Kreis Pinneberg. Trotz Krise in der Branche gibt es Spitzenfleischer - etwa mit Wildfleisch aus Pinneberg, Würzigem aus Hemdingen oder Bio aus Wedel.

Im Kreis Pinneberg erleben viele Kunden das Fleischersterben hautnah. Mit welchen Produkten und welchen Persönlichkeiten diese Krise bewältigt werden kann, verrät ein Fleischermeister aus Wedel. Qualität zeichnet das Handwerk trotz Krise auch in der Region aus. Und wer wüsste das besser als die Redakteure der Fachzeitschrift Feinschmecker. Auch sie hatten sich auf die Suche nach exzellenten Fleischereien begeben – und fanden Produkte von einigen Schlachtereien aus der Region besonders gut.

Feinschmecker: „Bestens schmeckt die Wildscheinleberwurst“

Wer nach Auszeichnungen für gutes Fleisch und Wurst im Kreis Pinneberg sucht, kommt an der Pinneberger Fleischerei Peter Raabe nie vorbei. Seit 1911 ist das Unternehmen in Familienhand. Jüngster Spross in der Geschichte ist Michael Raabe (54). Er präsentiert seinen Kunden wie schon Vater und alle anderen Vorfahren ein großes Wurstsortiment.

Michael Raabe, 54, führt das 1911 von Ernst Seidler in Pinneberg gegründete Unternehmen seit 2013. Karl Seider übergab das Geschäft seinem Neffen Peter Raabe, dem Vater des jetzigen Chefs.
Michael Raabe, 54, führt das 1911 von Ernst Seidler in Pinneberg gegründete Unternehmen seit 2013. Karl Seider übergab das Geschäft seinem Neffen Peter Raabe, dem Vater des jetzigen Chefs. © Michael Rahn | Michael Rahn

„Sogar die flache, rechteckige Salami im Stil einer scharfen italienischen Spinata Romana gelingt ihm“, schreibt der Feinschmecker in seinem aktuellen Bericht über die 500 besten Fleischereien Deutschlands. „Herzhaft voller Geschmack auch beim Corned Beef, das wie die Lammleberwurst oder das Putenmett frisch oder im Glas angeboten werden. Bestens schmeckt die Wildschweinleberwurst mit Fleisch aus regionalem Abschuss. Die Wildlyoner, eine schnittfeste feine Brühwurst mit hohem Wildfleischanteil schmeckt gerade richtig, kräftig, aber nicht deftig. Schön ist das große Angebot an selbst produzierten Suppen und Eintöpfen in Konserven, von Holsteiner Saure Suppe und Labskaus bis zum Putengulasch mit Früchten.“

Landschlachter Thies in den Top 500 Deutschlands

Unter die Top 500 preist der „Feinschmecker“ auch den Familienschlachtbetrieb Landschlachterei Bernd Thies aus Hemdingen. Sein Schlachtvieh kommt ausschließlich direkt von bäuerlichen Familienbetrieben aus Schleswig-Holstein. So ist garantiert, dass die Tiere ohne pharmakologische Zusätze oder den Zusatz von Tierkörpermehl aufgezogen werden.

Bernd Thies und sein Sohn machen auch die Wurst selbst. Der Feinschmecker schwärmt: die mild-würzige Rindersalami, das saftige, dabei magere Rinderrauchfleisch, die aromatische, doch recht fetthaltige Teewurst oder eine Jalapeño-Grillwurst, die allerdings keine Schweißperlen auf die Stirn treibt. Ihre herzhaft-fleischige Krakauer macht im Wassertopf oder in der Bratpfanne erhitzt eine gute Figur..“

Schlachterei Fülscher setzt auch auf eigene Märkte

Drei Männer für ein Familienunternehmen: Jan-Peter Fülscher hat die Führung der Fleischerei in Seestermühe Anfang 2020 an seine Söhne Sven (l.) und Marc übergeben. 
Drei Männer für ein Familienunternehmen: Jan-Peter Fülscher hat die Führung der Fleischerei in Seestermühe Anfang 2020 an seine Söhne Sven (l.) und Marc übergeben.  © Fülscher | Fülscher

Auch die Firma Fülscher Fleisch GmbH steht in der Region für ausgezeichnete Produkte: Neben der langjährigen Möglichkeit, am Hauptstandort in Seestermühe vorbestellte Ware abzuholen, betreibt die Familie auch als Reaktion auf die Krise in der Fleischerei ein Ladengeschäft in Hemdingen sowie einen kompletten Supermarkt mit großer Fleischtheke in Sparrieshoop.

Im Lebensmittelmarkt geht Sven Fülscher, der gemeinsam mit seinem Bruder Marc seit 2020 das Familienunternehmen führt, auch moderne Wege. Für die Kunden gibt es einen Food-Automaten, der etwa mit Fleisch, Wurst und Butter bestückt ist, sodass sich auch hier die Kunden zeitlich ungebunden mit Ware eindecken können. Doch im Blickpunkt bleibt die frische, selbst produzierte Wurst und das Fleisch aus der eigenen Schlachterei.

Daniel Wichern (34): Vom Lehrling zum Meister, zum Chef

Die Geschichte beginnt auf der anderen Elbseite: In Buxtehude wächst Daniel Wichern auf. Bereits als Jugendlicher kocht er gern. Als er nach Wedel zieht, lernt er Fleischermeister Bernd Höpermann kennen und darf dort am Kronskamp, in dem Betrieb mit den Bioland-Produkten, ein Praktikum machen. „Ich habe mich in dieses Handwerk verliebt“, gesteht Wichern.

