Uetersen. Personalnot und Fachkräftemangel zehren an Eltern der Initiative „Gute Kita“. In Uetersen stellte sich nun Aminata Touré den Problemen.
Meistens sind es Frauen, die notgedrungen eingeschränkte Öffnungszeiten in den Kindertagesstätten im Kreis Pinneberg und anderswo ausbaden müssen. Nathalie Rieck, Mutter einer vier Jahre alten Tochter, ist eine von tausenden Betroffenen. Sie regelt die seit Herbst verstärkt auftretende Personalnot in ihrer Kita zumeist zulasten ihres Jobs.
Als Unternehmerin hat sie bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mehr Möglichkeiten als Angestellte. Und deshalb nahm sie sich auch die Zeit, um andere mit einer Gute-Kita-Initiative mitzureißen. Am Mittwoch warb sie gemeinsam mit anderen Müttern sowie Kitaleitungen und Bürgermeistern beim Gespräch im Uetersener Rathaus bei Sozialministerin Aminata Touré um Unterstützung.
Eltern nagelten wie einst Luther Forderungen an eine Kirchentür
Das Treffen hatte Uetersens Bürgermeister Dirk Woschei in die Wege geleitet. Auch die Amtskollegen aus den Nachbarstädten sowie Landrätin Elfi Heesch, Kita-Leiterinnen und Vertreter von Trägerorganisationen waren dabei. Sie alle eint die Sorge, wie es gelingt, genügend Fachpersonal für die Tagesstätten zu finden und wie die Kosten dafür aufgebracht werden können.
In der Rosenstadt hatten Eltern nach dem Vorbild Martin Luthers am 31. Oktober vorigen Jahres, dem Reformationstag, ihre dringlichen Forderungen an der Tür der Erlöserkirche befestigt. Egal, ob der Reformator damals tatsächlich seine Forderungen in Wittenberg an die Kirchentür nagelte, die Reformation der Kirche startete. Auf den gleichen positiven Effekt hoffen die Akteure der wachsenden Gute-Kita-Initiative.
Kurzfristig, so fordert die Initiative einmütig mit der Kreiselternvertretung und den vereinigten Kita-Leitungen im Land in einem „Offenen Brief“ an die Ministerin, sollten „Helfende Hände“ und ein Springerpool für jede Region die aktuelle Notlage bei der Kinderbetreuung lindern. Mittelfristig, so schlagen Eltern und Erzieherinnen vor, sollen Aus-, Fort- und Weiterbildung verbessert und die Erzieherinnen von Verwaltungs- und Hausmeisteraufgaben entlastet werden.
Ministerin soll mehr Personalstunden in Kitas freigeben
Die Ministerin kann dafür einiges tun: Sie soll unter anderem mehr Personalstunden für die Kitas freigeben und bürokratische Aufgaben für die Teams zurückfahren. Die Ausbildung sollte komplett vergütet, in Teilzeit möglich und an zwei Terminen im Jahr starten dürfen.
Aminata Touré erkannte die Forderungen und Wünsche der Eltern an. Nur etwas versprechen konnte sie nicht. Bereits jetzt gebe es bei der Kita-Finanzierung in Schleswig-Holstein eine Lücke von bis zu 130 Millionen Euro. Jede weitere Entscheidung für mehr Personal koste zusätzliches Geld.
Müssen Kommunen und Eltern bald wieder höheren Anteil tragen?
Zurzeit teilen sich Land (43 Prozent), Kommunen (37 Prozent) und Eltern (20 Prozent) die Kosten für die Kitas. Wegen der akuten Finanzschwäche des Landes Schleswig-Holstein befürchten die Eltern und auch die Kommunen, dass ihr Anteil wieder steigen wird. Diese Sorge konnte die Ministerin niemandem nehmen. Zurzeit werde verhandelt, wo, wie und was geschehen müsse. Im Herbst würden Ergebnisse dazu vorliegen.
Die Vertreter der Gute-Kita-Initiative um die Unternehmerin Nathalie Rieck argumentieren auch mit wirtschaftlichen Daten. Schleswig-Holstein stehe mit anderen Bundesländern in Konkurrenz. Wenn es dort gelingt, die Kinder zuverlässiger zu betreuen, würden weitere Fachkräfte abwandern. Schon heute, so eine aktuelle Umfrage des Wirtschaftsverbandes Familienunternehmer, gebe es aufgrund unzuverlässiger Betreuungszeiten in den Kitas in drei von vier Unternehmen Störungen der Betriebsabläufe.
Gute-Kita-Initiative lobt Anstrengungen der Stadt Uetersen
Nathalie Rieck und ihre Mitstreiterinnen sind gespannt, was die Ministerin am Ende der Verhandlungen als Ergebnis präsentieren wird. Die Gute-Kita-Initiative lobt derweil die Anstrengungen der Stadt Uetersen, um mehr Personal für die Kitas im Ort einzustellen. So ist in jeder Einrichtung eine „Praxisorientierte Ausbildung zum Erzieher“, kurz PiA, genehmigt worden. Zum Vergleich: Pinneberg hatte laut Initiative für 22 Kitas zehn Anträge vorliegen und nur zwei genehmigt.
Auch über einen Springerpool wird in Uetersen verhandelt. Den müsste dann die Stadt Uetersen wie auch die PiA-Stellen zusätzlich finanzieren. „Besser wäre es, wenn das der Kreis Pinneberg übernähme“, sagt der Bürgermeister. Mit diesem Antrag aus den Reihen der Kita-Initiative beschäftigt sich demnächst der Jugendhilfeausschuss des Kreises Pinneberg.
Ministerin verspricht schnellere Anerkennung von Ausbildungen im Ausland
Auch wenn es kurzfristig vom Land keine zusätzlichen Gelder für „Helfende Hände“ oder den im Kreis Pinneberg geforderten Springerpool gibt, versucht die Sozialministerin über die Fachkräfte-Stärkungs-Strategie, mehr Personal freizumachen. So sollen unter anderem ausländische Abschlüsse für die Kinderbetreuung schneller anerkannt werden.
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Das Ziel der aktiven Eltern und Erzieherinnen formuliert die Gute-Kita-Initiative: „Dem Anspruch auf frühkindliche Bildung muss nachgekommen werden. Es geht um die Zukunft unserer Kinder. Um die Zukunft unseres Landes. Gerade in diesen Zeiten bedarf es Weitblick und eine Debatte mit einem Konzept über Legislaturperioden hinaus, wie wir – Eltern, Pädagogen, Politik und Gesellschaft – unsere Kleinsten gut auf das Leben vorbereiten wollen und die Weichen für eine erfolgreiche Gesellschaft stellen können.“