Norderstedt. Grundeigentümer sind überfordert mit der Steuererklärung. Das dicke Ende kommt aber erst nach der Abgabe, sagt Haus & Grund.

Die Grundsteuerreform – 1,3 Millionen Grundstücke in Schleswig-Holstein müssen bis Ende Oktober neu bewertet werden. Und dafür müssen die 823.000 Besitzerinnen und Besitzer Steuererklärungen abgeben – online, über „Elster“, der elektronischen Steuererklärung. Deswegen steht das Telefon beim Norderstedter Ortsverband des Eigentümervereins Haus & Grund seit Wochen nicht mehr still.

„Viele unserer 1800 Mitglieder in Norderstedt sind völlig verunsichert, wie sie die Angaben zur Grundsteuerreform abgeben sollen“, sagt der Haus & Grund-Vorsitzende in Norderstedt, Sven Wojtkowiak. Viele wüssten nicht, wo sie die verlangen Daten finden sollen. Ältere Menschen täten sich schwer mit der vorgeschriebenen elektronischen Abgabe ihrer Daten.

Immobilien: Grundsteuerreform macht Wohnen in Norderstedt (noch) teurer

Zeitweilig sei auch das dafür von der Finanzverwaltung eingesetzte Elster-Portal völlig überlastet gewesen und abgestürzt. „Wenn die Frist läuft, aber Elster nicht“, unkte der Eigentümerverein im Juli. Am Dienstag Gerade hat das Finanzministerium eine aus Sicht von Haus & Grund dürftige Bilanz des bisherigen Verfahrens abgeliefert (siehe Text unten). Nur 7,2 Prozent aller Eigentümer haben sich bislang erklärt. Und die Zeit drängt.

Doch selbst versierte und online-affine Experten wie Wojtkowiak verlangt die Erklärung allerhand Zeit ab. „Um das alles auszufüllen, dauert es schon eine Weile“, sagt Wojtkowiak. „Das ist alles ziemlich tricky.“ Denn der Haus- oder Wohnungseigentümer müsse erstmal in seinen Akten auf die Suche gehen und wissen, wo er die verlangten Daten überhaupt findet.

Wo findet man die geforderte uralte Steuernummer?

Das fängt schon bei der Steuernummer an. In der Regel erhält der Grundstückseigentümer nur beim ersten Mal der Grundsteuererhebung diese Steuernummer mitgeteilt. Danach wird die angeforderte Steuerzahlung mit einem Kassenzeichen erhoben. Um dieses Aktenzeichen zu finden, muss man tief ins eigene Archiv gehen.

Die Dokumente könnten schon zu alt sein, wie Wojtkowiak beim Ausfüllen der Formulare für sein eigenes Grundstück festgestellt hat. Oder es handelt sich sogar um ein Aktenzeichen, das nur zum Teil mit der tatsächlichen Steuernummer übereinstimmt. Dabei sollen die Grundsteuerzahler die Steuernummer angeben, die auf dem Anschreiben des Finanzamtes zur Abgabe dieser Daten aufgeführt ist. „Dieser Hinweis fehlt allerdings in dem Elster-Programm“, wundert sich Wojtkowiak.

Welches Flurstück ist mein Haus? Das Grundbuchamt gibt Auskunft

Die zweite wichtige Angabe betrifft die Adresse und Lage des Grundstücks, also das Flurstück, Grundbuchblatt und die Gemarkung in der jeweiligen Kommune. Diese Angaben müsse sich der Eigentümer über einen Grundbuch-Auszug vom Amtsgericht oder dem Liegenschaftsamt der Stadtverwaltung besorgen. Oder er könne sie aus dem Kaufvertrag für sein Grundstück ablesen, falls er diesen noch zur Hand hat.

Relativ einfach dürfte es dagegen sein, das Baujahr und die Art des Hauses oder der Wohnung zu ermitteln, also ob es sich um eine Wohnung, ein Reihen- oder Einfamilienhaus handele. Und ob die Immobilie im Eigentum, vermietet oder kernsaniert und ob eine Garage mit wie vielen Stellplätzen vorhanden sei.

Grundstücks- und Wohnflächen-Größe müsste der Steuerzahler entweder nachmessen oder aus dem Kaufvertrag oder einem Kaufexposé ablesen, sofern er noch über diese Dokumente verfüge, rät der Haus-und-Grund-Vorsitzende. Wobei sich seiner Ansicht nach die Frage stelle, warum der Steuerzahler hierbei die gesamte Grundstücksfläche angeben solle. „In der Regel ist nur ein Teil davon bebaubar. Das kann also nicht ganz richtig sein.“

Kompliziert wird es bei dem verlangten aktuellen Bodenrichtwert

Kompliziert wird es dann noch bei dem verlangten aktuellen Bodenrichtwert, der über die jeweiligen Gutachterausschüsse in den Kreisen des Landes üblicherweise alle zwei Jahre erhoben wird. Der Bodenrichtwert ist über die Internetseite des Landes (www.schleswig-holstein.de/grundsteuer) zu erreichen.

