Norderstedt. Ordnungsamt Norderstedt geht gegen Growshop wegen eines Verstoßes gegen Cannabisgesetz vor. Firmenchefs widersprechen Vorwürfen.
- Erster Cannabis-Growshop Norderstedts im Visier von Ordnungsamt und Polizei
- Cannabis-Setzlinge und Samen wurden in Müllsäcken abtransportiert
- Ordnungsamt: „Vermehrungsmaterial“ dürfe in Deutschland nicht verkauft werden.
Bis Freitagmittag, ungefähr 13.40 Uhr, war die Welt für den ersten Cannabis-Growshop in Norderstedt noch in Ordnung. Dann fuhr plötzlich ein Streifenwagen vor, parkte am Nebeneingang, ein schwarzer Kombi zudem direkt an der Oststraße im Gewerbegebiet. Das Ordnungsamt der Stadt und die Polizei stoppten mit sofortiger Wirkung genau das, mit dem das Start-UpBigger Trees vor wenigen Tagen öffentlichkeitwirksam geworben hatte: den Verkauf von Setzlingen und Cannabis-Samen. Und beschlagnahmten zugleich sämtliche Pflanzen, die sie finden konnten.
Florian Reiche und Moritz Kleine, die beiden Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens, waren zu dieser Zeit selbst vor Ort, konnten während des rund dreistündigen Einsatzes den Verlust ihrer gesamten Aufzuchtproduktion aber nicht verhindern. „Sie haben sie abgeschnitten mit einer Gartenschere und in einen Müllsack geschmissen.“ Die Pflanzen seien damit tot, so Reiche gegenüber dem Abendblatt.
Cannabis-Shop in Norderstedt: Behörden konfiszieren Pflanzen
Doch worum geht es? Schließlich handelt es sich um ein angemeldetes Gewerbe, Bigger Trees gibt es schon seit 2023, man verkauft seitdem bereits alles an Technik und Ausstattung, das für den Anbau genutzt werden könnte. Alles schon in Vorbereitung auf das Cannabisgesetz, das im März schließlich nach monatelangen Diskussionen den Bundesrat passierte und am 1. April in Kraft trat. Damit war die Teil-Legalisierung der Droge perfekt.
Und Bigger Trees erweiterte sein Portfolio um Setzlinge und Samen, wenn auch nur für diejenigen, die eine Mitgliedschaft abschlossen. Aus Sicht des Ordnungsamtes war das nicht rechtens. Florian Reiche: „Sie waren hier, weil sie der Rechtsauffassung sind, dass die Abgabe von Vermehrungsmaterial uns nicht gestattet ist, sondern nur Firmen im EU-Ausland. Vermehrungsmaterial sind Cannabis-Pflanzen, die noch nicht blühen, also Jungpflanzen, Stecklinge, und auch Cannabis-Samen.“
Bigger Trees: Unternehmen könnte einen Präzedenzfall schaffen
Das sei im Cannabisgesetz bereits im ersten Paragraf ausgenommen. „Das war auch die Grundlage, weswegen wir die Abgabe vorgenommen haben, also, weil es im Gesetz gar nicht als Cannabis gilt.“ Der zweite Punkt: „Sie haben sich daran gestört, dass wir auf der Homepage angeben, dass wir hier Vermehrungsmaterial verkaufen.“
Andreas Finster, Leiter des Ordnungsamtes in Norderstedt, war persönlich vor Ort, wollte aber keine Stellungnahme abgeben. Das will die Stadt erst am Montag nachholen. Bleibt es dabei, dass die Rechtsauffassungen der Verwaltung und von Bigger Trees unterschiedlich sind, könnte es einen Präzedenzfall geben. „Wir betreten Neuland für Justiz und Exekutive. Als Growshop müssen wir also erst einmal unseren Platz finden und Möglichkeiten austarieren“, das hatte Reiche vor wenigen Tagen gesagt, als sich Bigger Trees vorstellte. Genau das scheint nun zu passieren.
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Cannabis-Shop in Norderstedt: Das Geschäft geht trotzdem weiter, betonen die Chefs
Das Geschäft geht unabhängig davon weiter, denn Lüftung, Technik, Töpfe, Bewässerung, Erde oder Dünger, all das ist sowieso legal. „Natürlich ist es jetzt ein Schlag in die Magengrube. Aber letztendlich ist es nur eine Produktgruppe, die nicht mehr angeboten werden kann. Alles andere, was die Leute benötigen, haben wir noch da.“
Die Samen müssten sie halt im Ausland kaufen. „Aber das Anbauen unterstützen wir gerne, wir werden weiterhin ganz normal öffnen und sehen das als Chance, dass wir mehr Zeit haben, Leute zu beraten.“ Da sieht sich Bigger Trees insbesondere auch als Dienstleister für die Cannabis Social Clubs, also die Anbauvereinigungen, die ab 1. Juli erlaubt sein werden und von denen auch in der Region viele in der Gründung sind.