Henstedt-Ulzburg. In der Regionalliga Nord ist der SV Henstedt-Ulzburg Favorit auf die Meisterschaft. Der Unterschied zu Proficlubs ist hier quasi Null.
Vielleicht wäre es am besten, ein „*“, also ein Sternchen, dahinter zu setzen, wie in der letzten Saison die Fußball-Regionalliga Nord bei den Frauen für den SV Henstedt-Ulzburg zu Ende ging. Nicht, weil es ein Muster ohne Wert war, wie die Mannschaft performte. Ganz im Gegenteil. Aber normalerweise wären 20 Siege in 26 Spielen, ein Punkteschnitt von rund 2,4 und 101 geschossene Tore gleichbedeutend mit der Meisterschaft und der Teilnahme an den Playoffs zur 2. Bundesliga.
Nur: Daraus wurde nichts. Der Hamburger SV rollte mehr oder weniger durch die dritthöchste Klasse, war nicht nur sportlich dominant, sondern auch finanziell weitaus potenter als der Nachbar, was sich in entsprechenden Transfers zeigt. Und stieg letztlich verdient auf. In Henstedt-Ulzburg hatte man diese Entwicklung früh akzeptiert – der Abstand von 13 Punkten zu Platz eins, aber auch zehn Zählern zu Hannover 96 auf Rang drei, verdeutlicht, wie außergewöhnlich diese Spielzeit unter dem Strich war. Denn rein von der eigenen Qualität und dem Leistungsvermögen hat der SVHU fraglos Potenzial für eine höhere Liga.
SV Henstedt-Ulzburg: Die Titelmission startet mit dem Topspiel beim FC St. Pauli
Das Gute ist: Trainer Christian Jürss und seine Spielerinnen müssen sich mit dem HSV nicht mehr beschäftigen, dieser schaffte in zwei Duellen mit Viktoria Berlin (Regionalliga Nordost) den Aufstieg. Der Weg wäre also frei. Und vor dem – sehr reizvollen – Auftakt am Sonntag (13 Uhr, Kunstrasen Feldstraße am Heiligengeistfeld) beim FC St. Pauli wird auch nicht tiefgestapelt.
„Im Mittelfeld wollen wir nicht landen. Wir müssen sagen, dass wir Meister werden wollen“, sagt der Coach. Eigentlich ist er kein Lautsprecher, aber warum sollte er sein Team bewusst schlechter reden, als es ist? Nichts deutet darauf hin, dass es einen Club geben könnte, der die Rolle des HSV übernimmt. Der Titel geht nur über Henstedt-Ulzburg, selbst wenn das angesichts von Konkurrenz nicht nur von St. Pauli, sondern auch wieder Hannover, von Holstein Kiel oder von Eintracht Braunschweig kurios erscheint.
Frauenfußball: Finanziell kann der SVHU keine großen Sprünge machen
Dass es sich hierbei ausnahmslos um Profivereine handelt, spielt aber nur eine untergeordnete Rolle. Im Frauenfußball liegt der Unterschied manchmal nur im Wappen auf der Brust und der Größe des Umfelds – oder auch mal einer Medienabteilung, die eine Mannschaft in Social Media schick in Szene setzt. Hinter den Kulissen ist die Situation aber oft eine andere. Die öffentliche Diskussion darüber, dass beim FC St. Pauli die Mannschaft ihre Trikots für den DFB-Pokal selbst bezahlen musste (immerhin gab es einen Freundschaftspreis), ist ein treffendes Beispiel.
Christian Jürss weiß auch von Konkurrentinnen, die zuletzt nicht einmal eigene Physiotherapeuten hatten – obwohl der dazugehörige Verein in der 2. Bundesliga der Männer einen der höchsten Etats aufweist. „Wir sind im Physiobereich sehr ordentlich aufgestellt“, versichert der SVHU-Trainer. Finanziell sind in der Großgemeinde aber keine großen Sprünge möglich, das ist allen bewusst, auch den Fußballerinnen.
