Henstedt-Ulzburg. Bau der Ostküstenleitung in Henstedt-Ulzburg: 50 Tonnen schwere Maschine bohrt tief unter Tage. Ein beispielloses Projekt für den Ort.

Wenn einer Maschine applaudiert wird, muss etwas Besonderes geschehen sein. Doch was nun in Henstedt-Ulzburg, an einem verregneten Sommertag, auf einem matschigen Acker an der Norderstedter Straße in die nächste Phase geht, ist historisch. Die Ostküstenleitung, ein Schlüsselprojekt der Energiewende für ganz Deutschland, wird von hier aus unterirdisch verlaufen. Und den Weg freiräumen für die 380-Kilovolt-Stromtrasse wird ein gigantischer, 50 Tonnen schwerer Bohrer, der nun per Kran in die Startgrube gehievt worden ist.

Zuvor wurde das Stahl-Ungetüm getauft, so ist es Tradition, die Zeremonie nahm die stellvertretende Landtagspräsidentin Beate Raudies (SPD) vor. „Pina“ heißt der Bohrer, zusammengesetzt aus „Pinnau“ und „Natur“, weil „beide durch das Verfahren besonders geschützt werden“, so Michael Beck, Gesamtprojektleiter für den Netzbetreiber Tennet.

Stromtrasse in Henstedt-Ulzburg: Riesenbohrer frisst sich bald unter Pinnaubiotop durch

Von der Startgrube am Suhrrehm ist ein 965 Meter langer Korridor vorgesehen, der Endpunkt ist dann westlich der Hamburger Straße und jenseits der AKN-Gleise. In bis zu zwölf Metern Tiefe werden zwei Röhren verlegt, die Kabel verlaufen dann in jeweils 250 montierten Rohrstücken, die direkt hinter dem Bohrer als Tunnelstrang in die Erde kommen.

Ostküstenleitung: Jetzt beginnen die unterirdischen Bohrarbeiten für die 380-Kilovolt-Stromtrasse in Henstedt-Ulzburg. 50 Tonnen schwerer Bohrer auf den Namen
Der Bohrer soll die 965 Meter lange Strecke bis November geschafft haben. © Christopher Mey | Christopher Mey

Das alles wird dauern. Der Schneiddraht dreht sich methodisch-langsam, „ich gehe davon aus, dass wir 45 Tage pro Röhre brauchen“, also rund drei Monate, so Thomas Platten, der Vertreter für die Arbeitsgemeinschaft der ausführenden Unternehmen. Dazu kommen 25 Tage Umsetzzeit, denn der Bohrer muss auseinandergebaut und für die zweite Runde zunächst wieder zum Start gebracht werden. Sprich: Anfang November könnten die Arbeiten für diesen Abschnitt abgeschlossen sein.

Ostküstenleitung: Jetzt beginnen die unterirdischen Bohrarbeiten für die 380-Kilovolt-Stromtrasse in Henstedt-Ulzburg. 50 Tonnen schwerer Bohrer auf den Namen
„Pina“, zusammengesetzt aus den Wörtern „Pinnau“ und „Natur“, wird quasi nonstop im Einsatz sein. © Christopher Mey | Christopher Mey

Fünf bis zehn Leute werden im Einsatz sein, und zwar in einem 24-Stunden-Betrieb. Nicht nur, um Zeit zu sparen, auch aus technischen Gründen darf „Pina“ nicht lange pausieren, sondern muss in Bewegung bleiben, da sich der Tunnelstrang sonst festsetzen würde, so Michael Jander von Tennet. Hindernisse könnte es unter Tage durchaus geben. „Wir gehen fest davon aus, Findlinge zu finden“, sagt er. Der Bohrer ist dafür gerüstet, „es wird versucht, diese zu zermalmen und dann zu verkleinern, oder sie werden zur Seite gedrückt“.

Ostküstenleitung: Jetzt beginnen die unterirdischen Bohrarbeiten für die 380-Kilovolt-Stromtrasse in Henstedt-Ulzburg. 50 Tonnen schwerer Bohrer auf den Namen
Beate Raudies (SPD), Vizepräsidentin des Landtags in Schleswig-Holstein, nahm die Taufe vor. © Christopher Mey | Christopher Mey

„Wir im Norden produzieren 200 Prozent mehr Strom, als wir brauchen. Der muss weg“

Dennoch: Da hier auf ein Düker-Verfahren gesetzt wird, soll die Umwelt, mal abgesehen der Findlinge, nicht nachhaltig beeinträchtigt werden. Darauf vertraut die Gemeinde auch, schließlich ist das Verfahren ein mühsam errungener Kompromiss. „Dass wir hier stehen, verdanken wir auch den Vertreterinnen und Vertretern unserer Gemeindepolitik. Sie haben sich vehement dafür eingesetzt, dass wir für die Bürgerinnen und Bürger und für die Natur eine Lösung finden, dass das Pinnaubiotop geschützt wird. Das war uns wichtig, auch wenn die Trasse nicht wie von uns gewünscht an der geplanten A20 verläuft“, sagte so auch Bürgermeisterin Ulrike Schmidt.

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Auch in Kiel ist man sich bewusst, wie wichtig die Akzeptanz vor Ort ist. Beate Raudies sprach von einem „Zeichen, dass wir in einer Zeit leben, in der sich viel verändert. Ich rede vom Klimawandel“. Dieser erfordert die Energiewende, und da ist die Ostküstenleitung ein Schlüsselvorhaben. „Wir im Norden sind bei den alternativen Energien schon lange Vorreiter, produzieren 200 Prozent mehr, als wir brauchen. Aber der Strom muss weg, in die Regionen, die ihn brauchen.“

Henstedt-Ulzburg: Unterirdischer Stromtrassenbau soll Menschen nicht beeinträchtigen

Und dazu solle die Stromtrasse dienen. Sie betonte: „Wir müssen uns in der Gesellschaft einig sein, dass wir die Energiewende brauchen, um autark zu werden, und diese Baumaßnahme.“ In Henstedt-Ulzburg habe es funktioniert, die Menschen mitzunehmen. „Es war ein langer, anstrengender, sicher manchmal auch schmerzhafter Weg.“

Was sich viele in der Großgemeinde wohl auch fragen werden: Bekommt man im Alltag etwas davon mit, dass sich ein Riesenbohrer durch das Erdreich frisst? Nein, sagt Michael Jander, „das wird man nicht merken, es gibt auch keine Erschütterungen“. Unter Wohngebieten geht es sowieso nicht hindurch. Und der Lärm soll vielmehr wie später die Stromtrasse unter der der Erde bleiben.