Norderstedt/Berlin. Professor schlägt vor, dass Städte über 20.000 Einwohner eigene Kfz-Ortskennungen erhalten. Wie Norderstedter die Idee finden.
- Bisher gilt für Norderstedt die Kennung des Kreises Segeberg, also SE.
- Das könnte sich ändern, falls das Land Schleswig-Holstein für die Stadt eine Änderung beantragt.
- In Norderstedt wird der Vorschlag begrüßt, aber es gibt auch Skepsis.
Nie wieder SE-X, dafür mehr Lokalpatriotismus – so könnte man, etwas verkürzt, aus Norderstedter Sicht eine aktuelle Diskussion um Autokennzeichen zusammenfassen. Es geht darum, dass sogenannte Mittelstädte in Deutschland eigene Kfz-Ortskennungen haben sollten. Das zumindest schlägt ein Professor aus Heilbronn vor. Im Bundesverkehrsministerium ist man offenbar nicht abgeneigt. Auch Norderstedter würden in diesem Modell eine eigene Kennung bekommen, nämlich NOS. Das bisherige SE für Kreis Segeberg, das immerhin die legendären Kombinationen SE-X und SE-XY ermöglicht, wäre damit zumindest für Norderstedt passé. Aber dafür bekäme man ein neues identitätsstiftendes Merkmal. Guter Tausch? Die Meinungen gehen auseinander.
Der Mann, der sich das ausgedacht, heißt Ralf Bochert. Er ist Professor für Destinationsmanagement an der Hochschule Heilbronn. Er schlug kürzlich vor, dass bundesdeutsche Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern eigene Kfz-Kennungen auf den Nummernschildern bekommen sollen, beziehungsweise die Möglichkeit, sie zu beantragen. „Mit der Einführung eigener Buchstabenkürzel auf dem Nummernschild könnten viele Kommunen die lokale Identität – sowohl nach innen als auch nach außen – stärken“, sagte Bochert. Das Autokennzeichen sei wichtig für das Stadtmarketing und verstärke die Relevanz einer Kommune.
Nie wieder SE-X in Norderstedt? Diskussion um Autokennzeichen
Das Ganze sei „ein kleines, aber nettes Thema“, so Bochert weiter. „Natürlich haben die Kommunen größere Sorgen. Aber hier geht es ausnahmsweise mal ums Herz, um Identifikation und Heimat.“ Es gebe in der Bevölkerung einen großen Wunsch nach mehr lokaler Verortung. Diesem Wunsch könne man unbürokratisch entsprechen. Kosten entstünden nicht.
Aktuell hat in der Regel jeder Verwaltungsbezirk – also ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt – ein festgelegtes Kennzeichen. Im Kreis Segeberg bekommen deshalb „alle kreisangehörigen Kommunen ausschließlich die Ortsunterscheidung SE zugeteilt.“ Kreissprecherin Sabrina Müller: „Dies ist rechtlich so vorgegeben.“
Was das Bundesverkehrsministerium sagt
Damit nun Mittelstädte wie Norderstedt auch auf den Nummernschildern erkennbar sind, müsste laut Ralf Bochert das jeweilige Bundesland die Initiative ergreifen. Es muss zunächst beim Bundesverkehrsministerium eine Änderung der Fahrzeugzulassungsverordnung beantragen. Diese muss im weiteren Verlauf durch den Bundesrat. „Im Prinzip muss man nur zwei Sätze streichen und ergänzen, dass weitere Kennzeichen möglich sind. Dann ist das Ding durch“, erläuterte Bochert.
Beim Bundesverkehrsministerium steht man „dem Wunsch nach noch mehr lokaler Verortung durch entsprechende Kennzeichen positiv gegenüber“, teilte der Parlamentarische Staatssekretär im FDP-geführten Bundesverkehrsministerium, Oliver Luksic, auf Anfrage mit. Man werde das Anliegen der Initiative wohlwollend prüfen. Die Verkehrsministerkonferenz der Länder hat sich allerdings noch nicht mit dem Thema befasst, Anträge einzelner Bundesländer für eine Änderung gibt es noch nicht.
Vorschläge: BUX für Buxtehude, NOS für Norderstedt
Ralf Bochert hat sich schon mal einige neue Kürzel ausgedacht. Für die niedersächsische Stadt Buxtehude, gelegen etwas südlich von Hamburg, schlägt er BUX vor. Das brandenburgische Teltow bekäme TEL, Bad Krozingen in Baden-Württemberg BKR – und Norderstedt eben NOS.
