Geesthacht. Seit 1974 produziert das Geesthachter Unternehmen Düsen für den Einsatz von Herbiziden in der Landwirtschaft. Jetzt geht es neue Wege.
Das Gerät im Firmenvideo sieht fast so aus wie eine Harke. Doch statt der Zinken gibt es Löcher, aus denen Wasser heraussprudelt – 99 Grad heißes Wasser. BioMant nennt die Geesthachter Firma Mantis ihr System, das mit heißem Wasser Unkraut, Moos und Algen überall dort beseitigt, wo der Einsatz von Chemie und Herbiziden nicht erlaubt oder erwünscht ist.
Eigentlich heißt die Firma Mantis ULV-Sprühgeräte GmbH. Die drei Buchstaben ULV stehen für „Ultra Low Volume“: Die Rotationsdüsen, die das Unternehmen entwickelt, sind in der Lage, Flüssigkeiten als feinste Tropfen abzugeben. Jetzt feiert die Firma Mantis ihr 50-jähriges Firmenjubiläum.
Unkrautbekämpfung ohne Gift? Firma Mantis zeigt, wie es geht
„Die Idee war, die kleinsten Tropfen überhaupt zu machen“, sagt Vertriebschef Heinrich Kucharczyk. Lange bevor die Politik über ein Verbot von Herbiziden (Unkrautvernichter) überhaupt diskutiert habe, habe sein Unternehmen helfen können, die ausgebrachten Mengen zu reduzieren, so der Vertriebschef.
Mit Spritzschirmen rund um die Düse wird die Einsatzfläche zusätzlich begrenzt. Zusätzlich sei der Sprühnebel so gewählt, dass er nicht zu fein sei und eingeatmet werden könne, so Firmenchefin Hiske Weissmann.
Düse hilft, Einsatz von Pestiziden zu reduzieren
Vier bis fünf Liter Herbizide pro Hektar seien noch in den 1990er-Jahren in der Landwirtschaft üblich gewesen, erklärt Kucharczyk: „Wir konnten die Menge mit unserer Technik auf ein bis zwei Liter reduzieren.“ Damit sei das Unternehmen der Forderung von Umweltverbänden nachgekommen, den Einsatz von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln zu reduzieren.
Tatsächlich aber ist der Verbrauch von Pestiziden trotz der Düsen aus Geesthacht weltweit gestiegen, in Europa zumindest konstant geblieben. In Deutschland werden jährlich zwischen 27.000 und 35.000 Tonnen Pestizide verkauft, weltweit sind es über vier Millionen Tonnen.
Doch das Unternehmen setzt schon lange nicht mehr nur auf das Versprühen von Pestiziden. Die Düsen und Geräte können auch sogenannte Bio-Herbizide versprühen, deren Wirkstoffe auf Pflanzenbasis hergestellt werden – oder heißes Wasser. „Da sind wir den umgekehrten Weg gegangen“, so Kucharczyk. 30 Jahre habe man bei Mantis daran gearbeitet, die Mengen zu reduzieren. Beim kochenden Wasser seien feinste Tropfen jedoch nicht hilfreich. Je nach Gerätegröße fließen acht bis 15 Liter pro Minute beim Einsatz durch den Schlauch.
Kochendes Wasser schädigt Zellstruktur der Pflanze
Schon Anfang des Jahrtausends habe man sich nach Alternativen umgesehen und sei dabei auf kochendes Wasser aufmerksam geworden, so die Firmenchefin. „Wir nutzen kochendes Wasser, keinen Wasserdampf. Der steigt nach oben und erreicht die Pflanze nicht“, sagt Weissmann. Das 99,5 Grad heiße Wasser hingegen schädigt die Zellstruktur der Pflanze und dringt bis zur Wurzel vor. Wenige Tage nach der Anwendung sind die Blätter abgestorben, die Wurzel muss dann noch mechanisch entfernt werden.
„Es funktioniert auch bei Moosen und Flechten“, sagt Weissmann. Doch die Mantis-Geräte können noch mehr: Nicht nur Gehwege können mit dem heißen Wasser von Wildwuchs gereinigt werden, sondern auch Bushaltestellen, Schulhöfe, Sportanlagen oder Spielgeräte. Dort wird das heiße Wasser zur Reinigung und Desinfektion genutzt. Ab einer Temperatur von 60 Grad werden bereits viele Keime abgetötet. „Mit unserem Gerät kann man deshalb sogar Sandkisten auf Spielplätzen reinigen“, sagt Kucharczyk. Eingesetzt wird die BioMant-Technik unter anderem von der Stadt Lüneburg, der TU Dresden oder im Hamburger Park Planten un Blomen.
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Bahnanschluss als Instrument gegen Fachkräftemangel
Vor 50 Jahren, am 14. November 1974, wurde die Mantis ULV-Sprühgeräte GmbH in Hamburg-Harburg gegründet, zog später nach Billstedt. 1996 erwarb das Unternehmen das letzte freie Gewerbegrundstück an der Geesthachter Vierlandenstraße. Als sich Gründer Siegfried Dopp zehn Jahre später zur Ruhe setzte, verkaufte er die Firma an den Holländer André Verder. Seit 2016 ist dessen Tochter Hiske Weissmann die Chefin. 15 Mitarbeiter arbeiten in Geesthacht sowie einem zweiten Produktionsstandort in Polen für Mantis. Neben Kaufleuten sind dies vor allem Metallhandwerker und Elektroniker.
Die Produkte werden zur Hälfte von Kunden in der Landwirtschaft eingesetzt, weitere 35 Prozent im Bereich Ernteschutz, vor allem bei Behandlung von Kartoffeln. Die restlichen 15 Prozent teilen sich die Betonindustrie, wo die Mantis-Technik hilft, bis zu 75 Prozent des Trennmittels einzusparen, und der Bereich Hygiene. „Unsere Technik ist so spezifisch, dass man sie an der Berufsschule nicht lernt“, sagt Weissmann, die sich für die Fachkräfteanwerbung einen Bahnanschluss für die Elbestadt wünscht. Denn bei Mantis plant man weiter innovative Entwicklungen: Neben einem Rührwerk für Mikroorganismen, die im Obstbau eingesetzt werden, sollen bald Drohnen oder selbstfahrende Arbeitsmaschinen die Mantis-Düsen tragen.