Norderstedt. Nach Razzia und Ärger mit Norderstedt: Start-Up Bigger Trees startet Produktion in der Hansestadt. Gründer erklärt die Entscheidung.

Sie hatten es angekündigt nach den Ereignissen des 26. April, die bundesweit für Aufsehen gesorgt hatten. Jetzt haben die Verantwortlichen des Unternehmens Bigger Trees eine Entscheidung getroffen. Nachdem die Stadt Norderstedt und die Polizei bei dem Cannabis-Growshop an der Oststraße vor rund drei Monaten eine Razzia durchgeführt und den Verkauf von Samen und Jungpflanzen untersagt hatten, hat das Start-Up nun eine neue Gesellschaft gegründet. Nun findet in Hamburg-Langenhorn das statt, was wenige Kilometer weiter nördlich nicht mehr möglich war.

Denn hier werden Jungpflanzen gezüchtet und genauso wie Samen an Händler verkauft, während in Norderstedt weiterhin das Geschäft mit technischem Equipment und anderer Ausstattung für den Anbau, etwa Dünger, läuft. „Viel lieber hätten wir mit Norderstedt eine einvernehmliche Lösung gefunden. Aber die Stadt will nicht einräumen, dass sie vielleicht einen Fehler gemacht hat“, sagt Florian Reiche, der Bigger Trees zusammen mit Moritz Kleine gegründet hat.

Statt Norderstedt: Cannabis-Startup züchtet in Langenhorn – Verkauf in der Schanze

„Wir hatten sogar angeboten, nur noch an Cannabis-Anbauvereinigungen zu verkaufen, die es ja vom Gesetz her dürfen, und die angeben müssen, von wem sie es beziehen.“ Aber auch das sei abgelehnt worden. Im Gegenzug sei seitens der Verwaltung angeboten worden, die konfiszierten Samen zurückzugeben. Das wiederum wollte Bigger Trees nicht – denn es sei unklar, ob das Material sachgerecht gelagert worden sei: „Die können wir nicht mehr verkaufen.“ Die Stadt Norderstedt hatte ihr Vorgehen damit begründet, dass bei Bigger Trees ein gewerblicher, unkontrollierter Verkauf stattgefunden habe. Die Firma sieht das anders, aus ihrer Sicht gibt es im Cannabisgesetz eben kein explizites Verbot hiervon.

Die Branche ist enorm in Bewegung. „Zu Tausenden werden mittlerweile in Deutschland, in Kiosks und anderen Läden, auch in den ersten Blumenläden und Gartengeschäften, Samen verkauft.“ Deswegen musste Bigger Trees handeln, um nicht ins Hintertreffen zu geraten gegenüber der Konkurrenz. Denn eigentlich war man ja eine Art Pionier, „soweit ich weiß, sind wir immer noch mit den Jungpflanzen und Stecklingen der einzige Produzent in Deutschland“, sagt Florian Reiche sogar. Alle anderen Händler würden aus dem Ausland importieren.

26. April: Das Ordnungsamt der Stadt Norderstedt und die Polizei beschlagnahmen an der Oststraße Setzlinge und Samen bei Bigger Trees. Das Unternehmen wehrt sich weiterhin gegen den Vorwurf, der Verkauf sei nicht erlaubt gewesen.
26. April: Das Ordnungsamt der Stadt Norderstedt und die Polizei beschlagnahmen an der Oststraße Setzlinge und Samen bei Bigger Trees. Das Unternehmen wehrt sich weiterhin gegen den Vorwurf, der Verkauf sei nicht erlaubt gewesen. © Christopher Mey | Christopher Mey

Über 400 Quadratmeter: Mehr als das Zehnfache der Kapazität im Vergleich zu Norderstedt

In Hamburg scheint möglich zu sein, was in Norderstedt gestoppt wurde, die Behörden scheinen das Cannabisgesetz anders, und zwar weniger restriktiv, auszulegen. Zuständig für das gesamte Thema „Cannabis“ ist das Bezirksamt Altona. Bigger Trees hat eine über 400 Quadratmeter große Lagerhalle in Langenhorn angemietet, dort werden die Pflanzen hochgezogen, die Fläche ist mehr als zehnmal so groß wie in Norderstedt. Alles findet unter dem Dach der neuen Gesellschaft mit Sitz in der Hansestadt statt. Diese ist getrennt von Norderstedt, wo in der Oststraße weiterhin Technik und weitere Ausstattung für den Anbau verkauft werden: „Jetzt entstehen neue Arbeitsplätze in Hamburg.“

Anders als bis zum Verkaufsstopp in Norderstedt ist es nicht möglich, in Langenhorn als Privatperson vor Ort etwas zu erwerben. „Wir vertreiben an Einzelhändler, an Wiederverkäufer, das wird sprunghaft mehr“, berichtet Florian Reiche. Über einen „Store Locator“ auf der neuen Website (biggertrees-jungpflanzen.de) können sich Interessenten über Standorte informieren.

Moritz Kleine (l.) und Florian Reiche haben Bigger Trees gegründet. Durch das Fördern von Cannabis-Eigenanbau wollen sie auch den Schwarzmarkt eindämmen.
Moritz Kleine (l.) und Florian Reiche haben Bigger Trees gegründet. Durch das Fördern von Cannabis-Eigenanbau wollen sie auch den Schwarzmarkt eindämmen. © Maria Baufeld | Frohe Botschaft GmbH

Läden in der Schanze und auf dem Kiez verkaufen Stecklinge und Samen

Das Geschäft „Hemptons“ in der Sternschanze, der Pflanzenmarkt Kögel im gleichen Stadtteil, auch ein Laden auf dem Kiez verkaufen das sogenannte „Vermehrungsmaterial“. Dieses gilt rechtlich nicht als Cannabis, da die Pflanzen noch nicht blühen. Auch ein großer Onlinehandel habe Interesse, so der Geschäftsführer. „Wir verhandeln über ein Jahresvolumen von 50.000 bis 100.000 Jungpflanzen.“ 

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Zwei Dinge seien der Firma sehr wichtig: „Natürlich sind wir Geschäftsleute, wollen Geld verdienen. Aber unsere Intention war und ist, dass durch Eigenanbau der Schwarzmarkt eingedämmt wird.“ Das wolle man ermöglichen.

Bigger Trees und Norderstedt: Rechtsstreit dürfte noch lange andauern

Der Streit mit Norderstedt ist unterdessen längst nicht beigelegt. Es handelt sich weiterhin um ein laufendes Verfahren. Bigger Trees hat Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung eingelegt. Eine Geldbuße gab es übrigens nicht, die würde nur im Wiederholungsfall drohen, das Unternehmen ist quasi „auf Bewährung“.

Unverändert sagt Reiche, dass man den Fall von einem Gericht klären lassen wolle. „Wir wollen feststellen lassen, dass die Ordnungsverfügung nicht rechtens war“. Notfalls in höchster Instanz.