Norderstedt. Wie die Norderstedter Baugenossenschaft trotz leerer Fördertöpfe, hoher Zinsen und Baupreise günstigen Wohnraum schaffen möchte
Wach- und Kurswechsel bei Norderstedts größtem Wohnungsbauunternehmen. Die Adlershorst-Genossenschaft, die derzeit 5631 Wohnungen in Norderstedt und dem Kreis Pinneberg verwaltet, hat jetzt mit Hendrik Pieper einen neuen Vorstandschef. Uwe Wirries, der diese Position fünf Jahre lang innehatte, geht nach 15 Jahren im Vorstand bei Adlershorst in den Ruhestand. Zugleich muss das Wohnungsbauunternehmen ganz neue Herausforderungen stemmen. Der Neubau ist durch die hohen Baustoffpreise bei steigenden Zinsen quasi zum Erliegen gekommen, zumal das Land die Fördergelder auf Eis gelegt hat.
Großer Bahnhof zum Abschied für einen verdienten Genossenschaftler. Rund 150 Gäste, darunter auch Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack, verabschiedeten im Norderstedter Kulturwerk den scheidenden Vorstandschef Wirries. Die Tornescher Bürgermeisterin Sabine Kählert, die den Aufsichtsrat des gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmens leitet, hatte den Banker vor 15 Jahren davon überzeugt, aus dem ehrenamtlichen Aufsichtsrat in den Vorstand des Norderstedter Unternehmens zu wechseln. „Das war für alle Seiten eine sehr gute Entscheidung“, sagt sie heute.
Adlershorst: 1604 Wohnungen neu gebaut
1604 Wohnungen habe Adlershorst seitdem neu bauen können, erklärt Wirries stolz. Unter dem Strich wuchs der Wohnungsbestand der Genossenschaft unter seiner Führung allerdings nur um 214 Wohnungen. Dies aber nur, weil etwa ein Fünftel des Altbestandes abgerissen worden sei. „Diese Objekte hatten keine Zukunft mehr und konnten auch nicht mehr saniert werden.“
Als Genossenschaft mit ihren 62 Beschäftigten liege Adlershorst besonders am Herzen, ihren 9250 Mitgliedern preiswerten Wohnraum anzubieten, betont der neue Vorstandschef Pieper. Darum seien 682 der 1604 neu errichteten Wohnungen öffentlich gefördert worden. Zudem gelang es dem Vorstand von Adlershorst, mit dem Innenministerium und der Investitionsbank ein Modell zu entwickeln, indem vorhandene Sozialwohnungen vor dem Auslaufen aus der Bindung zu bewahren. „Das war richtungsweisend“, freut sich Wirries. „Dadurch konnten 371 Wohnungen in der öffentlichen Förderung verbleiben und weiterhin mietpreisreduziert vermietet werden.“
Vorzeigeprojekt „Levenslust“ Norderstedt
Ein Vorzeigeprojekt von Adlershorst ist das Wohnquartier „Levenslust“, das sich vom Harksheider Markt in Norderstedt entlang des Alten Kirchenweges erstreckt. 309 Wohnungen sind dort neu errichtet worden. 85 Millionen Euro wird Adlershorst bis Ende dieses Jahres in das Projekt investiert haben, das dort mehreren Generationen barrierefreien Wohnraum bietet und zusätzlich einen Kindergarten mit 80 Plätzen und altenbereutes Wohnen mit einschließt.
Das Land Schleswig-Holstein hat dieses Vorzeige-Projekt finanziell kräftig unterstützt, wie Ministerin Sütterlin-Waack berichtete. So habe das Land den Bau der 84 Seniorenwohnungen, der Wohngruppe mit zwölf Betreuungsplätzen und 25 weitere Wohnungen mit 8,3 Millionen Euro der 26 Millionen Euro Baukosten des ersten Bauabschnittes gefördert, der 2020 fertiggestellt worden ist. Ende 2024 werden die letzten 59 neuen Wohnungen am Stonsdorfer Weg fertiggestellt sein.
Adlershorst: „Preiswerter Neubau kaum möglich!“
Das Wohnungsbau-Tempo, das in den vergangen Jahren bei Adlershorst etwa 100 bis 140 neue Wohnungen umfasste, werde aber nicht mehr zu halten sein, sagt Martin Henne, der für Wirries jetzt neu in den Vorstand von Adlershorst berufen wurde. „Im Moment ist preiswerter Neubau kaum noch möglich.“ Das Land habe bis zum Herbst die Förderung von Sozialwohnungen ausgesetzt, erklärt Vorstandschef Pieper. „Wir können und wollen unseren Mitgliedern aber auch keine freifinanzierten Wohnungen für 18 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter im Monat anbieten.“ Wer soll das bezahlen?
Denn der Mietpreis liege bei Adlershorst je nach Ausstattung, Lage, Qualität und Alter der Wohnung zwischen sechs und 14 Euro. Die durchschnittliche Kaltmiete beträgt etwa 7,50 Euro je Quadratmeter und Monat. „Viel wichtiger aber ist uns, wie zufrieden die Mieter mit der Miete sind und dem, was sie dafür bekommen“, sagt Pieper. Und diese Zufriedenheit liege bei unglaublichen 90 Prozent.
Adlershorst: Mieterschaft zu 90 Prozent zufrieden
„Der Ruf nach Förderung von Wohnraum ist groß“, sagt Pieper. Aber die Fördertöpfe seien leer. Darum versuche Adlershorst jetzt mit einem neuen Konzept dieser Misere zu trotzen und dennoch neue Wohnungen zu errichten, um die Wohnungsnot zu lindern. Neu-Vorstandsmitglied Henne nennt diese „Smart-Ideen“-Strategie „Bauen von der Stange“. So wolle Adlershorst mit einem preiswerten Baustandard, der sich auch auf andere Bauprojekte übertragen lässt, die Baukosten zu drücken. Dafür habe Adlershorst mehrere Partner aus der Bauwirtschaft gewinnen können, die diese Strategie unterstützen.
Auf diese Weise sollen zum Beispiel in Elmshorn an der Krückau in den nächsten Jahren etwa 200 neue Wohnungen errichtet werden, von denen etwa ein Drittel öffentlich gefördert sein sollen, kündigen die beiden Adlershorst-Chefs an. Das entsprechende Grundstück habe sich Adlershorst dafür bereits gesichert.
Adlershorst Norderstedt: „Bauen von der Stange“
Zugleich setze das Unternehmen weiter verstärkt auf die energetische Sanierung ihres Wohnungsbestandes. 125 Wohnungen würden jedes Jahr etwa modernisiert werden. Gut 120 Millionen Euro pro Jahr investiert das Unternehmen in den Neubau und die Sanierung. Der CO2-Ausstoß konnte dadurch erheblich gesenkt werden, betont Vorstandschef Pieper. Nach seinen Angaben beträgt er nur 18 Kilogramm CO2 auf den Quadratmeter im Vergleich zu 28,5 Kilogramm im Durchschnitt der norddeutschen Wohnungsbauunternehmen.
Adlershorst unterhält etwa 2050 Wohnungen in Norderstedt. Weitere 1620 Wohnungen befinden sich in Elmshorn, jeweils etwa 500 in Wedel und in Quickborn, 420 in Tornesch sowie 60 in Bönningstedt