Kreis Pinneberg. Viele Kommunen möchten bauen, doch die Finanzierung stockt. Uetersen bietet nun ein besonders krasses Beispiel und rudert sogar zurück.
Alle Politiker wollen, dass es den Kindern besonders gut geht. Deshalb gilt seit 2013 sogar ein Recht auf einen Kita-Platz für alle mindestens Einjährigen. Doch umgesetzt ist das noch nicht. Allein im Kreis Pinneberg fehlten voriges Jahr etwa 1500 Plätze. Viele Kommunen planen Neubauten. Doch oft reicht das Geld nicht aus. Ein krasses Beispiel liefert Uetersen.
Acht Jahre ist es her, da forderte die Stadt Uetersen ihre Träger von Kitas auf, möglichst zu erweitern. Der Bedarf wachse und wachse. Das Minus aufzuholen, ist noch nicht gelungen. Laut Auskunft von Stadtsprecherin Anna Winterberg fehlen allein 200 Krippenplätze, die Hälfte für die Ein- bis Zweijährigen.
Notstand bei Kita-Plätzen: 2016 hatte Uetersen händeringend nach Partnern für Neubau gesucht
In den damals noch zwei evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden machten sich die Verantwortlichen 2016 an die Arbeit, nach neuen Möglichkeiten Ausschau zu halten. An der Kita unterm Kirchturm werden immerhin 20 neue Krippenplätze geschaffen. Aber das größere Vorhaben des kirchlichen Duetts scheint am Ende zu sein.
Die bürgerliche Mehrheit von CDU und der Wählergemeinschaft BfB (Bürger für Bürger), die sich seit der Kommunalwahl 2023 formiert, hat die Neubaupläne für die Kita Arche Noah im Bildungsausschuss gestoppt und will stattdessen den alten Bestand mit 120 Plätzen, darunter eine Krippengruppe (zehn Kinder), sanieren.
Da das Aus für die neue Arche Noah kurz vor den Ferien in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen worden war, sickern die Informationen nur langsam durch. Die Bildungspolitiker von SPD, Grünen und FDP hatten sich noch im Urlaub zusammentelefoniert und eine Erklärung vereinbart. Zusammengefasst sagen die Vertreter der drei Fraktionen: „Für uns ist der Neubau alternativlos.“
CDU und Wählergruppe BfB sorgen in Uetersen für neue Entscheidungen
Für die CDU-Fraktion verteidigt ihr Sprecher Leon Stark die Abstimmung im Ausschuss. Der von der Kirchengemeinde erarbeitete Vorschlag sei unwirtschaftlich und finanziell nicht umsetzbar. Stattdessen wolle man den Altbau so sanieren, dass die bisherigen Gruppen und Erzieher besser ausgestattet seien. Das entspreche auch den Wünschen des Personals.
Auf die Meinung der Erzieherinnen berufen sich ebenfalls die Vertreter der Wählergruppe BfB. Gemeinsam mit der CDU habe man sich ähnliche Kindergärten angeschaut, darunter auch den dreigeschossigen Bau am Ostermannsweg in Pinneberg. Das sei keine gute Lösung für eine Kita, sagt BfB-Fraktionschef Klaus Seidler. Zweites Argument: Die Verträge seien „zu lasch“. Immer wieder habe es Nachforderungen der Kirche als Träger gegeben.
Kirchengemeinderäte weisen Schuld für Kostensteigerungen von sich
Pastor Johannes Bornholdt und Erhard Vogt vom Kirchengemeinderat der mittlerweile neugebildeten Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Uetersen können diese Argumentation nicht nachvollziehen. Die Kostensteigerungen und damit eine höhere Mietforderung seien durch die wirtschaftlichen Auswirkungen vor allem der Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine verursacht worden. Die Kirchengemeinde als Träger der Kita trage daran keine Schuld.
Als Bauträger für die neue Arche war der kirchliche Immobilienentwickler „bauwerk“ gewählt worden, der keine hohen Gewinne erwirtschaften müsse. Die Idee: Das seit zwei Jahren leer stehende Jochen-Klepper-Gemeindehaus vorn auf dem Grundstück sollte abgerissen werden. Dort wäre Platz für den Neubau, in dem zusätzlich drei Krippengruppen Platz finden sollten.
Wohin mit den Kindern bei einer Sanierung des Altbaus?
Der Vorteil: Während des Baus hätten die 120 Kinder in der Arche Noah weiterhin betreut werden können. Sie wären erst nach Fertigstellung umgezogen. Und wohin jetzt bei einer Komplettsanierung? Der Altbau hätte bei Festhalten am Neubau erst nach Fertigstellung abgerissen werden sollen, um so Platz zu schaffen für ein betreutes Wohnprojekt auf dem hinteren Teil des Grundstücks.
Das Finanzierungskonzept: An den Investitionskosten von geschätzt knapp acht Millionen Euro hätte die Stadt sich nur indirekt beteiligt, und zwar über die Mietkosten. Wo da der Schwellenwert gewesen sei, an dem auch CDU und BfB für das Projekt gestimmt hätten, „ist uns ein Rätsel“, heißt es in der Erklärung, die Pastor Johannes Bornholdt unterschrieben hat.
Mit dem Aus für den Kita-Neubau stirbt auch betreutes Wohnen
Jetzt sieht es so aus, als ob aus den großen Plänen für Kita und Seniorenwohnen vorerst nichts wird. Stattdessen soll der Altbau, in den vergangenen Jahren nur das Nötigste investiert wurde, komplett saniert werden. „Wir haben einen Sanierungsstau“, gesteht Pastor Bornholdt. Wie die Kirchengemeinde nun mit den städtischen Entscheidungen umgehen wird, darüber soll während der nächsten Sitzung beratschlagt werden.
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Die ohnehin durch Personalausfälle und Einschränkungen der Betreuung gebeutelten Eltern trommelten für die Teilnahme an der nächsten Sitzung des Bildungsausschusses. Am 5. September, lauschten einige aktive Mütter und Väter nicht nur der öffentlichen verkündeten Empfehlung über das Ende der Neubaupläne für die Arche-Noah. Denn auch der aktuelle Antrag, einen Erzieherinnen-Notfall-Pool in Uetersen einzurichten, scheiterte an der Mehrheit von CDU und BfB.
Nur die Vertreter von SPD, Grünen und FDP ließen sich von den Argumenten der Gute-Kita-Initiative überzeugen. Melanie Eisenberg, Kathrin Konrad und andere argumentierten, dass ein Springer-Pool weniger Ausgaben verursache als der Einsatz von Mitarbeitern aus Zeitarbeitsfirmen. Es könne verlässlicher geplant werden. Kitawerk und Familienbildung hätten gute Erfahrungen mit dem Springer-Pool gesammelt. Die Initiative will sich von der Abstimmungsniederlage im Ausschuss nicht abschrecken lassen und weiter für ihre Idee werben.