Hetlingen. Warum die größte Anlage der Region modernisiert wurde. Alle Fäkalien aus dem Kreis Pinneberg und Hamburgs Westen werden dort gereinigt.
Sämtliche Abwässer der etwa 320.000 Menschen und Betriebe aus dem Kreis Pinneberg laufen an diesem Ort zusammen. Auch die Schmutzwasserkanäle aus dem Hamburger Westen, Norderstedt, Kaltenkirchen, Henstedt-Ulzburg und weiterer Kommunen aus der Nachbarschaft werden hier gereinigt. Hier, das ist seit 1973 das Großklärwerk in Hetlingen an der Elbe. Klar, dass dort ständig erneuert werden muss, zuletzt für fast 35 Millionen Euro.
„Machen Sie mal die Mechanische Abwasserreinigung zukunftsfit!“ Mit diesem Satz beauftragte der damalige AZV-Verbandsvorsteher Lutz Altenwerth seine Chefingenieurin Julia Weilbeer. Damit startete vor mehr als zehn Jahren das größte Vorhaben seit der Gründung des Abwasser-Zweckverbandes (AZV) 1965. Jetzt ist das Vorhaben fast vollbracht und Julia Weilbeer, Geschäftsbereichsleiterin Planung und Bau beim AZV, „ist stolz“, was ihr Team geschafft hat.
2015 begannen die Arbeiten für die Erneuerung der Vorklärung
In dem 2015 gestarteten Projekt sind alle Anlagenteile modernisiert oder neu gebaut worden, in denen Schmutzstoffe mechanisch aus dem Abwasser geholt und weiterverarbeitet werden. Dazu gehören die Rechen und das Rechengebäude, der Sand- und Fettfang, die Vorklärung, verschiedene Verbindungsgerinne sowie eine neue Containerverladehalle für das Rechen- und Sandfanggut.
Die Ziele, das Wasser sauberer und die Prozesse effektiver und energiesparender zu gestalten, werden erreicht. Die Chefingenieurin schätzt, dass nur noch zehn bis 20 Prozent der Energie aufgewandt werden müssen im Vergleich zum alten System. Das liegt vor allem daran, dass die Abluftmengen drastisch reduziert und die Techniken rundherum modernisiert worden sind.
CO2-Belastung wird durch den Neubau deutlich verringert
Viele werden sich an die großen blauen Zelte für den Sandfang direkt am Zugang zur Elbe neben den Parkplätzen erinnern. Heute sind die Kanäle, in denen der Sand aus dem Wasser gezogen wird, mit flachen Kunststoffabdeckungen eingehaust. Gleichzeitig wurden die Quelle für unangenehme Gerüche geringer und die CO2-Belastung gesenkt.
In dem mehrjährigen Projekt ging es meist um meterhohe Bauten, zuweilen aber auch um Zentimeterarbeit. Besondere Herausforderung laut Ingenieurin: „Die Modernisierung musste im laufenden Betrieb und inmitten der bestehenden Bauwerke geschehen. Das bedeutet, dass immer nur an einem Teil der Anlagen gebaut werden konnte, während durch den anderen das zu reinigende Abwasser floss.“
Jede Sekunde fließen 1000 Liter Schmutzwasser ins Klärwerk
Und das ist eine Menge: Durchschnittlich ein Kubikmeter, also 1000 Liter Abwasser kommen pro Sekunde in der Kläranlage Hetlingen an. „Mit der Modernisierung haben wir die Leistungsfähigkeit unserer mechanischen Reinigungsanlagen deutlich gesteigert“, so Julia Weilbeer.
Aufgrund der optimierten Vorbehandlung ist nun eine kleinere Menge an Rechen- und Sandfanggut zu entsorgen, sodass weniger Lkw-Transporte notwendig sind. Zudem verringert sich in den erneuerten Anlagen der Aufwand für Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten. Arbeitssicherheits- und Hygienebedingungen sind – im Gegensatz zu den vorher offenen Anlagen unter Zelten – verbessert.
Die mechanische Reinigung ist fit für die Zukunft
„Im Bereich der mechanischen Reinigung sind wir jetzt fit für die nächsten Jahrzehnte. Die alten, sanierungsbedürftigen Anlagen stammten aus der Anfangszeit: Im Sommer 1973 floss das erste Mal Abwasser in die Kläranlage Hetlingen. Die Reinigungsleistung entsprach nicht mehr dem Stand der Technik und auch nicht den heutigen Anforderungen“, sagt Christine Mesek, Verbandsvorsteherin des AZV Südholstein.
Noch sind die Arbeiten nicht ganz abgeschlossen: Im dritten und letzten Bauabschnitt werden momentan der alte Sandfang und die alte Verladung zurückgebaut. Insgesamt wurden rund 13.000 Kubikmeter Boden ausgehoben, 600 Tonnen Stahl verbaut, 5500 Kubikmeter Beton gegossen und 60 Kilometer Kabel verlegt.
Nach dem Großprojekt ist vor dem nächsten Millionen-Vorhaben
Während der Bauzeit, die sich nun mit neun Jahren fast verdoppelt hat, begleiteten das Projekt einige unerwartete, teils große Herausforderungen. So wurde bald nach Beginn klar, dass die alten Anlagen aus den 60er-und 70er-Jahren Asbestbeschichtungen aufwiesen, die unter besonderen Schutzmaßnahmen entfernt werden mussten. „Das kostete uns ein weiteres Jahr und eine Million Euro“, berichtete Chefplanerin Julia Weilbeer.
Hinzu kamen die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und des Krieges in der Ukraine, die zu knapperen Ressourcen, unterbrochenen Lieferketten und höheren Kosten führten. „Wir haben es geschafft und blicken heute stolz auf das Ergebnis jahrelanger Arbeit! Allerdings: Nach dem Projekt ist vor dem Projekt. In absehbarer Zeit werden wir weitere größere Vorhaben umsetzen, um künftigen Anforderungen gerecht zu werden“, so Christine Mesek.
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Auf dem Plan steht unter anderem die weitere Modernisierung der Klärschlammbehandlung. Zudem erfordert die Umsetzung der neuen EU-Kommunalabwasserrichtlinie eine Erweiterung der Kläranlage Hetlingen um eine vierte Reinigungsstufe zur Entfernung von Mikropartikeln, gelösten Schadstoffen und Spurenstoffen.