Norderstedt. Stadt schlüsselt Kosten auf und erhöht Gebühren. Wer bezahlen muss, welche Fehlanreize es gibt, welches Bauvorhaben vom Tisch ist.

Die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen und Obdachlosen in Norderstedt sind in diesem Jahr deutlich auf über acht Millionen Euro gestiegen. Deswegen sieht die Stadt keine andere Möglichkeit mehr, als die Gebühren für die Bewohnerinnen und Bewohner, die an rund zwei Dutzend Standorten in Unterkünften, in gemieteten Wohnungen oder Hotelzimmern leben, ebenso signifikant zu erhöhen.

Im Sozialausschuss bekam die Politik nun eine detaillierte Aufschlüsselung darüber, wie viele Menschen derzeit betreut und untergebracht sind, aber auch, welche zahlreichen Probleme es hierbei gibt. Zunächst: Mit Stand 30. Juni musste Norderstedt seit Jahreswechsel insgesamt 277 Menschen eine Unterkunft geben, im Durchschnitt elf pro Woche. „Im gleichen Zeitraum haben 183 Geflüchtete unsere Unterkünfte verlassen. Aktuell sind 1694 Menschen in den städtischen Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünften untergebracht“, so der Bericht.

Norderstedt: Unterbringung von Flüchtlingen immer teurer

Die Prognose ist eindeutig: „Aufgrund der aktuellen Zu- und Abgangszahlen ist davon auszugehen, dass auch über das Jahresende hinaus Hotelkapazitäten für die Unterbringung von Geflüchteten benötigt werden. Entsprechende Mittel für das kommende Jahr werden mit dem Nachtragshaushalt beantragt.“ Im März 2022, kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, hatte Norderstedt erstmals ein Hotel angemietet. Wie später bekannt wurde, handelt es sich um den Norderstedter Hof am Glashütter Markt. Weitere Details zu dieser Praxis nennt die Verwaltung grundsätzlich nicht. Mittlerweile sind auf diese Weise Kapazitäten für 96 Personen geschaffen worden.

An der Lawaetzstraße leben in den dortigen Mobilgebäuden über 200 Menschen.
An der Lawaetzstraße leben in den dortigen Mobilgebäuden über 200 Menschen. © Christopher Mey | Christopher Mey

Die Kalkulation für 2024 hat als Basis 1666 Plätze, davon werden allerdings 20 Prozent abgezogen, die entweder in der Regel nicht nutzbar sind oder eine Reserve. Die verbliebenen 1336 kosten 8.850.399 Euro, das wären pro Kopf in Zukunft 552,05 Euro (bisher: 487,76 Euro). Zum Vergleich: 2015 waren es noch rund 2,85 Millionen Euro, 2018 lagen die Kosten dann bereits bei rund 7,63 Millionen Euro.

Jobcenter und Sozialamt übernehmen meist die Wohngebühren

Direkt belastet wird der städtische Doppelhaushalt damit jedoch nicht, vielmehr wird alles umgelegt über Benutzungsgebühren, die zur „Refinanzierung der im Zusammenhang mit der Unterbringung entstehenden Kosten“ dienen, so die Verwaltung auf Anfrage. Sofern Bewohnerinnen und Bewohner Geld vom Jobcenter oder vom Sozialamt des Kreises erhalten, werden die Gebühren durch die zuständigen öffentlichen Stellen übernommen, also finanziert über Steuergeld.

Letztmalig wurden die Gebühren 2018 angeglichen, was längst überholt ist. Einerseits hat Norderstedt seitdem über 300 neue Plätze durch Neubau oder Miete hinzubekommen, zweitens gebe es eine Kostensteigerung, die „insbesondere aus den massiv steigenden Energiekosten, den gestiegenen Unterhaltungs- und Bewirtschaftungskosten sowie den gestiegenen Personalkosten durch den erhöhten Personaleinsatz“ resultiere. Deswegen sollen die Monatsgebühren zum 1. Januar 2025 steigen, der Beschluss hierzu dürfte in einer der nächsten Stadtvertretungen fallen.

Marode Unterkunft Fadens Tannen: Zehn Prozent reduzierte Zahlungen

Mehrpersonenhaushalte oder sogenannte „Bedarfsgemeinschaften“ zahlen Gebühren, die sich an den Mietobergrenzen des Kreises orientieren, hinzu kommt ein Heizkostenzuschlag von 15 Euro. Eine Ausnahme gibt es in Norderstedt für die marode Unterkunft Fadens Tannen, hier werden zehn Prozent abgezogen.

Wer eine Arbeit findet, also eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, soll die Gebühren sowieso selbst zahlen, sofern ein „ausreichendes Einkommen“ vorliegt. Ein 2018 eingeführtes Entgegenkommen, wonach zur Förderung in den Arbeitsmarkt Gebühren deutlich reduziert worden, soll nun gestrichen werden. Der Grund: Die Situation auf dem Arbeitsmarkt habe sich verbessert, viele Geflüchtete finden laut der Stadt Jobs.

Fehlanreiz: Unterkunftsgebühren sind günstiger als Wohnungsmieten

Das Dilemma: Wer in einer der Unterkünfte lebt, aber arbeiten geht, ist eigentlich verpflichtet, sich um eine eigene Wohnung zu bemühen. Allerdings, und das ist keine Überraschung, sind die Mieten in der Regel teurer als die Nutzungsgebühren. Laut Verwaltung gibt es einen „Fehlanreiz“, der künftig bis auf Einzelfälle verhindert werden soll.

Absage: Am Henstedter Weg, gegenüber des SOS-Kinderdorfs, kann Norderstedt keine Wohnungen bauen.
Absage: Am Henstedter Weg, gegenüber des SOS-Kinderdorfs, kann Norderstedt keine Wohnungen bauen. © Christopher Mey | Christopher Mey

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Was die Gebühren für Unterkünfte oder bereitgestellte Wohnungen nicht abdecken, sind weitere Betreuungskosten. Hier zahlt das Land pro Person eine Integrationspauschale, 2023 waren das 590.000 Euro. Diese Mittel kommen über den Bund, der den Ländern pro neuem Flüchtling pauschal 7500 Euro zahlt, was bisher zu 90 Prozent an die Kommunen ging.

Neubauvorhaben: Zweistellige Millioneninvestitionen in Norderstedt

Anders ist es bei den Baukosten. In den letzten Jahren hat Norderstedt für zweistellige Millionensummen die markanten, entweder grünen oder weinroten Mobilbauten errichtet, zudem die sogenannten „Norderstedter Modelle“. Das sind Wohnhäuser mit ausschließlich geförderten Wohnungen, die allerdings nicht nur Geflüchteten, sondern auch weiteren Personengruppen mit Berechtigung zur Verfügung stehen.

Zwei weitere dieser Projekte sind in Planung, im Januar gab es hierzu einen politischen Grundsatzbeschluss, die Vorhaben würden geschätzt jeweils neun Millionen Euro kosten. Doch Standorte sind bisher nicht öffentlich beschlossen worden. Im Gegenteil: Es gab einen Rückschlag. Lange Zeit war ein Areal am Henstedter Weg, gegenüber des SOS-Kinderdorfs, favorisiert worden. Das Grundstück gehört der städtischen Entwicklungsgesellschaft, kann aber maximal mit provisorischen Containern genutzt werden. Die Verwaltung spricht von „planungsrechtlichen Restriktionen“. Gemeint ist: Die Fläche ist im Außenbereich, dürfte für Landwirtschaft oder Energieerzeugung genutzt werden, nicht aber für Wohnungsbau.