Norderstedt. Bürgerinitiativen fordern Flugverbot von 22 bis 6 Uhr und rufen „Internationalen Tag des Nachtflugverbots“ aus. Die Ziele Norderstedts.

Nachts muss es am Himmel ruhiger werden, Flüge zwischen 22 und 6 Uhr müssen verboten werden. Das fordert die Bürgerinitiative für die Reduzierung der Belastungen des Luftverkehrs (BAW) und ruft zusammen mit 95 weiteren Initiativen und Vereinen aus 13 Ländern den 13. September zum „Internationalen Tag für das Nachtflugverbot an Flughäfen“ aus, denn: „Nächtlicher Fluglärm macht krank“, sagt BAW-Sprecher René Schwartz.

Die Weltgesundheitsorganisation empfehle acht Stunden Schlaf, um die Gesundheit auf Dauer zu erhalten. Doch schon die jetzige Regelung, wonach Starts und Landungen am Hamburger Flughafen zwischen 23 und 6 Uhr verboten sind, raube den vom Fluglärm Betroffenen eine Stunde Nachtruhe. Und: An- und Abflüge werden, so Schwartz, sogar bis Mitternacht zugelassen, wenn die Airlines angeben, dass die Verspätung „angeblich unvermeidbar“ gewesen sei.

Norderstedt: In 98 von 100 Nächten stört Fluglärm den Schlaf

„Das Resultat dieses allzu laxen Umgangs mit der Gesundheit der Fluglärmbetroffenen lässt sich an der minimalen Anzahl an Nächten ohne Starts und Landungen nach 23 Uhr ablesen“, sagt der BAW-Sprecher. Laut Messnetz des Flughafens habe es zwischen dem 30. Mai und dem 6. September in 98 von 100 Nächten insgesamt 573 nächtlich verspätete Starts und Landungen nach 23 Uhr gegeben – ein Ergebnis, das zeige, dass die bestehende Nachtflugbeschränkung völlig unzureichend sei, um einen angemessenen Schutz der Bevölkerung vor dem krankmachendem nächtlichen Fluglärm zu erreichen.

Immer wieder werden Norderstedter nachts durch Fluglärm aus dem Schlaf gerissen. Vor allem Garstedter werden sich an den 21. Juli erinnern, als eine Boeing 777 um 23.34 Uhr abhob und mit donnernden Turbinen Richtung Dubai flog. Noch zwei Minuten später war eine Maschine von Sun Express auf dem Weg nach Antalya dran.

Zahl der verspäteten Flüge auf hohem Niveau

Auch insgesamt bewegt sich die Zahl der verspäteten Flüge auf hohem Niveau: 2023 starteten und landeten 809 Maschinen nach 23 Uhr am Hamburger Flughafen. Das sind zwar 64 weniger als 2022, so die Umweltbehörde, aber deutlich mehr als im letzten Vor-Corona-Jahr. 2019 waren 678 Flüge verspätet. Nach Mitternacht starteten und landeten 23 Flüge mit vorheriger Ausnahmegenehmigung der Umweltbehörde. Die Zahlen der beiden Vorjahre liegen deutlich über dem Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2022, den der Flughafen mit 673 verspäteten Flügen angibt.

„Der Schaden für Gesundheit und Klima steht in keinem Verhältnis zu irgendeiner angeblichen Notwendigkeit von Starts und Landungen in der Nacht“, sagt Martin Mosel vom Dachverband der Bürgerinitiativen und Vereine für Fluglärm-, Klima- und Umweltschutz (BIG Hamburg), der den Aufruf zum „Internationalen Tag des Nachtflugverbots“ ebenfalls unterzeichnet hat. Damit wolle BIG Hamburg ein deutliches und dauerhaftes Signal gegen die „unzumutbare Verletzung der Rechte der Menschen, die in der Nähe von Flughäfen wohnen“ setzen.

Bürgerinitiative fordert Runden Tisch und verbindliche Schutzregelungen

Alle Diskussionen um ein Nachtflugverbot am Hamburger Flughafen seien bisher wirkungslos verpufft. Nun fordert Mosel die Verantwortlichen aus Politik, Verwaltung und Flughafen zur Diskussion an den Runden Tisch, um eine verbindliche Schutzregelung zu entwickeln. 

Die scheint um so nötiger, denn ein Gerichtsurteil vom März erleichtert den Airlines Starts und Landungen außerhalb der regulären Betriebszeit von 6 bis 23 Uhr. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die Strafgebühren für Flugzeuge, die zwischen 23 und 24 Uhr abheben oder aufsetzen wollen, für unzulässig erklärt – ein enormer Rückschritt für den Lärmschutz, den Freie Wähler (FW) und Wir in Norderstedt (WiN) nicht kommentarlos hinnehmen wollten.

Hohe Strafgebühren sollen verspätete Flüge reduzieren

Kämpft gegen Fluglärm: Reimer Rathje, Fraktionschef der WiN, setzt sich für eine gerechtere Verteilung der Starts und Landungen ein.
Kämpft gegen Fluglärm: Reimer Rathje, Fraktionschef der WiN, setzt sich für eine gerechtere Verteilung der Starts und Landungen ein. © FMG | Claas Greite

In einem Antrag für den Umweltausschuss forderten sie unter anderem, dass unverzüglich die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, die Strafgebühren wieder einzuführen. Es müsse den Fluggesellschaften finanziell wehtun, wenn sie ihre Maschinen in den Nachthimmel über Norderstedt schicken. Der Antrag fand allerdings keine Mehrheit.

„Ich begrüße die Initiative der BAW, einen Internationalen Tag des Nachtflugverbots auszurufen, ausdrücklich. Leider können wir immer nur bitten und appellieren“, sagt Reimer Rathje, Fraktionschef der WiN und einer der Hauptaktivisten, wenn es darum geht, den Fluglärm über Norderstedt zu reduzieren. Er wird seine Forderungen demnächst im zuständigen Fachforum äußern können: Von Januar an vertritt Rathje die Stadt Norderstedt in der Fluglärmschutzkommission.

Norderstedt: Widersinnig – in der Nacht Tempo 30 für Autos, aber Krach am Himmel

Was der Norderstedter, der jeden Tag und jede Nacht Flugzeuge über dem Haus hat und wie kein anderer weiß, wovon er redet und wofür er kämpft, erreichen will, hat er schon 2013 im Abendblatt formuliert: „Für uns ist die Forderung klar: Wir möchten gleichberechtigt werden. 25 Prozent der Landungen, 25 Prozent der Starts. Nicht jeden Sonntagmorgen um sechs vom Lärm genervt sein und aufwachen. Es gibt vier Sonntage im Monat und vier Richtungen am Flughafen, ein Sonntag im Monat Lärm, das wäre fair. Dass wir das nicht gleich erreichen werden, ist sonnenklar. Aber von den 60 Prozent der Starts über Norderstedt muss man runterkommen.“

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Schließlich sei es ja widersinnig, den Lärmschutz für die Bürger und Bürgerinnen durch nächtliche Tempo-30-Zonen auf den Straßen zu erhöhen, wenn die Menschen durch Krach am Himmel um den Schlaf gebracht werden – ein Argument, dem sich auch die Hamburger nicht verschließen könnten. Auch dort gebe es für immer mehr Straßen ein Tempolimit.