Norderstedt. Geschäftsführer: „Stehen in Gesprächen mit der Stadt.“ Wann die Räumung beendet sein wird und was danach mit dem Boden geschieht.

Es ist wohl eines der berühmtesten Grundstücke Norderstedts: das ehemalige Gelände der Gieschen Containerdienst GmbH, auf dem sich jahrelang ein illegaler Müllberg türmte. Der wird nun seit Januar fachgerecht abgetragen, die Arbeiten sollen Anfang August beendet sein. Dann, so der Plan, verkauft die Stadt Norderstedt das 4000 Quadratmeter große Gelände. Einen möglichen Käufer gibt es: „Wir machen kein Geheimnis daraus, dass wir Interesse an dem Grundstück haben“, sagt Tim Kiesow, Geschäftsführer der Kiesow Autorecycling und Autoteile GmbH.

Das Gelände der Firma, die als Deutschlands größter Autorecycler gilt, grenzt direkt an das Gieschen-Grundstück an. Die Firma könnte mit einem Kauf ihre Fläche ganz einfach erweitern. Wegen eines Verkaufes stehe sein Unternehmen „in Gesprächen mit der Stadt Norderstedt“, wie Tim Kiesow sagt. Weiter wollte er sich zunächst nicht äußern.

Müllberg Norderstedt: Kauft Nachbar Kiesow das Grundstück?

Aktuell sind die Räumungsarbeiten zu mehr als 80 Prozent beendet. Tag für Tag arbeiten Männer der Hamburger Spezialfirma H. Ehlert & Söhne auf dem Grundstück, sortieren den Müll und sorgen für den fachgerechten Abtransport zu geeigneten Deponien.

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Baustellenleiter Sven Francke (l.) und Vorarbeiter Marcus Kahl. © Claas Greite | Claas Greite

Auf dem vorderen Teil des 4000 Quadratmeter großen Geländes ist nur noch der flache Erdboden zu sehen, weiter hinten gibt es noch einige kleinere Hügel mit Betonresten und Bauschutt. Ein Bagger arbeitet auf dem Gelände, immer wieder kommt ein Lastwagen, der Container abholt.

Darüber, was die Firma wohl in den früher bis zu sechs Meter hohen Müllbergen finden würde, gab es einige Spekulationen. Befürchtungen, es könnten sich dort Giftstoffe verbergen, gab es auch. Aber Sven Francke, Mitarbeiter von H. Ehlert & Söhne und Bauleiter auf dem Grundstück, sagt: „Es gab in den vergangenen Monaten keine Überraschungen. Wir haben vor allem Bauabfälle, künstliche Mineralfasern und ganz viele Dachpappen gefunden.“

Bild aus dem Jahr 2020: Der Müll türmte sich damals meterhoch.
Bild aus dem Jahr 2020: Der Müll türmte sich damals meterhoch. © Thorsten Ahlf | Thorsten Ahlf

Asbestwerte in der Luft „immer weit unter den Grenzwerten“

Befürchtungen, es könnten Asbestfasern durch die Luft fliegen, gab es auch. Aber Francke sagt: „Wir messen jeden Tag dreimal die Asbestkonzentration in der Luft, außerdem die Konzentration von fünf verschiedenen Gasen. Wir waren in der ganzen Zeit immer weit unter den Grenzwerten.“ Mitarbeiter der umliegenden Firmen und auch Anwohner in Friedrichsgabe bräuchten sich keine Sorgen zu machen.

Loses Asbest habe man nicht gefunden, aber hin und wieder finden die Männer Asbestplatten in den Schutthaufen. So auch an diesem Tag. Hinter Francke arbeiten zwei Männer „im Vollschutz“ gerade an einem kleineren Haufen, sammeln die Platten ab, die dann gesondert gelagert und abtransportiert werden. Zu ihrem Schutz tragen die Männer Atemmasken, auch die Kabine des Baggers hat einen Luftfilter.

An trockenen Tagen wird die Luft mit einem Spezialgerät befeuchtet

Franke hingegen, der vielleicht 20 Meter vor dem besagten Hügel steht, trägt an diesem Tag keine Atemmaske. „Es ist so feucht, da können keine Fasern durch die Luft fliegen“, sagt er. An sehr trockenen Tagen hingegen wird die Luft mit einem Spezialgerät befeuchtet, „die Fasern legen sich dann“, sagt Francke.

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Diese Maschine befeuchtet an trockenen Tagen die Luft, damit keine Asbestfasern herumfliegen können. © FMG | Claas Greite

Ehemaliger Geschäftsführer der Firma Gieschen wurde verurteilt

Mit der Räumung geht eine lange Geschichte zu Ende. Der frühere Geschäftsführer der Gieschen Containerdienst GmbH hatte die Kontrolle über sein Abfallzwischenlager verloren, nahm immer mehr Müll an, ohne ihn zu entsorgen. Das Amtsgericht in Norderstedt verurteilte ihn für seine Umweltfrevel Ende 2022 unter anderem zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.

Nach langem Ringen einigten sich die Stadt Norderstedt und das schleswig-holsteinische Umweltministerium auf einen Deal. Die Stadt Norderstedt erwarb das Grundstück bei einer Zwangsversteigerung. Das Land beauftragte die Räumung und zahlt sie nun weitestgehend von Steuergeldern.

