtechnologie-Standort teilzuhaben, wenn in Heide die Batteriefabrik von Northvolt gebaut wird. „Es kann ja nicht sein, dass hier alles stillsteht, wenn in Elmshorn ein Bus gegen eine Brücke fährt“ oder weil das dritte und vierte Fernbahngleis nicht gebaut ist.
Stegner: Scholz kann nur Kanzler werden, wenn die SPD wieder in Pinneberg gewinnt
Stegner will seinen Herausforderer nicht kommentieren. Es sei „sein gutes Recht“, gegen ihn anzutreten. „Ich bewerbe mich um die Wiedernominierung im Wahlkreis Pinneberg“, den er nun gut drei Jahre als einziger Bundestagsabgeordneter vertreten hat, sagt Stegner. Er sei zuversichtlich, dass ihm das in Rellingen gelingt, wo 1989 in der dortigen Kommunalpolitik seine politische Karriere begann.
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„Der Wahlkampf wird kurz werden. Aber darauf sind wir gut vorbereitet“, glaubt Stegner. „Und der Bundeskanzler kann nur Bundeskanzler bleiben, wenn der Wahlkreis direkt gewonnen wird“, geht Stegner auf die Orakel-Macht der Pinneberger Wähler ein. Dass seit 1953 19-mal hintereinander immer der Kandidat in Pinneberg gewonnen hat, dessen Partei dann den Bundeskanzler oder die Kanzlerin stellte.
Die Kreis-Delegiertenversammlung der SPD beginnt am 22. November um 18.30 Uhr im Rellinger Hof.