Norderstedt. SPD: Gründer missbrauchen Förderverein des Norderstedter Bildungshauses für politische Zwecke. Wie die Betroffenen reagieren.

Das Bildungshaus werde leider noch etwas einseitig wahrgenommen. Es werde viel zu viel über Kosten gesprochen, sagt Thomas Witte: „Dabei bietet das neue Haus eine Fülle von Chancen“, sagt der Vorsitzende des Kulturausschusses, der am Mittwoch, 17. Juli, zusammen mit der ehemaligen Sozialdezernentin Anette Reinders den Förderverein Bildungshaus gründen will (18.00, Rathaus) – einen Zusammenschluss, der den Bürgern und Bürgerinnen die Vorzüge dieses einzigartigen „Leuchtturmprojektes“ nahebringen und mit ihnen Ideen für eine vielfältige Nutzung entwickeln will.

Doch kurz vor der Vereinsgründung wird das Thema zum Politikum. Kritik kommt von der SPD: „Wir wünschen uns einen Förderverein aus der Mitte unserer Bevölkerung und nicht ein Konstrukt zur politischen Einflussnahme durch aktuelle und ehemalige Politiker“, sagt Katrin Fedrowitz, Stadtvertreterin und kulturpolitische Sprecherin der SPD.

Gründung des Fördervereins – Bildungshaus wird zum Politikum

So haben Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder und Thomas Witte (WiN/FW, Vorsitzender Kulturausschuss) für die Gründung des Fördervereins Bildungshaus geworben.
So haben Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder und Thomas Witte (WiN/FW, Vorsitzender Kulturausschuss) für die Gründung des Fördervereins Bildungshaus geworben. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Dass jetzt Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder und Thomas Witte die Norderstedter und Norderstedterinnen dazu aufrufen, mit ihnen gemeinsam den Förderverein zu gründen, „erweckt den Anschein, dass diese ihre Funktionen als Oberbürgermeisterin und bürgerliches Mitglied der Stadtvertretung und Kulturausschussvorsitzender verwenden wollen, um den Förderverein für politische Zwecke zu nutzen“.

Wenn dann auch noch die Einladung zur Gründungsversammlung von der ehemaligen Sozialdezernentin Anette Reinders unterzeichnet wird, sehe es für die SPD nicht so aus, als ob hier wirklich die Initiative der Bevölkerung gewünscht wird. Die politische Mitwirkung an der Arbeit des Bildungshauses sei ausschließlich dem Kulturausschus vorbehalten, andere Organisationen seien dafür nicht zuständig.

Vorstand des Fördervereins sollte aus der Bevölkerung kommen

„Die Sozialdemokraten wünschen sich einen erfolgreichen Start des Fördervereins, und das möglichst mit einem Vorstand aus der Mitte der Norderstedter Bevölkerung von begeisterten Bürgerinnen und Bürgern, die gemeinsam mit der Politik und der Verwaltung die Möglichkeiten des Bildungshauses ausschöpfen“, sagt Fedrowitz.

Bei den Betroffenen trifft die Kritik auf Unverständnis: „Es geht mir überhaupt nicht um politische Einflussnahme“, sagt Witte, der der Fraktion Wir in Norderstedt (WiN)/Freie Wähler angehört. Er habe alle Parteien angeschrieben, den Förderverein mitzugründen oder Ämter zu übernehmen.

„Leuchtturmprojekt“ Stadtpark als Vorbild für das Bildungshaus

Er sei angesprochen worden, ob er einen Förderverein für das Bildungshaus initiieren könne und wolle, denn mit ehrenamtlichem Engagement hat der Norderstedter Erfahrung. Als Vorsitzender des Fördervereins Stadtpark haben Witte und sein Team dazu beigetragen, dass das Norderstedter Freizeitareal zum Erfolgsprojekt wurde, zu einem „Leuchtturm“, der Norderstedt schmückt und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gemacht hat.

Genau das Ziel verfolgt Witte auch für das Bildungshaus. Noch sei zwar nicht viel vom Gebäude zu sehen, in dem Stadtbücherei, VHS und Stadtarchiv unter einem Dach untergebracht werden. Eröffnet werden soll das 47,5 Millionen Euro teure Renommierprojekt 2025, die Norderstedter und Norderstedterinnen werden es wohl erst ab Frühjahr 2026 nutzen können.

Die Besucher können sich mit Freunden treffen, stöbern oder lernen

Sich einen Kaffee holen oder Pause auf der Bildungstreppe machen – das Bildungshaus kann vielfältig genutzt werden.
Sich einen Kaffee holen oder Pause auf der Bildungstreppe machen – das Bildungshaus kann vielfältig genutzt werden. © Stadt Norderstedt:Montage Heike Kiesel | Stadt Norderstedt

Damit möglichst viele das Bildungshaus besuchen, ist es wichtig, so Witte, frühzeitig das Image zu verbessern und auf die „großartigen Chancen“ der Einrichtung hinzuweisen. Das Konzept lasse viele Funktionen zu: Jeder könne das Bildungshaus besuchen und nutzen, sich hier mit Freunden und Bekannten verabreden oder sich zurückziehen und ganz in Ruhe lesen, stöbern, studieren, probieren, Kunst machen – oder einfach gar nichts tun –, so hat Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder die Möglichkeiten des Bildungshauses beschrieben, als sie mit Thomas Witte für den Förderverein geworben hat.

Und Kulturamtsleiter Dieter Powitz ergänzte: „Man kann einen ganzen Tag im Bildungshaus verbringen, morgens erst einmal einen Kaffee trinken, dann in den Bewegungskursus gehen, im Archiv über Norderstedts Siedlungsgeschichte lesen, sich auf der Dachterrasse mit Freunden treffen.“ Neben der Familie als erstem und dem Beruf als zweitem soll das Bildungshaus zum „Dritten Ort“ werden, wo sich Menschen begegnen können. Bisher seien Kneipen, Stammtische, Kirchenräume und Büchereien „Dritte Orte“. Doch die Stadt-Strukturen hätten sich geändert, viele dieser Orte gebe es nicht mehr, und da könne das Bildungshaus in die Bresche springen.

Gründung des Fördervereins – Bildungshaus wird zum Politikum

Genau dieses „Neue, Großartige“ will Witte in die Köpfe der Bürger und Bürgerinnen bringen, und zwar rechtzeitig. Zudem sehe der Förderverein seine Aufgabe darin, Unternehmen als Sponsoren für das Bildungshaus zu gewinnen und Geld einzusammeln. Darauf weist auch Anette Reinders hin. „Als ich von dem Aufruf zur Gründung des Fördervereins gehört habe, habe ich sofort gesagt: Da bin ich dabei, und zwar nicht als ehemalige Dezernentin oder Grünen-Politikerin, sondern als Bürgerin, die nur fünf Minuten vom künftigen Bildungshaus entfernt wohnt.“

Mehr zum Thema

Auch sie sieht das Bildungshaus als große Bereicherung für das soziale und kulturelle Leben in Norderstedt. Und da sei es wichtig, schon vor der Eröffnung Ideen zu sammeln und Visionen zu entwickeln, um das neue Haus mit Leben zu füllen. Reinders kann sich vorstellen, mit dem Förderverein nach Holland oder ins dänische Aarhus zu fahren, wo es mit dem „Dokk 1“ ein Vorbild gebe, um sich inspirieren zu lassen. Die Oberbürgermeisterin wollte sich zur Kritik der SPD vor der Gründungsveranstaltung nicht äußern.