Mannschaft ist eine gewachsene Einheit mit zwei herausragenden Stürmerinnen
Dennoch ist Henstedt-Ulzburg eine gewachsene Einheit. Ob nun Jennifer Michel, Malin Hegeler, Cathérine Knobloch, Chiara Pawelec, sie zählen zur Crème der Regionalliga. Und oftmals kaum zu verteidigen ist das schlagkräftige Sturmduo mit Indra Hahn und Vera Homp, die zuletzt beim lockeren DFB-Pokal-Erstrundensieg (7:0) gegen Borussia Bocholt vier- und zweimal erfolgreich waren.
Mit 28 Treffern wurde die 22-jährige Hahn 2022/2023 Torschützenkönigin, übrigens nur knapp vor Jennifer Michel, die als offensive Mittelfeldantreiberin 23-mal traf. Aber, so Jürss: „Von Indra erwarte ich in dieser Saison noch einen Tick mehr.“ Denn so oft sie auch Chancen verwertet – nicht selten gibt es in 90 Minuten Gelegenheiten für doppelt so viele Tore. Immerhin: Die Gefahr, dass die Top-Stürmerin abgeworben wird, stellte sich nicht, das war im letzten Jahr noch anders, es soll Interesse von Werder Bremen und vom SV Meppen gegeben haben.
SV Henstedt-Ulzburg hat endlich zwei gleichwertige Torhüterinnen
Eine bedeutende Verbesserung gibt es im Tor. Und das allein schon deshalb, weil es jetzt zwei gleichwertige Keeperinnen gibt mit Anneke Klaas und Laura Jungblut (neu vom VfL Jesteburg). Zur Erinnerung: In jüngerer Vergangenheit war hier die Personalnot so groß, dass Feldspielerin Knobloch sogar zwischen den Pfosten aushelfen musste. Das machte sie zwar gut, aber eine nachhaltige Lösung war das logischerweise nicht.
„Das war ein Riesenproblem, weil Anneke fast die gesamte Saison verletzt war“, so Christian Jürss. „Jetzt haben wir mit Laura eine sehr gute Torhüterin dazu bekommen. Auf eine feste Nummer eins will ich mich nicht festlegen, beide haben ihre Qualitäten. Wir haben jetzt einen gewissen Luxus.“ Möglich wäre also eine Rotation zwischen den beiden.
Wer neben dem SV Henstedt-Ulzburg für das obere Drittel in Frage kommt? „Hannover 96 ist ein Hauptkonkurrent“, so Jürss, „Holstein Kiel muss man nennen, die sind immer gut. Und Buntentor ist schwer zu spielen.“ Den FC St. Pauli könne er noch nicht so recht einschätzen, er attestiert den Hamburgern aber eine „spielerische Weiterentwicklung“, ist davon überzeugt: „Es geht mit einem spannenden Spiel los“.
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Auswärts beim FC St. Pauli: Enger Kunstrasen ist „fast wie Beton“
Und: Der alte, enge Kunstrasen am Heiligengeistfeld, im Schatten des Millerntorstadions – „fast wie Beton“ – kann ein Faktor sein. Und vielleicht auch die Fans: Beim DFB-Pokal-Erstrundensieg gegen den Magdeburger FFC kamen fast 2000 Zuschauerinnen und Zuschauer, wobei diese Partie im Stadion von Altona 93 stattfand.
Stichwort DFB-Pokal: Hier wurde nun die zweite Runde ausgelost. Und der SV Henstedt-Ulzburg bekommt es mit einem in mehrfacher Hinsicht interessanten Club zu tun. Am 9./10. September fährt der SVHU zu Viktoria Berlin – also jenem Regionalligisten, der 2024 auch Gegner sein könnte in den Aufstiegsspielen zur 2. Bundesliga. Eine echte Standortbestimmung also – und vielleicht ein Vorgriff auf einen Saisonhöhepunkt in rund zehn Monaten.