Auch das Grundwasser wird regelmäßig überprüft

Die Räumung läuft so ab: Zuerst trägt der Bagger die größeren Schuttberge ab, legt kleinere Haufen auf eine freie Fläche, die dann per Hand genau untersucht werden. Sogenannte „gefährliche Abfälle“ werden aussortiert. Neben Asbestplatten gehören alte Farben und Lacke, Ölkanister oder Dachpappen dazu.

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Öle und Farben, die gefunden werden, wandern in diese Spezialbehälter. © Claas Greite | Claas Greite

Werden gefährliche Abfälle gefunden, kommen Experten eines Schadstofflabors und untersuchen sie genau. Dann werden die Abfälle, voneinander getrennt, zu Deponien gefahren. „Alles, was hier vom Hof geht, wurde analysiert“, sagt Sven Francke. Auch das Grundwasser werde regelmäßig überprüft, es habe bisher keine Auffälligkeiten gegeben.

Sind die Schadstoffe aus den Müllhaufen sortiert, werden Container mit dem übriggebliebenen Abfall beladen und zu einer externen Entsorgungsfirma gebracht. Dort wird der Müll erneut sortiert. Kunststoffe, Bauschutt oder Teppiche werden nochmals voneinander getrennt. Zum Schluss bleiben nur „sortenreine“ Abfälle übrig, die dann fachgerecht entsorgt wird. „Es wird gewissermaßen doppelt sortiert“, sagt der Bauleiter.

Baubiologin schaut nach, ob Vögel in den Abfallhaufen brüten

Eine weitere Schutzmaßnahme betrifft die Tierwelt – genau genommen Vögel, die zu dieser Zeit in den Abfallbergen Nester gebaut haben könnten. „Deshalb ist immer eine Baubiologin vor Ort“, sagt Marcus Kahl, Vorarbeiter auf der Baustelle. Diese würde im Falle eines Falles verfügen, dass die Nester „umgelagert“ werden. Aber: der Fall ist in den vergangenen viereinhalb Monaten noch nicht eingetreten.

Auch Ratten wurden nicht gesichtet. Anwohner und auch Mitarbeiter der umliegenden Firmen hatten befürchtet, dass diese Tiere im Bereich der Müllberge heimisch sein und dann für Probleme sorgen könnten. Aber man habe „kein einziges Tier“ gesichtet, versichert Sven Francke. „Das spricht dafür, dass hier wirklich nur anorganische Abfälle gelagert wurden“, sagt Marcus Kahl.

Spektakulärster Fund: „verbuddelte Container“

Der wohl spektakulärste Fund, den die beiden Männer und ihre Kollegen bisher machten, waren „verbuddelte Container“. Darin hätten sich Asbestplatten befunden, die ihrerseits in spezielle Säcke eingepackt waren. Aber weil die Säcke „vergammelt“ waren, mussten die Asbestplatten fachgerecht umgelagert werden. Die Container wurden beseitigt.

Vor der Räumung schätzte das Land die Kosten für die Entsorgung auf knapp vier Millionen Euro. Wie hoch die Summe wirklich sein wird, zeigt sich am Ende. „Die Schätzung halte ich aber für realistisch“, sagt Francke. Und er ergänzt: „Wir werden den Kostenrahmen einhalten.“

Wenn der letzte Schuttberg abgetragen ist, werden noch 30 Zentimeter des Erdbodens abgetragen. Dieses Erdreich wird dann ersetzt, und zwar durch „neues mineralisches Recyclingmaterial“, also kleingemahlene Beton- und Dachziegelreste.

Reste von Bauschutt könnten auch nach der Auskofferung von 30 Zentimetern Erde im Boden bleiben

Ein gewisser Rest von Bauabfällen könnte allerdings auch nach der Räumung des Berges und der Abtragung der 30 Zentimeter noch im Boden bleiben. Das bestätigt das zuständige Umweltministerium in Kiel auf Abendblatt-Anfrage. „Während der Räumungsarbeiten wurde festgestellt, dass das Grundstück zum Teil auch tiefer als 30 Zentimeter mit Boden und Bauschutt verfüllt ist“, sagt die Sprecherin Janine Wergin.

Eine tiefere Auskofferung als 30 Zentimeter sei aber nach aktuellem Kenntnisstand nicht nötig. „Aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse besteht kein Grund zur Annahme einer Gefährdung.“ Weder die bisher bei den Räumungsarbeiten gefundenen Stoffe noch das seit 2020 durchgeführte Grundwassermonitoring gäben dazu Anlass. Bei dem, was sich dort unterhalb der 30 Zentimeter noch im Boden befinde, handele es sich um „mineralische Abfälle“, gemeint sei damit ausschließlich „Bauschutt“, so Janine Wergin weiter.

Diese Einschätzung entspreche nach aktuellem Kenntnisstand auch der Bewertung der unteren Bodenschutzbehörde des Kreises Segeberg. Nach Abschluss der Räumung, so Wergin, soll aber aber „die bodenschutzrechtliche Situation gemeinsam mit der unteren Bodenschutzbehörde noch einmal abschließend bewertet werden.“

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Der potenzielle Käufer Tim Kiesow sagt: „Mir gehört das Grundstück ja nicht. Es bleibt mir ja nichts anderes übrig, als mich da auf die Bodenanalysen zu verlassen.“