Für Norderstedt ergeben sich demnach Grundstückswerte zwischen 550 und 900 Euro je Quadratmeter Bauland. 550 bis 860 Euro in Glashütte, 630 bis 900 Euro in Garstedt sowie 570 bis 900 Euro in Harksheide und Friedrichsgabe. Dabei kann der Bodenrichtwert für unmittelbar benachbarte Grundstücke um ein paar Hundert Euro je Quadratmeter voneinander abweichen. Der Steuerzahler müsse hierbei also genau aufpassen, dass er auch den richtigen Wert angibt. „Das wird alles hinterher von der Finanzverwaltung überprüft“, erklärt Wojtkowiak. „Dann stellt sich aber auch die Frage, warum das Land diese Angaben nicht gleich selbst eingibt.“

Schleswig-Holstein gehöre zu jenen Bundesländern, die die Steuerreform des Bundes anwenden mit den zahlreichen erwähnten Zusatzdaten. In Bayern, Niedersachsen und auch Hamburg wird dagegen das einfache Flächenmodell angewendet, bei dem die Steuerzahler lediglich die Grundstücks- und Wohnflächen angeben müssen.

Haus&Grund fordert eine Fristverlängerung für die Erklärung

Sven Wojtkowiak, Vorsitzender von Haus & Grund Norderstedt.
Sven Wojtkowiak, Vorsitzender von Haus & Grund Norderstedt. © Burkhard Fuchs

„Wir von Haus und Grund verlangen eine Fristverlängerung zur Abgabe dieser Grundsteuerdaten.“ Das sei weder für die Steuerzahler noch ihrer Steuerberater bis Ende Oktober zu schaffen, ist Wojtkowiak überzeugt. Zumal die alle noch für ihre Klienten im Krisenmodus seien, um die Corona-Hilfsgelder und Lockdown-Insolvenzen zu bearbeiten, warnt er.

Das eigentliche Problem werde aber erst danach auf die Steuerzahler zukommen, ahnt Wojtkowiak. So solle das Steueraufkommen, das den Städten und Gemeinden bundesweit 15 Milliarden Euro im Jahr einbringt, einkommensneutral sein, hat der Gesetzgeber entschieden. Das setze aber voraus, dass die Finanzverwaltungen diese ganzen Daten bis Ende 2023 an die Kommunen weitergeleitet haben müssten, damit die wiederum die Hebesätze entsprechend anpassen und reduzieren können, so Wojtkowiak.

Norderstedt: 550 bis 900 Euro pro Quadratmeter Grundstück

Der Hebesatz liegt zum Beispiel in Norderstedt für die Grundsteuer B der privaten Immobilien, um die es hier überwiegend geht, seit 2011 bei 410 Prozent. Und für die Stadt Norderstedt ist die Grundsteuer mit 14,3 Millionen Euro im Jahr eine ihrer wichtigsten Einnahmequellen. 28.242 der nun 82.500 Einwohnerinnen und Einwohner besitzen hier eine Immobilie und müssen dafür Grundsteuer zahlen.

Haus und Grund biete dazu im Internet eine Berechnung an, mit deren Hilfe jeder Steuerzahler vorab die neue Steuermesszahl berechnen könnte, erklärt Wojtkowiak (www.hausundgrund.de/grundsteuerrechner). Er selbst habe dies bereits für seine eigene Immobilie getan. Und siehe da: er müsste demnach mit 620,75 Euro statt der bisherigen 180,80 Euro fast das Dreieinhalbfache des bisherigen Steuersatzes bezahlen.

Wenn das für alle Grundeigentümer in Norderstedt gelten würde oder es sich durchschnittlich in der Stadt wegen des erhöhten Bodenrichtwertes verdoppeln sollte, müsste der Hebesatz entsprechend angepasst und auf die Hälfte oder ein Drittel des bisherigen Wertes abgesenkt werden, erklärt Wojtkowiak.

Haus & Grund: Auf die Mieter kommen höhere Nebenkosten zu

Ob das die politischen Gremien in allen 1100 Städten und Gemeinden des Landes rechtzeitig und aufkommensneutral für die Grundsteuerbescheide bis Ende 2024 schafften, hält er für äußerst fragwürdig. Denn zum 1. Januar 2025 sollen die neuen Grundsteuerbescheide an die Eigentümer verschickt werden.

Doch die viel zu komplizierte Datenerhebung und die zu erwartende Nichteinhaltung der Fristen und zu späten Anpassung der Hebesätze in den Kommunen werde es für alle Bürger teurer werden. „Ich sehe mich schon mit 300 Haus- und-Grund-Mitgliedern vor dem Rathaus stehen und protestieren“, sagt Wojtkowiak. „Dabei soll das Wohnen doch billiger werden.“

Aber durch die Grundsteuerreform, wie sie jetzt umgesetzt werde, würden die Nebenkosten weiter steigen, warnt Wojtkowiak. Auch für die Mieter in den Mehrfamilienhäusern, auf deren Miete diese Steuer entsprechend aufgeschlagen wird. „Der Gedanke, dass es nur die Reichen trifft, ist fehl am Platze und ideologisch motiviert“, ist Wojtkowiak überzeugt. Vor allem im Hamburger Rand, dem Speckgürtel der Hansestadt, zu dem auch Norderstedt gehört, würden dadurch die Mieten weiter explodieren.