Jahrzehntelange Auseinandersetzungen und Alkohol zum Wegspülen: Das Klärwerk Hetlingen blickt auf 50 eindrucksvolle Jahre zurück.

Hetlingen. Hier läuft seit 50 Jahren zusammen, was wir alle aus Haushalten und Firmen wegspülen: das komplette Abwasser aus dem Kreis Pinneberg, dem Hamburger Westen und den großen sowie einigen kleinen Gemeinden aus den Kreisen Segeberg und Steinburg.

Warum das Klärwerk Hetlingen, die größte Einrichtung seiner Art in Schleswig-Holstein, direkt an der Elbe angesiedelt wurde und was das gut 200-köpfige Team dort täglich leistet – ein Blick zurück!

Klärwerk Hetlingen: Wo gepanschter Tequila weggespült wurde

Mitte der 60er-Jahre war die Situation dramatisch. Pinnau, Krückau und Elbe gehörten zu den schmutzigsten Flüssen Deutschlands. Das Ökosystem kippte. Es musste dringend etwas geschehen.

Deshalb schlossen sich Mitte der 60er-Jahre die Kommunen des Kreises Pinneberg zusammen und bildeten einen Abwasser-Zweckverband. Der Hamburger Westen kam auch noch dazu. Als Standort für das Großklärwerk wurde eine kleine Gemeinde direkt an der Elbe auserkoren: Hetlingen.

Das aktuelle Luftbild zeigt, dass die blaue Abdichtung über dem Sandfang im Vordergrund bereits abgebaut sind. Die neue Anlage für diese Reinigungsstufe ist deutlich kleiner und verläuft senkrecht zu den alten Becken.
Das aktuelle Luftbild zeigt, dass die blaue Abdichtung über dem Sandfang im Vordergrund bereits abgebaut sind. Die neue Anlage für diese Reinigungsstufe ist deutlich kleiner und verläuft senkrecht zu den alten Becken. © Reimer Wulf

Größtes Klärwerk Schleswig-Holsteins: Klärwerk Hetlingen feiert 50 Jahre

Der „Generalplan Hauptsammler West“ sah ein überörtliches Sammlersystem vor, das das Schmutzwasser aufnimmt und zum Zentralklärwerk führt. In Wedel, Pinneberg, Elmshorn und den anderen Städten konnten daraufhin die Klärwerke stillgelegt werden.

„Durch diese Entscheidung war die weitere Entwicklung von Industrie, Gewerbe und Bevölkerung in der Region überhaupt erst möglich“, betont Volker Hatje, Oberbürgermeister der Stadt Elmshorn und Vorsitzender der Verbandsversammlung des AZV Südholstein.

Klärwerk Hetlingen: 50 Jahre geprägt von Fortschritt

Heute ist die Anlage des Abwasser-Zweckverbandes (AZV) Südholstein das größte Klärwerk Schleswig-Holsteins und reinigt mit Hochtechnologie im großtechnischen Maßstab jedes Jahr mehr als 30 Millionen Millionen Kubikmeter verschmutztes Wasser.

Der Beginn: 1971 startet der Bau des Klärwerks Hetlingen, das 1973 in Betrieb geht.
Der Beginn: 1971 startet der Bau des Klärwerks Hetlingen, das 1973 in Betrieb geht. © AZV Südholstein

1971 begann in der kleinen Gemeinde in der Haseldorfer Marsch der Bau eines Zulaufpumpwerks, eines Sandfangs, mehrerer Vorklär- und Belebungsbecken sowie eines Hochwasserpumpwerks. „1973, also vor 50 Jahren, erfolgte dann im Beisein des damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg die Inbetriebnahme des Klärwerks Hetlingen“, erzählt AZV-Verbandsvorsteherin Christine Mesek.

Obwohl Krückau, Pinnau und Stör sich langsam erholten, reichte die Reinigung noch nicht aus, um die darüber hinaus belasteten Flüsse und Meere zu schonen. Das Robbensterben in den 80er-Jahren sorgte für den nächsten technologischen Schub. Phosphor, das für die Algenblüte sorgte, musste künftig aus dem Abwasser geholt werden.

Seit 30 Jahren zu 90 Prozent unabhängig – das Klärwerk Hetlingen

Auch wenn die Reinigungsleistung mit jedem Ausbau des Werkes stieg, wuchs anfangs die Belastung für die Bewohner des nahen Dorfes. In einem 13 Jahre währenden Musterprozess bekamen die Einwohner schließlich eine Entschädigung für eine hohe Geruchsbelastung.

Mit dem Bau von Faultürmen wurde das Problem deutlich gesenkt. Bis dahin war der Schlamm gekocht worden, um die Abfuhrmengen zu reduzieren.