Generationswechsel gelungen: Bernd Höpermann (l.) hat vor einem Jahr die Biofleischerei in Wedel komplett in die Hände von Daniel Wichern (34) gelegt. 
Generationswechsel gelungen: Bernd Höpermann (l.) hat vor einem Jahr die Biofleischerei in Wedel komplett in die Hände von Daniel Wichern (34) gelegt.  © Familie Wichern | Familie Wichern

„Die Lehre hat mir viel Spaß gemacht“, erzählt der heute 34-Jährige. Klar, dass er sofort begeistert auch die Meisterschule besucht und erfolgreich abschließt. Sechs Jahre arbeiten der erfahrene und der pfiffige, junge Meister zusammen. Vor einem halben Jahr gibt Bernd Höpermann die Regie komplett in die Hände seines Nachfolgers ab.

„Wir möchten im Wesentlichen die Idee vorantreiben, dass traditionelle Methoden der Nutzung des gesamten Tieres für die Zukunft und für eine nachhaltige Fleischproduktion wichtig sind“, erzählt Daniel Wichern über die Philosophie seines Unternehmens.

Miterleben, wie ein Tier ohne Abfall zerlegt wird

Die Menschen sollen auch wieder miterleben können, wie geschlachtet wird. Daniel Wichern zeigten das mit einem Rind vom Haidehof aus Wedel. Erst erläuterten die Landwirte, wie die Herde sorgfältig aufgezogen wird. Wichern: „Und wir, als traditionelle Handwerksmetzger, konnten präsentieren und erklären, wie das Tier ohne Abfall zerlegt und verbraucht werden kann.“

Lehrstellen trotz Fleischerkrise besetzt: Julian Diers (20), hier mit seinem Chef und Ausbilder Daniel Wichern (34), ist einer von zwei Auszubildenden in der Biofleischerei Höpermann.
Lehrstellen trotz Fleischerkrise besetzt: Julian Diers (20), hier mit seinem Chef und Ausbilder Daniel Wichern (34), ist einer von zwei Auszubildenden in der Biofleischerei Höpermann. © Michael Rahn | Michael Rahn

Ein anderes nachhaltiges Konzept läuft unter dem Titel Auguste, wie die Großmutter von Bernd Höpermann hieß. Über ein Pop-up-Restaurant wird versucht, Menschen für das Konzept des Verzehrs des ganzen Tieres durch experimentelles Fine Dining zu interessieren.

Neugierig machen auf alle Teile eines Tieres

Daniel Wichern erklärt: „Die meisten Menschen möchten die beliebten Stücke wie das T-Bone kaufen und übersehen oft andere Teile, die ebenfalls köstlich zubereitet werden können. Dies hilft unseren Kunden, offener für den Kauf anderer Teile des Tieres zu sein, für die sie normalerweise weniger Interesse zeigen.“

In diesem Sinne arbeitet die Bio-Fleischerei auch mit anderen Gastronomiebetrieben zusammen, um die Idee des Verzehrs des ganzen Tieres durch traditionelle Handwerksmetzgerei weiter zu fördern. Wichern: „Zum Beispiel erkunden wir gemeinsam mit Kevin Bürmann vom Haebel-Restaurant in Hamburg die Möglichkeit, ihrer Gruppe ein ganzes Schwein zu liefern, anstatt einzelne Teile von mehreren Schweinen.“

„Des Fleischers Tochter“ als neuer Markenname

Auch im eigenen Laden wird so verfahren. Der Fleischermeister erzählt: „Wir erklären viel und gehen allmählich dazu über, unsere Fleischtheken mit ganzen Teilen von ganzen Tieren zu füllen, anstatt uns auf beliebte Schnitte zu konzentrieren.“

Die Tochter von Daniel Wichern aus der Biofleischerei Höpermann in Wedel schaut gern mal über die Ladentheke. Papa und Team vermarkten künftig unter dem Label „Des Fleischers Tochter“.
Die Tochter von Daniel Wichern aus der Biofleischerei Höpermann in Wedel schaut gern mal über die Ladentheke. Papa und Team vermarkten künftig unter dem Label „Des Fleischers Tochter“. © Daniel Wichern | Daniel Wichern

Das alles wird künftig vermarktet unter dem neuen Namen „Des Fleischers Tochter“, um ständig daran zu erinnern, für wen gearbeitet wird: eine nachhaltigere Zukunft für die nächsten Generationen unter Wahrung unserer Geschichte und Tradition. Daniel Wichern: „Der Name passt zu unserer Grundüberzeugung, dass eine nachhaltigere Zukunft für die Fleischproduktion erfordert, dass wir in unserem traditionellen Handwerk und unseren Methoden verwurzelt bleiben.“

Erinnerung an die Geschichte der Familie Höpermann

Anja Schmidt (l.) und Annett Höpermann gehören als Fachverkäuferinnen zum  neunköpfigen Team der Biofleischerei Höpermann am Kronskamp in Wedel.
Anja Schmidt (l.) und Annett Höpermann gehören als Fachverkäuferinnen zum neunköpfigen Team der Biofleischerei Höpermann am Kronskamp in Wedel. © Michael Rahn | Michael Rahn

Natürlich bezieht sich „Des Fleischers Tochter“ nicht nur auf die eigenen Töchter, sondern auch auf die Kinder der Teammitglieder. Zum Beispiel hat auch der zweite Fleischermeister im Betrieb, Marcel, eine Tochter, und auch Diana, die Fleischereifachverkäuferin, die seit ihrer Jugend bei Höpermann arbeitet, hat eine Tochter.

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Daniel Wichern betont: „Wir möchten auch unserer Geschichte Tribut zollen, und zwar Annett Höpermann, der letzten ‚Fleischers Tochter‘ aus der Familie Höpermann, die noch bei uns arbeitet.“