Hamburg. Regionalligist Eintracht Norderstedt fliegt trotz Führung beim Oberliga-13. USC Paloma raus. Stimmen und Analyse zum Debakel.
Ein großer Haufen Scheiße. Mit diesem Emoji kommentierte Eintracht Norderstedt auf seinem Instagram-Kanal das Aus im Lotto-Pokal in der dritten Runde beim USC Paloma (1:3). Der Traum vom ersten Hamburger Pokalsieg seit 2021 wird auch in der dritten Saison in Folge für die Garstedter unerfüllt bleiben. Dabei ist die Tendenz der vergangenen Spielzeiten besorgniserregend. Der Halbfinalniederlage gegen den Regionalliga-Konkurrenten FC Teutonia 05 in der Spielzeit 2021/22 folgte in der vergangenen Saison eine 2:5-Pleite nach Elfmeterschießen im Achtelfinale beim HEBC. Nun ist schon in Runde drei Schluss.
Das letzte Mal so früh, ebenfalls in der dritten Runde, scheiterte die Eintracht fast auf den Tag genau vor elf Jahren am 14. August 2012 – auch damals am HEBC, mit 1:2. Zwölf Tage später wurde Trainer Matthias Dieterich entlassen. Eintrachts Präsident Reenald Koch hatte es in der Saisonanalyse im Abendblatt gesagt: „Wenn wir nicht vorher auf den FC Teutonia 05 treffen, ist das Pokalfinale für uns Pflicht.“
Unglaublich: Eintracht Norderstedt blamiert sich wieder im Lotto-Pokal
Heißt übersetzt: Nach dem zweiten Super-Gau im Pokal in Folge inklusive der erneut vergebenen Chance, sich für den lukrativen DFB-Pokal zu qualifizieren, brechen für Cheftrainer Olufemi Smith ungemütliche Zeiten an. Für eine Stellungnahme war der Vereinsboss am Tag nach der Paloma-Pleite nicht erreichbar. Doch woran lag – abgesehen von Palomas zweifellos starker Leistung – das verdiente Ausscheiden eigentlich? Mehrere Punkte stechen bei der Analyse ins Auge.
Die Defensive: „Wir halten unsere Zuteilungen nicht ein“ und „Das war keine gute Abwehraktion“, so kommentierte Trainer Smith die ersten beiden Gegentore. Das ist korrekt analysiert. Den Freistoß zum 1:1 durfte Christian Merkle unbedrängt aus fünf Metern einköpfen, obwohl die beiden Garstedter Innenverteidiger Kevin Kling (2,02 Meter) und Moritz Frahm (1,91 Meter) den Luftraum vor dem Tor eigentlich schon fast alleine hätten absichern können. Vor dem Sonntagsschuss von Palomas Tom Wohlers zum 1:2 verstolperte Kling den Ball unkonzentriert in Kreisliga-Manier. Der Konter zum 1:3 war zwar auch nicht konsequent verteidigt, die Böcke vorher wogen jedoch deutlich schwerer.
Eintracht Norderstedt: Defensiv unkonzentriert, im Angriff ohne Killerinstinkt
Die Offensive: Nach dem frühen 1:0 durch Nils Brüning fehlte der Eintracht der Killerinstinkt. „Wir haben uns in der ersten halben Stunde gute Möglichkeiten erspielt und müssen einfach auf 2:0 stellen. Da waren wir zu inkonsequent“, so Smith. Auch das stimmt. Doch der im Vergleich zur Vorsaison stark verbesserte Angreifer Manuel Brendel sowie Kevin Prinz von Anhalt und Nick Gutmann ließen Kaltschnäuzigkeit vermissen. Rätsel gab von Anhalts Rolle auf. Gegen den Ball formierte sich die Eintracht mit ihm in vorderster Front im 4-4-2, mit Ball sollte ein gewohntes 4-3-3 mit dem Neuzugang als umfunktioniertem Achter gespielt werden.
Doch auch wenn Smith von Anhalt nachvollziehbarerweise eine „kämpferisch starke und ordentliche Leistung“ bescheinigte – für einen Achter nahm von Anhalt zu wenig am Aufbauspiel teil, war zu weit vorne platziert. Ein größeres Problem: Der finale letzte Pass wurde von vielen Akteuren zu oft viel zu unsauber gespielt, was in Hälfte zwei bis auf einige Phasen zur weitgehenden Harmlosigkeit führte.
Die Mannschaft war auffällig still, während Paloma jeden Zweikampf emotionalisierte
Mentalität: „Keiner war in Normalverfassung. Wir hatten alle einen schlechten Tag, was keinesfalls eine Entschuldigung sein darf“, lautete der alarmierende Befund von Ersin Zehir, dem früheren Zweitliga-Profi und einem der Kapitäne. Das traf nicht nur bezüglich Pass- und Zweikampfschärfe, der Konzentration und der Abschlussqualität zu. Die Eintracht war auch auffallend still auf dem Feld. Underdog USC Paloma emotionalisierte jeden Zweikampf, war auch verbal extrem aktiv.
Auch wenn es im Zeitalter des verwissenschaftlichten Fußballs sehr nach alter Schule klingt: Mehr Zeichen auf dem Platz hätten dem Team gutgetan. Aber ein Führungsspieler und Anführer war nicht auszumachen. Bislang lief die Saison wie am Schnürchen. Aber in diesem Spiel wäre mehr Widerstandskraft nötig gewesen. Es ist deutlich zu spüren, dass sich die Eintracht im Umbruch befindet.
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Eintracht Norderstedt: Trainer Olufemi Smith fordert Leistung in der Regionalliga
Eben dieser könnte nun gefährdet sein. Nach dem Ausscheiden gegen den HEBC in der vergangenen Saison spielte die Eintracht in der Regionalliga Nord noch ein paar Wochen gut – und setzte die letzten drei Monate größtenteils in den Sand. Theoretisch bestand sogar bis zum vorletzten Spieltag Abstiegsgefahr. Ein solches Abdriften dürfen sich die Spieler diesmal nicht leisten.
„Jeder darf auf sich sauer sein und muss seine eigene Leistung hinterfragen. Aber wir müssen schnell die Köpfe wieder hochnehmen und in der Regionalliga Nord Leistung zeigen“, fordert Trainer Olufemi Smith. Das fußballerische Potenzial dafür besitzt das Team zweifellos. Ob es diese Fähigkeiten nun dauerhaft auf den Rasen bringt, wird sich zeigen.