Norderstedt. Bei Süßwarenherstellern im Raum Hamburg legen Beschäftigte Arbeit nieder. Sie fordern ein Lohnplus. Arbeitgeber: „Völlig überzogen!“
- Gewerkschaft NGG fordert 9,9 Prozent mehr Lohn
- Betriebe und Unternehmen im Norden, auch Branchenriesen Unilever und Nestlé, werden bestreikt
- In Norderstedt soll Produktion bei Barry Callebaut und Stollwerck ruhen
In Norderstedt, wie auch im ganzen Norden, hat die Süßwarenindustrie eine große Tradition. Hier in der Stadt, und zwar im Gewerbegebiet Oststraße, gibt es eine besondere Konstellation. Denn gleich zwei Unternehmen produzieren hier Schokolade, teilen sich sogar ein Grundstück: Barry Callebaut, das im Frühjahr angekündigt hatte, seinen Standort schließen zu wollen, hier endet der Betrieb zum 31. August, und Stollwerck. Beide Firmen werden am morgigen Dienstag, 20. August, von einem Warnstreik betroffen sein, zu dem die Gewerkschaft „Nahrung-Genuss-Gaststätten“ (NGG) aufgerufen hat.
Diese vertritt rund 5000 Beschäftigte, die sich mitten im Tarifkampf befinden. Hiervon sind auch weitere Konzerne und Branchengrößen betroffen: Nestlé, Unilever, Cargill, die Hans-Freitag-Gruppe und Wilhelm Reuss. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Herza in Norderstedt wird genauso wenig bestreikt wie etwa der Bonbon-Hersteller Cavendish & Harvey aus Kaltenkirchen.
Keine Schokolade am Dienstag: Streik bei Firmen aus Norderstedt angekündigt
NGG hatte im Mai mehrere Tarifverträge gekündigt. Nun wird ein Lohnplus von 9,9 Prozent gefordert, oder aber mindestens 360 Euro mehr im Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Auszubildende sollen zudem 190 Euro mehr bekommen. Nach NGG-Angaben verlaufen die Verhandlungen für Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen „äußerst zäh“. Der Vorwurf: Gerade Unilever und Nestlé versuchen, durch lange Laufzeiten das Geschäftsrisiko auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzuwälzen. Aus Sicht der Gewerkschaft ein Unding, und wirtschaftlich nicht nachvollziehbar.
„Das sind große Konzerne, denen es im letzten Jahr zum Teil gelungen ist, deutliche Preissteigerungen gegenüber dem Handel durchzusetzen. Auf der anderen Seite stehen die Beschäftigten, die sich mit den extrem gestiegenen Kosten für Lebensmittel konfrontiert sehen, sobald sie einen Supermarkt betreten. Die Tariflöhne müssen kräftig steigen, sonst können sich die Beschäftigten bald ihre eigenen Produkte nicht mehr leisten“, so der Landesbezirksvorsitzende von NGG Nord, Finn Petersen.
Gewerkschaft: Arbeitgeber haben nur „Magerangebot“ vorgelegt
Die Rede ist von einem „Magerangebot“, das für Empörung gesorgt habe. Zusammengefasst: „Viel zu lange Laufzeiten und viel zu geringe Lohnerhöhungen.“ Im Detail: Die Arbeitgeberseite habe in den ersten Verhandlungsrunden eine Erhöhung von 3,1 Prozent (2024) sowie 2,6 Prozent (2025) für Hamburg und Schleswig-Holstein bei einer Laufzeit von 28 Monaten oder alternativ 2,8 und 2,2 Prozent für 27 Monate vorgelegt.
Angesichts des Unmuts darüber soll am Dienstag ein Zeichen gesetzt werden. „Süßes, sonst gibt‘s Saures“, nach diesem Motto wollen sich Hunderte Beschäftigte ab 9.30 Uhr vor dem Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof in Hamburg treffen. Von dort wird eine Demonstration ab 10.30 Uhr bis zum Unilever-Sitz in der Innenstadt ziehen, wo um 11 Uhr die zentrale Kundgebung geplant ist. Erwartet werden mehrere Hundert Teilnehmer.
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Bundesverband der Süßwarenindustrie: Scharfe Kritik an „unbegründeten und völlig überzogenen“ Warnstreiks
Die Arbeitgeber kritisieren die Warnstreiks unterdessen deutlich. In einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie sagt der tarifpolitische Geschäftsführer Mario Mundorf: „Anstatt mit den Arbeitgebern wie vereinbart im Frühherbst weiter zu verhandeln, sehen wir uns nun unbegründeten und völlig überzogenen Streiks in den Unternehmen gegenüber – und dies trotz fairer Angebote, die die Arbeitgeber in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in allen sechs Tarifgebieten unterbreitet haben.“
Man erwarte, dass die Gewerkschaft „zu konstruktiven Gesprächen an den Verhandlungstisch zurückkehrt.“ Der BDSI würdigt zwar die „hervorragende Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, spricht aber auch von „zentralen Herausforderungen für die Unternehmen“ durch „Steigerungen von Rohstoff-, Energie- und Logistikkosten, und zwar zusätzlich zu den in Deutschland ohnehin hohen standortbedingten Belastungen wie Steuern, Arbeitskosten und Bürokratie.“ Die nächste Verhandlungsrunde findet am 28. August für Hamburg und Schleswig-Holstein beziehungsweise 5. September (Niedersachsen) statt.