Norderstedt. „No-Shows“ werden häufiger, sagen Norderstedter Ärzte. Praxen kommt das teuer zu stehen. Die ersten nehmen deshalb Ausfallhonorare.

  • Strafgebühren für Termin-Schwänzer werden derzeit bundesweit diskutiert.
  • Norderstedter Arzt sagt: Terminausfälle kosten die Praxis 30.000 Euro jährlich.
  • Die ersten Mediziner nehmen deshalb Ausfallhonorare, zwischen 50 und 65 Euro.

Der Termin ist vereinbart, das Praxisteam hält den Zeitraum frei, trifft Vorbereitungen. Aber der Patient lässt den Termin einfach platzen, ohne abzusagen. Das ist für Arztpraxen ärgerlich, kostspielig – und passiert immer häufiger. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert, dass in solchen Fällen eine „Strafgebühr“ erhoben wird, abzurechnen über die Krankenkasse. Das Problem wird auch in Norderstedt immer größer, wie mehrere Mediziner übereinstimmend berichten. Einige helfen sich bereits selbst.

„Unzuverlässigkeit bei Patienten gibt es leider immer öfter“, sagt Dr. Svante Gehring. Er ist Hausarzt in Norderstedt und Sprecher der Ärztegenossenschaft Nord. Auch in seiner eigenen Praxis am Herold-Center in Garstedt hat er damit zu kämpfen. Gerade bei jüngeren Patienten passiere es, dass diese Termine einfach ohne Absage platzen ließen. „Das ist ärgerlich, besonders wenn wir eine größere Untersuchung planen, wie einen Gesundheits-Check. Wir planen ja Zeit dafür ein. Vormittags können wir dann manchmal stattdessen eine Video-Sprechstunde einschieben. Aber nachmittags bekommen wir die Termine einfach nicht nachbesetzt.“

Debatte um „Strafgebühr“: Norderstedter Ärzte bitten Termin-Schwänzer zur Kasse

Wie Gehring sagt, berichten viele Kollegen ähnliches. „Hausärzte sind noch etwas weniger betroffen und auf dem Land ist das Problem tendenziell geringer als in der Stadt, da ist die Bindung noch etwas größer.“ Am größten sei das Problem bei Fachärzten – und gerade dann, wenn es um Akutfälle geht: „Wenn Patienten die Notfallnummer 116-117 wählen, bekommen die ein Ticket bei einem Facharzt zugelost. Aber diese Patienten kommen oft gar nicht. Das ist besonders ärgerlich, weil der Aufwand, solche Termine zu ermöglichen, groß ist.“

Zwei Fachärzte, die selbst immer wieder „No-Shows“ in ihren Praxen erleben, sind der Norderstedter Facharzt für Mund- Kiefer und Gesichtschirurgie Dr. Carsten Knebel und der Norderstedter Zahnarzt Dr. Daniel Kopitziok. „Es hat einfach zugenommen in letzter Zeit“, sagt Knebel, der seine Praxis im Kontorhaus an der Rathausallee behandelt. Und auch Kopitziok sagt: „Ich habe schon das Gefühl, dass das mehr wird“, so der Mediziner, der 2022 die Praxis in der Moorbek-Passage von seinem Vorgänger Uwe Lagenstein übernahm. Kopitziok: „Wir versuchen, Termine bei Nichterscheinen oder kurzfristigen Absagen anhand einer Warteliste neu zu vergeben. Aber das ist häufig so kurzfristig nicht möglich.“

30.000 Euro finanzielle Ausfälle wegen „No-Shows“ von Patienten in Praxis von Dr. Knebel

Während auch Kopitziok sagt, dass es „vor allem jüngere Patienten“ seien, die zu Terminen nicht auftauchen, sowie Neupatienten, sagt Knebel: „Das zieht sich wirklich durch alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten durch.“ Svante Gehring hat eine Vermutung, woran das liegen könnte: „In Zeiten von WhatsApp und anderen digitalen Kommunikations-Tools geht bei vielen die Verbindlichkeit verloren, die früher einmal selbstverständlich war.“

