Kiel. Schleswig-Holstein will Bau neuer Häuser und zugleich Ansiedlungen fördern. Kommunen sollen profitieren. Was Northvolt damit zu tun hat.
Schleswig-Holstein zieht die ersten Konsequenzen aus den Erfahrungen mit der Ansiedlung von Northvolt in Heide. Der schwedische Konzern baut in Dithmarschen eine Fabrik für Autobatterien und investiert 4,5 Milliarden Euro. 3000 Menschen sollen hier einmal arbeiten, weitere Tausende Jobs bei Zulieferern und Dienstleistern dürften folgen, so die Hoffnung.
Das Problem: Wo sollen 3000 überwiegend zuziehende Facharbeiter mit ihren Familien wohnen? Wo sollen sich weitere Firmen ansiedeln? Die schwarz-grüne Landesregierung legt deshalb einen „Entwicklungsfonds“ an und stattet ihn mit einer Milliarde Euro aus. Mit diesem Geld will das Land Kommunen animieren, im größeren Stil Flächen zu kaufen und neue Gewerbe- und Wohngebiete auszuweisen. Das Kieler Kabinett hat am Dienstag die gemeinsame Initiative von Wirtschafts- und Innenministerium bewilligt.
Förderung von wohnen und arbeiten – wie geht das?
„Das ist ein großer Schritt, um mehr Unternehmensansiedlungen in Schleswig-Holstein zu ermöglichen. Wir helfen als Land dabei, dass vor Ort neue Gewerbegebiete sowie Industrieflächen entstehen können, und denken den Wohnungsbau gleich mit“, sagt Julia Carstens, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Laut Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (ebenfalls CDU) erhalten die Kommunen so „finanzielle Sicherheit und Know-how bei der Entwicklung von zusätzlichem Wohnbauland. Hiermit wollen wir die Gemeinden bei der Schaffung von Wohnraum unterstützen.“
Was genau ist geplant? Bislang tragen Kommunen das Risiko allein, wenn sie Flächen kaufen, um dort Industrie oder Gewerbe anzusiedeln oder Wohnungsbaugebiete auszuweisen. Bekommen sie die Flächen vermarktet, gehen die Kommunen mit Gewinn aus dem Projekt raus. Scheitern aber die Ansiedlungshoffnungen, geht das Minus voll zu ihren Lasten. Das lässt viele Kommunen zögern.
Hier setzt der neue Entwicklungsfonds von einer Milliarde Euro an, in dem der bestehende Topf zur Wohnungsbauförderung mit einem Volumen von 100 Millionen Euro aufgeht. Am Anfang des neu entwickelten Verfahrens stehen eine Potenzialanalyse und Machbarkeitsstudien. Das Land zahlt 70 Prozent der Kosten davon.
Fällt die Potenzialanalyse positiv aus, können die Kommunen im zweiten Schritt einen Kredit beim Land beantragen. Heißt: Sie bekommen das Geld nicht geschenkt, sondern müssen das Darlehen samt marktüblicher Zinsen nach sechs Jahren zurückzahlen. Zusätzlich lastet das Land den Kommunen die Kosten für die Abwicklung des Verfahrens über eine Verwaltungsgebühr auf. Geht alles gut, und die Gemeinden machen ein Plus mit ihrer Ansiedlungspolitik, bekommt das Land einen Anteil von 50 Prozent des Gewinns, aber maximal zehn Prozent der Darlehenssumme. Machen die Kommunen aber Verlust, übernimmt das Land davon zwei Drittel – höchstens aber 20 Prozent des ursprünglichen Kredits.
Schleswig-Holsteins Kommunen sollen aktiver in Grundstücke investieren
Die Kommunen könnten so Wohnungsbau und Gewerbeansiedlung ermöglichen und dabei ihr finanzielles Risiko deutlich minimieren, sagt Staatssekretärin Julia Carstens. Mit der Übernahme von 70 Prozent der Kosten für die Potenzialanalyse, mit den Darlehen und mit der Absicherung im Verlustfall „helfen wir den Kommunen, aktiver als bisher in Grundstücke zu investieren. So können sie vorausschauend planen und die nötigen Flächen kaufen, ohne allein im Risiko zu stehen.“
Von dem Fonds versprechen sich die beiden beteiligten Ministerien, die Attraktivität Schleswig-Holsteins für Unternehmen zu erhöhen. Innen- und Wirtschaftsministerium wollen damit Betriebe ermutigen, nach Schleswig-Holstein umzusiedeln, und heimische Unternehmen motivieren, in der Region zu bleiben, statt wegen Flächenmangels wegzuziehen. Die beiden Ministerien erarbeiten in den nächsten Wochen die Förderrichtlinien. Ziel ist, dass vom Sommer an Anträge gestellt werden können.
Auf dem „Weg hin zum klimaneutralen Industrieland“
Die über den Fonds finanzierten Gewerbegebiete, so will es das Land, sollen vorrangig an Unternehmen verkauft werden, die zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beitragen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. „Mit dem Fonds gehen wir den Weg hin zum klimaneutralen Industrieland konsequent weiter“, sagt Staatssekretärin Carstens.
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Zurück zum Bau der Batteriefabrik in Dithmarschen. Das 110 Hektar große Grundstück grenzt an die Kleinstadt Heide sowie an die Gemeinden Lohe-Rickelshof und Norderwöhrden. Das Werk wird die strukturschwache Region radikal verändern. Nicht nur positiv. Es braucht neue Wohngebiete, neue Schulen, neue Kitas, neue Straßen – die Kommunen allein können das nicht leisten.
Und so hat Ministerpräsident Daniel Günther ihnen die Hilfe des Landes versprochen. „Der Fonds ist keine Lex Northvolt oder Lex Dithmarschen, aber wir stehen natürlich in engem Austausch mit dem Kreis über Folgeansiedlungen und den Wohnungsbau“, sagt Staatssekretärin Julia Carstens.