Norderstedt. Grundstückseigentümer bekommen Post vom Finanzamt und sind ratlos: denn die entscheidende Zahl zur Ermittlung der Schuld fehlt.

Die Grundsteuerreform – Pflicht und Ärgernis zugleich. 1,24 Millionen Grundstücke in Schleswig-Holstein müssen neu bewertet werden. Nun sind fast alle Bescheide verschickt, sie lassen viele Empfänger ratlos und verunsichert zurück, denn: Im Gewirr der Daten fehlt die entscheidende Zahl, nämlich die, die festlegt, was Eigentümer oder Eigentümerin von Januar 2025 an zahlen müssen.

Was die Finanzämter jetzt verschickt haben, sind die Bescheide über den Grundsteuerwert und den Grundsteuermessbetrag. Das Finanzamt berechnet den Grundsteuerwert anhand der Daten, wie Wohnfläche, Alter des Hauses und Bodenwert. Dieser Wert wird durch 1000 geteilt und mit der gesetzlich vorgeschriebenen Steuermesszahl (0,31 für Wohngebäude) multipliziert. Das Ergebnis ist der Grundsteuermessbetrag. Beide Angaben sind entscheidende Bausteine für die endgültige Höhe der Grundsteuer.

Grundsteuer: Bescheide verschickt, die wichtigste Zahl fehlt

Was fehlt, ist der Hebesatz für die Grundsteuer, den jede Stadt und Gemeinde individuell festlegt. In Norderstedt beträgt er 410 Prozent. Um die Grundsteuer zu berechnen, muss der Messbetrag mit einem Prozent von 410 multipliziert werden. Beträgt der Grundsteuermessbetrag beispielsweise 300, ergibt sich eine Grundsteuer von 1230 Euro (300 x 4,1).

Völlig ungewiss ist aber, ob der aktuelle Hebesatz auch für die neue Grundsteuer herangezogen wird, denn: Die Städte und Gemeinden sollen nach der Reform etwa soviel Grundsteuer einnehmen wie vorher. Wenn alle Bescheide zum Grundsteuerwert und -messbetrag verschickt sind, müssen die Finanzfachleute in den Rathäusern einen Hebesatz finden, der dieser Forderung gerecht wird – keine leichte Aufgabe, da die einen durch die Reform mehr, die anderen weniger für Haus und Grundstück zahlen werden.

Grundsteuer: Finanzamt kann Zwangsgeld verhängen

Bisher sind 1,17 Millionen Erklärungen beim Land eingegangen, das entspricht laut Finanzministerium einer Quote von 94,5 Prozent. 1,15 Bescheide wurde verschickt. „Nach Ablauf der Abgabefrist wurden Eigentümerinnen und Eigentümer mit einem Schreiben an die Erklärungsabgabe erinnert. In den Fällen, in denen trotz Erinnerung eine Erklärung ausbleibt, kann das Finanzamt ein Zwangsgeld und/oder einen Verspätungszuschlag festsetzen oder die Besteuerungsgrundlagen schätzen“, sagt Miriam Gyamfi, Sprecherin des Finanzministeriums. Welche Maßnahme ergriffen wird, entscheide das zuständige Finanzamt im Einzelfall. 

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14,6 Millionen Euro Grundsteuer kassiert Norderstedt von den Hausbesitzern. Das ist nach der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer die drittwichtigste Einnahmequelle der Stadt. Noch können die kommunalen Finanzexperten nicht rechnen. „Das Finanzministerium wird Anfang September den Kommunen sowie den Bürgerinnen und Bürgern ein Transparenzregister bereitstellen, aus dem hervorgehen soll, wie die einzelnen Gemeinden ihre Hebesätze für das Jahr 2025 festlegen müssten, um Einnahmen in derselben Höhe wie vor der Reform zu erzielen“, sagt die Sprecherin des Finanziministeriums.

Haus & Grund: Endgültige Bescheide werden nicht rechtzeitig fertig

Sven Wojtkowiak, Vorsitzender von Haus & Grund Norderstedt: „Die Grundsteuerreform wird das Wohnen teurer machen.“
Sven Wojtkowiak, Vorsitzender von Haus & Grund Norderstedt: „Die Grundsteuerreform wird das Wohnen teurer machen.“ © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Zudem will das Ministerium den Städten und Gemeinden ermöglichen, für gewerbliche Grundstücke einen anderen Hebesatz festzulegen, der allerdings „verfassungsfest“ begründet werden müsse. „Ich habe starke Zweifel daran, dass die Hebesätze rechtzeitig feststehen und die endgültigen Bescheide bis zum Jahresbeginn verschickt sind. Denn nicht nur die Verwaltungen sind gefordert, die ehrenamtlichen Politiker und Politikerinnen müssen ja auch noch darüber entscheiden“, sagt Sven Wojtkowiak, Vorsitzender von Haus & Grund in Norderstedt.

Der Grundeigentümerverband hat das schleswig-holsteinische Modell zur Neuberechnung der Grundsteuer von vornherein als zu kompliziert und ungerecht kritisiert. Die damalige Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) habe sich aus „ideologischen Gründen“ gegen das Bundesmodell entschieden, während in Bayern und Hamburg faire und transparente Flächenmodelle umgesetzt worden seien.

Grundsteuer: Bescheide verschickt, die wichtigste Zahl fehlt

Schon beim Ausfüllen der Erklärungen habe es viel Ratlosigkeit gegeben. „Da stand das Telefon nicht mehr still, viele fühlten sich überfordert, und wir haben geholfen, wo wir konnten“, sagt Wojtkowiak. Auch die jetzigen Zwischenbescheide führten wieder zu vielen Nachfragen und: Alle, mit denen er gesprochen habe, müssten von 2025 an mehr Grundsteuer zahlen als vorher, zumindest beim jetzigen Hebesatz. „Bei mir würde sich der Betrag sogar verdoppeln“, sagt Wojtkowiak.

Er befürchtet, dass das Wohnen in Norderstedt nun noch teurer wird, denn Vermieter können die Grundsteuer auf die Mieter umlegen, wodurch sie die Nebenkosten weiter erhöhen würden. „Und das in einer Stadt, in der die Mieten ohnehin schon hoch sind und Wohnraum knapp ist.“ Immerhin hätten die Verantwortlichen die Möglichkeit geschaffen, mit einem zweiten Hebesatz die Betriebe weniger stark zu belasten.