Um die Gase aus dem Gärungsprozess energetisch zu nutzen, wurde ein eigenes Blockheizkraftwerk gebaut. So können seitdem mehr als 90 Prozent des eigenen Strombedarfs und etwa zwei Drittel der benötigten Wärmeenergie im Klärwerk selbst produziert werden.

Gefälschter Tequila als Energieproduzent

Internationale Schlagzeilen machte das Klärwerk Hetlingen Ende 2015, als 25.000 Liter gefälschter Tequila in die Klärwerksanlage eingeleitet und dort entsorgt wurden. Der Alkohol, der in seiner unverfälschten Form aus der Blauen Agave gewonnen wird, war im Oktober 2015 von Zollfahndern im Hamburger Hafen sichergestellt worden.

„Eine so große Menge gefälschter Spirituosen haben wir hier noch nie beschlagnahmt. Das ist ein historisches Ereignis“, sagte Manfred Lindloff, Hamburger Zolloberamtsrat, zum Zeitpunkt des Fundes.

Patricia Espinosa Cantellano, mexikanische Botschafterin in Berlin, legt zusammen mit dem Tequila-Regulierungs-Chef Miguel Ángel Dominguez Morales selbst Hand an, um den gefälschten Tequila im Klärwerk Hetlingen zu vernichten.
Patricia Espinosa Cantellano, mexikanische Botschafterin in Berlin, legt zusammen mit dem Tequila-Regulierungs-Chef Miguel Ángel Dominguez Morales selbst Hand an, um den gefälschten Tequila im Klärwerk Hetlingen zu vernichten. © Michael Rahn

Der falsche Agavenschnaps wurde im Klärwerk Hetlingen über eine Pumpe in die Klärwerksanlage eingeleitet. Und dank der Vergärung gewann das Werk damit zusätzliche eigene Energie. Dieser wurde daraufhin verwendet, um Energie zu erzeugen. Zudem generierte das beim Vergärungsprozess entstehende Klärgas über das betriebseigene Blockheizkraftwerk Strom.

Kurioses und Skurriles landet natürlich auch immer wieder im Abwasser. Die Mitarbeiter stellen einige Fundstücke in einer Vitrine im Verwaltungsgebäude aus. Gebisse werden des Öfteren aus dem Abwasser gezogen. Viel Mühe gaben sich einige Beschäftigte, um die Eigentümern einer Geldbörse mit wichtigen Ausweispapieren zu ermitteln. Doch die Dame, die das gute Stück als Verlust gemeldet hatte, wollte das monatelang durchgespülte zeug gar nicht wiederhaben.

Fünf Jahrzehnte Umweltschutz: Hetlingens Klärwerk im Rückblick

Heute sind die Gewässer im Kreis Pinneberg deutlich sauberer, während im Klärwerk die nächsten Reinigungsstufen vorbereitet werden. Denn auch Mikroplastik und die vielen pharmazeutischen Reste, die im Abwasser landen, sollen raus.

Die Krückau, Pinnau und Wedeler Au, die vor 50 Jahren noch zu den schmutzigsten Flüssen des Landes gehörten, haben dank des Klärwerks eine deutliche Verbesserung ihrer Wasserqualität und Ökologie erfahren. Das Klärwerk Hetlingen ist zu einem wesentlichen Bestandteil der kommunalen Infrastruktur, sowie des regionalen Umwelt-, Gewässer- und Ressourcenschutzes geworden. Heute werden in Hetlingen die Abwässer von rund 870.000 Menschen geklärt.

Von der reinen Abwasserreinigung hat sich das Werk im Laufe der Zeit abgehoben. Die Akteure verstehen ihre Anlage als Umwelttechnik im besten Sinne. „Abwasserreinigung ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die bei uns im großtechnischen Maßstab mit hoch entwickelter Technik durchgeführt wird“, erläutert AZV-Verbandsvorsteherin Christine Mesek.

Was das Klärwerk mit seinen 260 Beschäftigten noch vorhat

„Dementsprechend können wir hier als Umweltunternehmen eine große Bandbreite interessanter Ausbildungs- und Arbeitsplätze in einem sicheren und sinnstiftenden Umfeld bieten – von der Fachkraft für Abwassertechnik und klassischen Handwerksberufen über Fachinformatiker und Finanz-und Verwaltungsfachkräfte bis zum Dualen Studium des Bauingenieurwesens“, Berichtet die Verbandsvorsteherin

Wie in den vergangenen 50 Jahren wird es im Klärwerk Hetlingen auch zukünftig keinen Stillstand geben. Das zeigen aktuelle Vorhaben wie die Erneuerung der mechanischen Abwasserreinigung und des Sandfangs, die Implementierung eines neuen Prozessleitsystems oder der Ausbau der Eigenenergieproduktion. Die Aufgaben wachsen weiter und darauf bereitet sich der Verband mit seinen 260 Beschäftigten vor.