Wedel. Bernd Höpermann übergab Geschäft, um in Brasilien zu entspannen. Nun führt er den Laden wieder - und erhebt Vorwürfe gegen Nachfolger.
Dieser Versuch ging schief. Und das nicht nur, weil es Fleischereien generell immer schwerer haben, nicht nur im Kreis Pinneberg. Viele Menschen haben sich in ihrer Ernährung umorientiert – und verzichten ganz oder größtenteils auf Fleisch. Nicht grundlos war die Fleischerei Höpermann am Kronskamp in Wedel erst im Vorjahr mit neuem Konzept in die geschäftsführenden Hände von Daniel Wichern (35) gewandert. Doch nun ist dieses Experiment schon wieder vorbei.
Wichern wollte unter dem Namen „Des Fleischers Tochter“ das seit 1932 bestehende Unternehmen, das für Bio- und Bioland-Qualität bürgt, in eine noch gesündere und nachhaltigere Zukunft führen. Doch das hat aus Sicht von Bernd Höpermann (60) überhaupt nicht funktioniert. Er erklärt den Versuch für gescheitert und kehrte nun nach einem guten Jahr am brasilianischen Zuckerhut in Rio de Janeiro nach Wedel zurück, um wieder als Chef das operative Geschäft zu leiten.
Wedel: Fleischerei-Geschäftsführer Bernd Höpermann kehrt aus Brasilien zurück
Die Umsätze hätten sich um bis zu 20 Prozent verringert, die Stammkunden seien mit den Fleischwaren, die ohne die Zugabe von Nitritpökelsalz dunkler sind und deshalb keine leuchtend-rote Farbe aufweisen, einfach nicht warm geworden. Wichern verfolgte das nachhaltige Schlachtkonzept Nose-to-Tail, also von der Schnauze bis zum Schwanz. Es sollen möglichst viele Bestandteile des geschlachteten Tieres Verwendung finden, und nicht nur die beliebten Filetstücke.
Rückkehrer Höpermann sei nach eigenen Angaben vor mehr als 20 Jahren Vorreiter in der hiesigen Bio-Schlachterszene gewesen: „Dieses Konzept ist ja nicht neu, ein ganzes Tier zu verarbeiten. Ein guter Schlachter produziert ohnehin wenig Abfälle.“ Der Trend in den Zahlen unter Wicherns alleiniger Führung habe allerdings nicht gestimmt.
Bernd Höpermann: „Firma hätte bis zum Jahresende mutmaßlich nicht überlebt“
„Mutmaßlich hätte die Firma bis zum Jahresende nicht überlebt. Also habe ich mein wirklich sehr schönes Leben in Brasilien mit meiner Ehefrau und unserer gemeinsamen Tochter auf noch unbestimmte Zeit unterbrochen“, erklärt Geschäftsführer Höpermann. Er möchte so bald wie möglich zurück ins „Paradies“.
Für ihn sei die Rückkehr nach Wedel jedoch selbstverständlich gewesen. Er bezeichnet es als „Rettung in letzter Sekunde“ für die Fleischerei Höpermann. Wichern, der seit September 2009 im Betrieb war und sich vom Lehrling zum Fleischermeister ausbilden ließ, ist seit dem 1. August kein Teil mehr der Höpermann-Crew. Von 2018 an hatte er das Unternehmen gemeinsam mit dem Senior-Chef geführt.
Fleischerei Höpermann war nach einigen Tagen wieder geöffnet
Mit Wichern haben auch zwei Lehrlinge und ein Meister die Fleischerei ab diesem Zeitpunkt verlassen. Daraufhin war das Geschäft am Kronskamp kurz geschlossen worden. Es öffnete am 5. August wieder. Nach Abendblatt-Informationen schwelen Streitereien um bestehende Verträge. Es beschäftigen sich nun sogar Anwälte beider Parteien mit dieser Auseinandersetzung.
