Henstedt-Ulzburg. Endgültige Entscheidung: Die Gemeinde akzeptiert die umstrittene Stromtrasse. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Das war es. Und zwar endgültig: Die Gemeinde Henstedt-Ulzburg wird nicht gegen die Ostküstenleitung klagen, die 380-Kilovolt-Stromtrasse wird daher so gebaut, wie es der Netzbetreiber Tennet sowie die Landes- und Bundespolitik wollen. Das hat der Ausschuss für Planung, Ortsentwicklung und Mobilität mit großer Mehrheit beschlossen. Von sechs Fraktionen sprach sich letztlich nur noch die Wählergemeinschaft BfB (Bürger für Bürger) dafür aus, vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu ziehen.
Hierfür gibt es mehrere Gründe. Während SPD, Grüne und WHU sich schon seit einiger Zeit dafür ausgesprochen haben, den Verlauf der Leitung zu akzeptieren, hätten CDU, FDP und BfB rechnerisch dafür sorgen können, dass die Kieler Rechtsanwältin Angelika Leppin den Auftrag erhält, Klage einzureichen.
Ostküstenleitung: Warum Henstedt-Ulzburg nicht gegen die Stromtrasse klagt
Nur: Leppin selbst sah die Erfolgschancen sehr skeptisch. Zusammengefasst hätte man nachweisen müssen, dass Tennet grobe rechtliche Fehler dabei begangen hat, den Verlauf der Ostküstenleitung gegenüber Alternativen abzuwägen. Doch das geben die 500 Seiten im Planfeststellungsbeschluss offenbar nicht her. Bekanntlich wird die Stromtrasse im Bereich Kisdorferwohld und Henstedt-Ulzburg teilweise unterirdisch verlaufen, nahe des Pinnau-Biotops wird ein Düker-Verfahren angewendet, das die Umwelt schonen soll.
Leppin sagte in der Sitzung, dass Tennet und die Planfeststellungsbehörde „gut nachgearbeitet“ hätten. „Die haben alles abgewogen, bei dem wir einen Finger in der Wunde hatten, und das ziemlich gut.“ Wenn es um einen Vergleich der Ostküstenleitung mit der Bestandstrasse, also einer 220-Kilovolt-Trasse über den Rhen, geht, fehlen die Ansatzpunkte, um die Argumentation anzufechten. Auch eine aus Sicht der Gemeinde unschlüssige Kostenberechnung reicht da nicht. Zwar sagte die Rechtsanwältin, dass sie eine „gute Stunde gebraucht habe“, um zu verstehen, wie das Unternehmen auf 84,7 Millionen Euro für die Erdkabel komme. Aber: „Die Rechtsprechung ist recht großzügig, was die Prognose von Kosten angeht.“
CDU nimmt Abstand von Klage, nur die BfB bleibt übrig
Als größte Fraktion hatte die CDU quasi über Jahre nicht nur Widerstand gegen die Planung geleistet und vehement, genauso wie auch FDP und BfB, einen Verlauf entlang einer kommenden A20 gefordert. Doch die Verwaltung hatte zuletzt immer stärker gemahnt: Diese Autobahn hat noch keinen Planfeststellungsbeschluss. Juristisch ist das somit ein schwieriges Terrain, auch wenn Jens Iversen (BfB) bei seiner Position blieb: „Wir sollten Klage erheben. Wir glauben, dass die Abwägung einen grundsätzlichen Fehler aufweist, nämlich, dass das Gesamtprojekt nicht abgewogen wurde gegen eine Leitungsführung an einer zukünftigen A20.“
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Michael Meschede, Planungsexperte bei den Christdemokraten, erklärte nun, warum seine Partei von einer Klage Abstand nahm. „Wir haben uns in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren sowohl politisch als auch juristisch gegen die Leitung zur Wehr gesetzt und dadurch für unsere Gemeinde viele Vorteile herausholen können. So konnten wir erreichen, dass die Leitung in Form eines Dükers unter der Erde verläuft, für das Wegerecht im Biotop hat die Gemeinde einen sechsstelligen Betrag erhalten und wir konnten ein Grundstück günstig erwerben, dass wir für eine Sportfläche nutzen möchten, die wir dringend benötigen“, sagte er unter Verweis auf den kürzlich bekanntgewordenen Deal der Gemeinde mit Tennet über den Kauf einer Fläche neben dem Umspannwerk an der Edisonstraße.
Ostküstenleitung: Abschnitt bei Henstedt-Ulzburg soll 2025 fertig sein
Und auch der CDU-Fraktionschef Dietmar Kahle räumte ein: „Nun müssen wir anerkennen, dass wir sowohl politisch als auch juristisch unsere Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Daher haben wir uns entschieden, auf eine Klage zu verzichten.“
Bisher hat die Gemeinde übrigens nach Auskunft der Verwaltung 100.000 Euro ausgegeben, das meiste für Anwaltskosten und Gutachten. Mehr kommt nicht dazu. Derweil läuft der Bau der Ostküstenleitung in der Region auf Hochtouren, erste Freimasten stehen, die Dükerbohrung wird vorbereitet. Laut Tennet soll der Abschnitt bei Henstedt-Ulzburg 2025 in Betrieb genommen werden.