Norderstedt. Bundestagsabgeordneter Bengt Bergt aus Norderstedt und sein Team wollen auf Achse bleiben, um herauszufinden, was die Menschen bewegt.
Da kommt sofort Fernweh auf: Ein VW-Campervan fährt vor am Stadtpark Norderstedt, auf den ersten Blick perfekt gerüstet für den nächsten Roadtrip ans Meer. Doch statt Urlaub haben der Passagier und sein Team etwas anderes im Sinn. Denn der SPD-Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt hat einen ungewöhnlichen Schritt gewagt und sich zugleich einen „lang gehegten Traum“ erfüllt. Das klassische Wahlkreisbüro ist Geschichte. Ab sofort sind der Sozialdemokrat und seine Mitarbeiter auf Achse.
Eigentlich hatte der 42-Jährige, der seit 2021 in Berlin sitzt und 2025 wieder kandidieren möchte, in der Ortsmitte von Henstedt-Ulzburg eine Anlaufstelle, dort fanden Bürgergespräche oder Beratungen statt. Doch irgendetwas fehlte. „Das war nicht schlecht. Aber gerade, wenn es darum geht, Laufkundschaft zu finden, ist es hier im Norden sauschwierig, Liegenschaften zu finden. Es ist schön, wenn Leute vorbeikommen zum Kaffee trinken. Aber wenn es immer die gleichen sind, hilft es mir nicht dabei, die Themen aufzupicken. Und das ist das Wichtige. Ich muss ja wissen, was die Menschen bewegt.“
Campervan statt Büro: SPD-Bundestagspolitiker Bengt Bergt aus Norderstedt erfüllt sich einen Traum
Also kaufte er einen gebrauchten Transporter. „Es wurde dann in Bargteheide von der Firma Salty Blue umgebaut, es ist ein Individualausbau mit allem Drum und Dran. Es ist eine Heizung drin, eine Klimaanlage, eine Alarmanlage, ein Tracker, ein Landstromanschluss mit 230 Volt.“
Gerne hätte er auf einen Verbrennermotor verzichtet. Aber: „Es ist ein Diesel. Ich wäre gerne auf Elektro umgestiegen, aber die gibt es in der Konfiguration nicht, und schon gar nicht zu bezahlbaren Preisen. Und: Ein lang gefahrenes Auto ist vom Klima-Footprint immer noch besser als ein neu produziertes.“ Und auch der CO₂-Verbrauch sei quasi identisch mit dem Büro.
Der Van hat eine Automatikschaltung, einen Kühlschrank („erstaunlich tief, es passen zwei 0,5er-Bierdosen hintereinander“), zwei Gasflammen zum Kochen, ein Spülbecken, einen 50-Liter-Wassertank mit Pumpe und sogar eine Außendusche. „Wir haben ein Faltdach, sodass man stehen kann. Wobei man im Normalfall draußen schnacken kann.“ Sofern es nicht regnet, können Gespräche im bequemen Klappstuhl geführt werden, ansonsten aber auch im Innenraum.
Zum Praxis-Campingtest fuhr Bergt mit seiner Freundin in den Frankreich-Urlaub
Um sich mit allen Funktionen vertraut zu machen, sei er zwar mit seiner Freundin nach Frankreich gefahren. Und theoretisch gibt es sogar vier Schlafplätze, zwei innen, zwei oben im Rooftop-Tent. Doch das Gefährt ist nicht zum Privatvergnügen gedacht. „Wir wollen hier nicht schlafen, sondern arbeiten.“ Und das soll so ablaufen: „Wenn ich in Berlin bin, sind meine Jungs unterwegs, immer mindestens zwei. Meine Leute haben als Arbeitsort das Home-Office, das hier ist der mobile Arbeitsort. Wenn irgendwo Termine anstehen, wenn wir mal eine Gemeinde abklappern wollen, sind wir ansprechbar, schnacken mit den Leuten, verteilen Flyer.“
Und die Resonanz? „Alle sagen: ,Bengt, das ist deins.‘ Dieses vor Ort sein, ansprechbar sein. Das ist mein lang gehegter Traum.“ Die ersten Touren gab es bereits. „Wir waren in Kaltenkirchen und in Bad Oldesloe. Du parkst einfach irgendwo, die Leute drehen ihren Hals. Und wir merken: Die Klicks auf unserer Website gehen nach oben.“
- Akku-Brände: Norderstedt schafft Elektro-Wertstofftonne ab
- Restaurant Norderstedt: Das sind die Nachfolger von Traditionsgrieche „Kostas“
- Melanie Bernstein: „Ich halte wenig davon, an der Lohnschraube zu drehen“
Mit dem VW-Camper nach Berlin: „Der wäre nach zwei Tagen weg“
Wobei die Optik noch dezent gehalten wird, auch wenn der folierte Bundesadler markant ist. „Wir machen gerade keinen Wahlkampf. Ich bin Abgeordneter für den Wahlkreis, und verstehe mich als übergreifend. Beim Seniorenbeirat oder beim Jugendbeirat zum Beispiel, da ist die Parteifarbe wumpe, es geht um Problemlösungen. Für mich geht es darum, Themen nach Berlin zu bringen.“
Den Campervan nimmt er allerdings nicht mit in die Hauptstadt, weder an seinen Arbeitsplatz im Regierungsviertel, um vielleicht mal den Kanzler auf eine Room-Tour einzuladen („die Tiefgarage im Abgeordnetenhaus hat nur eine Höhe von 1,90 Meter“), noch nach Charlottenburg, wo er eine Wohnung hat. „Der wäre nach zwei Tagen weg“, scherzt er.