Die Initiative für eine Umbenennung, so schlägt es Bochert vor, müsste sinnvollerweise von einer Stadt ausgehen, die sie wünscht. Und dann könnte das Land auf Bundesebene das gewünschte Kürzel beantragen. Wie also wird in Norderstedt das Thema gesehen?
Marie-Kathrin Weidner: „Charmanter Baustein, der gelebte Identität nach außen trägt“
Beim Verein Norderstedt Marketing durchaus positiv. „Wenn man als Stadt identitätsstiftende Projekte hat und ein gewisser Stolz für die eigene Stadt vorhanden ist und gelebt wird, kann ein eigenes Autokennzeichen für ein charmanter Baustein sein, der die gelebte Identität auch nach außen trägt“, sagt Geschäftsführerin Marie-Kathrin Weidner. Eine der Aufgaben des Vereins ist es, den Wirtschaftsstandort Norderstedt zu stärken, Mitglieder sind Unternehmen wie Elektro-Alster-Nord, wilhelm.tel, Eintracht Norderstedt und die Stadtpark Norderstedt GmbH.
Auch die Entwicklungsgesellschaft Norderstedt (EGNO) kümmert sich um das Thema Wirtschaftsförderung. Aber hier wird das Thema etwas skeptischer gesehen: „Das Kennzeichen hat keinen wesentlichen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Da gibt es andere Faktoren“, sagt Sprecher Keno Kramer. Als Bürger sagt er allerdings: „Eine eigene Ortskennung fänd‘ ich schon cool.“ Er würde aber für NO statt NOS plädieren, denn: „drei Buchstaben signalisieren eher kleinere Orte. Wir sind eine größere Stadt.“
Norderstedts Stadtsprecher Bernd-Olaf Struppek sagt: „Als Stadt werden wir das, was eventuell kommt, ganz entspannt abwarten. Zunächst einmal müssten ja, durch das Land, überhaupt erst die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.“ Und er sagt auch: „Ob sich die Norderstedterinnen und Norderstedter mit einem NOS ganz besonders identifizieren könnten, erscheint aus Stadtsicht zum jetzigen Zeitpunkt eher fraglich.“
Debatte gab es 2012 schon einmal – damals um das Kennzeichen „NO“
Für Norderstedt ist die Debatte um ein eigenes Kennzeichen nicht neu. Sie wird immer mal wieder geführt, im Zusammenhang mit einem möglichen Austritt aus dem Kreis Segeberg – dann würde Norderstedt als kreisfreie Stadt automatisch eine eigene Kennung bekommen. 2012 bekam das Thema Auftrieb durch eine Initiative des damaligen Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU). Der schickte sich an, die Kennzeichenregelung zu liberalisieren, kleinere Städte sollten künftig selbst entscheiden können, ob sie eine eigene Kennung wollen. In Norderstedt wurde diskutiert, ob der Stadt nicht das Kennzeichen NO gut stehen würde.
Norderstedts damaliger Bürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU) zumindest gefiel die Idee. Das werde „sicherlich dazu beitragen, dass sich Bürgerinnen und Bürger mehr mit ihrer Stadt identifizieren können“, sagte er damals. Und: „Ein besseres Standortmarketing kann man sich nicht vorstellen“. Einige Bürger monierten allerdings, „NO“, das englische Wort für Nein, klinge dann doch irgendwie negativ.
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Die „Kennzeichenliberalisierung“ trat tatsächlich im November 2012 in Kraft. Norderstedt ging allerdings leer aus. Die Regel galt nur für Städte oder Regionen, die früher einmal schon eigene Kennungen hatten, bevor sie dann später einem Landkreis zugeschlagen wurden. Das traf bei dem 1970 gegründeten Norderstedt nicht zu, Städte wie Friedrichshafen am Bodensee hingegen belebten die alte Kennung FN wieder.
Ob Norderstedt nun diesmal zu einer eigenen Buchstaben-Kombi kommt, ist völlig offen. Eine wichtige Rolle dürfte spielen, ob sich eine entsprechende Initiative zusammenfindet, die Begeisterung dafür schafft. Und dann bräuchte es natürlich eine politische Mehrheit. Für einen möglichen Ideenwettbewerb wirft die Pressestelle aber schon mal einen Claim in den Ring, wie man NOS übersetzen könnte: „Nordisch-Offen-Sympathisch.“