Gegenüber dem Abendblatt möchte sich Wichern nicht äußern. Auf dem Instagram-Kanal des Unternehmens „Des Fleischers Tochter“ ist in englischer Sprache die Rede davon, dass ein eigener Betrieb unter dem Schlagwort „100 Prozent natürlich“ in Planung sei.
Fleischerei Höpermann sucht Fachkräfte für den Schlachtbetrieb
Mit Unterstützung seiner Familie in Wedel, die tatkräftig in der Fleischerei mitanpackt, und dem Verkaufsteam, das geschlossen an Bord blieb, will Bernd Höpermann zurück zu wirtschaftlich solideren Zeiten. Momentan sind zehn Personen tätig für das kleine Unternehmen. Höpermann ist dabei der einzige Mann. „Ich bin wirklich sehr dankbar darüber, dass vor allem das Verkaufsteam weiter hier arbeitet“, sagt er.
Aktuell produziert er gemeinsam für sein Geschäft mit der neu eingestellten Fleischermeisterin Gina Borgwaldt in der „Wurstbude“, wie er die Räumlichkeiten zur Verarbeitung liebevoll nennt. Fachkräfte für das fleischverarbeitende Gewerbe in seinem Betrieb werden noch gesucht.
Höpermann: „Ich habe Herrn Wichern ermöglicht, sich hier hier ein Standbein aufzubauen“
Bernd Höpermann sagt: „Ich habe Herrn Wichern ermöglicht, sich hier ein Standbein aufzubauen. Ich glaube, er hat vieles nur durch die rosarote Brille gesehen. Er hatte wohl kein Interesse an einem klassischen Betrieb. Mit mir wollte er leider nie darüber reden.“ Die Idee, Restaurants zu beliefern, sei aus Höpermanns Sicht nur „ein viertes Standbein“.
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Aber darauf habe Wichern sein Hauptaugenmerk gelegt und nicht auf die wichtigeren Standbeine Ladenverkauf, Mittagstisch und Party-Service. Diese Kernkompetenzen seien vernachlässigt worden. Niemand kaufe bei einer grauen Optik, die wegen fehlendem Nitritpökelsalz entsteht, übermäßig gern Wurst- und Fleischwaren.
Denn: Es kämen automatisch Gedanken auf, die Ware sei schlecht. Auch hätte es aus Sicht Höpermanns Abzüge im Geschmack und der Haltbarkeit gegeben. Nitritpökelsalz kommt hauptsächlich in Wurstwaren zum Einsatz.
Anfang der 2000er-Jahre war der Chef der Bio-Fleischerei noch ausgelacht worden
Seitdem es eine Rückbesinnung auf das gebe, wofür die Fleischerei Höpermann in der Vergangenheit schon immer qualitativ stand, seien die Umsätze nach Angaben des Geschäftsführers wieder gestiegen. „Als wir hier vor über 20 Jahren mit Bio-Fleisch angefangen haben, wurden wir noch ausgelacht. Und es ist auch gut gewollt von Wichern, auf Nitritpökelsalz in der Wurst zu verzichten. Es ist aber einfach so, dass ein Teil der Kundschaft weggeblieben ist, weil es ihnen nicht mehr geschmeckt hat“, so der Wedeler.
In Zeiten, in denen der Fleischkonsum stagniert, solle jedoch bewusst eingekauft – und die aus seiner Sicht qualitativ bestmögliche Ware angeboten werden. Höpermanns Fleisch- und Wurstwaren werden fast flächendeckend in Bio- und Bioland-Qualität, also mit noch höheren Standards, für die Betriebe aus der Region angeboten.
Geöffnet ist das Geschäft am Kronskamp 26 in Wedel für montags von 10 bis 13 Uhr – nur für den Mittagstisch. Ein Mittagstisch wird bis einschließlich Sonnabend angeboten. Dienstags bis freitags gibt es den Ladenverkauf von 9 bis 18 Uhr. Sonnabends von 7 bis 13 Uhr.