„No-Shows“ haben direkte Folgen für die Praxen – und auch für andere Patienten. Das unterstreicht Carsten Knebel: „Wenn man die finanziellen Ausfälle durch geplatzte Termine zusammenrechnet, da sind wir schnell bei 30.000 Euro jährlich.“ Aktuell dauere es im Schnitt vier Wochen, bis ein Patient bei ihm einen Termin bekommen könne. Das liege aber auch an Patienten, die unentschuldigt fehlen: „Wenn das nicht wäre, hätten wir eine Vorlauf von nur drei Wochen.“

Ausfallhonorar bei Dr. Kopitziok 50 Euro, bei Dr. Knebel 65 Euro

Strafgebühren bei Ärzten
Klare Ansage: Wer nicht rechtzeitig absagt, muss zahlen. Darauf macht am Empfang in der MKG-Praxis von Dr. Knebel ein unübersehbares Schild aufmerksam. © FMG | Claas Greite

Svante Gehring steht einer allgemeinen „Strafgebühr“ für Termin-Schwänzer deshalb offen gegenüber. „Patienten dürfen das durchaus spüren“, sagt er. Wie genau so ein Modell realisiert werden könne, müsse aber noch diskutiert werden, er hält auch Vergünstigungen für zuverlässige Patienten für denkbar. Indes wollen viele Ärzte auf solche Regelungen nicht warten – und helfen sich einfach selbst. So wie Carsten Knebel und Daniel Kopitziok.

In Knebels Praxis werden 65 Euro fällig, wenn ein Patient einen Termin nicht 24 Stunden vorher absagt. Darauf macht ein unübersehbares Schild am Tresen aufmerksam. Diese „Ausfallpauschale“ wird dem Patienten persönlich in Rechnung gestellt. „Wir haben das schon vor zwei Jahren eingeführt“, so Knebel. Die Zahlungsmoral sei in solchen Fällen „ganz gut“.

„Wollen Bewusstsein dafür schaffen, dass andere Patienten lange auf Termin warten müssen“

Ähnlich macht es seit Kurzem Daniel Kopitziok. Wenn eine Person mehrmals ohne abzusagen Termine nicht wahrnimmt, muss ein Formular zum Honorarausfall ausgefüllt werden. Bei einem weiteren Nichterscheinen werden 50 Euro fällig. Diese werden dann nicht mit der Krankenkasse abgerechnet, sondern den Patienten direkt und privat in Rechnung gestellt. Bei einer Regelung über die Krankenkasse, wie sie jetzt diskutiert wird, sieht Dr. Kopitziok Probleme: „Ich finde, das ist nicht ganz zu Ende gedacht. Denn ein Patient könnte ja gegenüber der Kasse behaupten, dass er abgesagt hat. Dann müssten wir ihm das Gegenteil nachweisen.“

Wie Kopitziok sagt, decken die 50 Euro nicht die Kosten, die tatsächlich in der Praxis anfallen, wenn ein Termin nicht wahrgenommen wird. Aber er sagt: „Wir wollen bei den Patienten damit ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Zeit für ihn eingeplant wurde und dass andere Patienten zum Teil lange auf einen feien Termin warten müssen.“ Es gebe allerdings manche „Wiederholungsfälle“, die trotz mehrmaliger Zahlung, „nicht wirklich daraus lernen.“ 

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Immerhin könnte sich nun, mit dem Nahen der kälteren Jahreszeit, die Zuverlässigkeit der Patienten wieder verbessern – zumindest für eine Weile. Carsten Knebel hat beobachtet, dass es da durchaus saisonale Effekte gibt: „Im Winter, wenn die Leute ohnehin nicht so gerne zur Arbeit gehen, ist das Problem nicht so groß. Das reißt in der Regel so im Mai ein, wenn die ersten Sonnenstrahlen kommen.“