Geesthacht/Kiel. Vor dem Landtag zeichnet die Geschäftsführung ein besorgniserregendes Bild von der insolventen Klinik. Aber es gibt auch Hoffnung.
Das Geesthachter Johanniter-Krankenhaus war am Donnerstag erneut Thema im Kieler Landtag. Zu einer zweiten Gesprächsrunde hatte der Sozialausschuss des Landes geladen – diesmal folgten Sanierungsgeschäftsführer Tobias Vaasen und der Generalhandlungsbevollmächtigte Stefan Denkhaus der Einladung. Sie hatten für die Landespolitik neue Erkenntnisse über das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ), die Geburtenstation und die Erhaltspläne im Gepäck.
Überrumpelt von der vorherigen Einladung im September sei man gewesen, sagte Stefan Denkhaus. Der enge Zeitplan zur Rettung des Geesthachter Krankenhauses habe eine Teilnahme an der Sondersitzung im Landeshaus nicht zugelassen. Bei den Parlamentariern hatte das Nicht-Erscheinen für scharfe Kritik gesorgt.
Krankenhaus Geesthacht: Betrieb für erstes Quartal 2025 gesichert
Jetzt aber konnten Vaasen und Denkhaus Einblicke in Zahlen und Zukunftspläne geben. Und die sind nicht gut: „Seit 2019 haben wir in Geesthacht einen Leistungsverlust zu verzeichnen“, erklärte Tobias Vaasen. „Anders als an anderen Standorten in Deutschland wurde das Tal nie durchschritten.“ Deshalb sei die Spanne zwischen Kosten und Erlösen weit auseinander gegangen. Während die Geriatrie und die Psychiatrie gut laufen, seien die somatischen (den Körper betreffenden) Bereiche stark defizitär.
Wie Vaasen erklärte, arbeite man zurzeit an einer 360 Grad-Analyse. „Wir gucken, an welchen Schrauben wir drehen müssen. Wir wollen so viel wie möglich erhalten der beiden Einrichtungen“, sagte er. Gemeint sind Klinikbetrieb am Runden Berge und Geriatrie und Seniorenzentrum im Edmundsthal. Aktuell gebe es keine Einschränkungen im Versorgungsangebot. Für das erste Quartal des kommenden Jahres sei der Klinikbetrieb auf Basis der aktuellen Erlöslage durchfinanziert, wie Denkhaus betonte. Doch auf Einschränkungen werden sich die rund 100.000 Menschen im lauenburgischen Südkreis wohl einstellen müssen.
„„Wenn nichts passiert, muss das MVZ schließen““
Wie Insolvenzverwalter Andreas Romey darlegte, sei es nicht gelungen, einen Finanzplan aufzustellen, mit dem das Medizinische Versorgungszentrum für die kommenden sechs bis zwölf Monate durchfinanziert ist. „Wenn nichts passiert, muss das MVZ schließen“, sagt er. Man versuche, das MVZ möglichen Investoren schmackhaft zu machen. Nach Informationen unserer Redaktion soll es bereits einen Interessenten für das Versorgungszentrum geben.
Krankenhaus Geesthacht: 1200 Geburten jährlich sind finanziell notwendig
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Birte Pauls, wollte wissen, welche Rolle die Krankenhausreform des Bundes bei der Krankenhausrettung spielt. „Die wird natürlich berücksichtigt“, sagte Tobias Vaasen. „Es wird schwierig, den einen oder anderen Leistungsbereich halten zu können.“ Heißt: Langfristig wird das Leistungsspektrum im Geesthachter Krankenhaus wohl reduziert werden müssen.
Wie die Aumühler Abgeordnete Andrea Tschacher (CDU) betonte, sei die Geburtenstation nicht nur für die Region wichtig, sie genieße auch einen sehr guten Ruf. Hierzu verwies Vaasen auf die Konkurrenzsituation in der Region. Auch das Bethesda-Krankenhaus in Bergedorf sowie das St. Adolf-Stift in Reinbek unterhalten eine Geburtenstation. „Wir haben 600 Geburten. Wir brauchen aber 1200, damit das finanziell funktioniert. Das ist für uns ein kritischer Bereich“, führte er aus. Vaasen beschrieb, dass die Klinik einen Verdrängungswettkampf führe. 673 Kinder wurden 2023 in Geesthacht geboren. 2021 waren es sogar 790 (Höchstwert seit 1997).
30 Millionen Euro für Sanierung von Geriatrie und Seniorenzentrum
Auch wenn die Geriatrie gut laufe, bereite der Fachbereich der Geschäftsführung Sorgen: „Wir haben da zwei Häuser, die einen hohen Investitionsbedarf haben“, sagt Vaasen. Ein Gutachten habe ergeben, dass etwa 30 Millionen Euro benötigt werden, um Geriatrie und Seniorenzentrum so zu sanieren, dass sie langfristig betrieben werden können. Auf der anderen Seite gebe es in der Klinik Stationen, die nicht betrieben werden. „Deshalb wird in dem Szenario auch die Einhäusigkeit eine Rolle spielen.“
Birte Pauls wollte wissen, wie es um die Gehälter der rund 600 Angestellten der Klinik steht. Denkhaus betonte, dass die Arbeitnehmer keine Verluste befürchten müssen. „Wir nehmen keine Arbeitsleistung, die wir nicht bezahlen können“, sagt er. Notfalls müsse man sich trennen. Trotz der unsicheren Zukunft habe es bisher keine Abwanderungsbewegung in der Belegschaft gegeben.
Suche nach neuem Investor
Fraglich bleibt, unter wessen Ägide das Geesthachter Krankenhaus weiterbetrieben werden könnte. Die Johanniter planen, sich gänzlich aus Schleswig-Holstein zurückzuziehen. Staatssekretär Oliver Grundei: „Es wäre schön gewesen, wenn wir davon nicht aus der Presse erfahren hätten.“
Immerhin: Einen groben Zeitplan für die Trägersuche gibt es. Bis Ende Oktober läuft die indikative Angebotsphase, in der mögliche Investoren ihr Interessen hinterlegen können. Sollten die Gläubiger dieses als verfolgenswert beurteilen, folge Phase Zwei, wie Vaasen erklärt. Dann können Investoren tiefgreifende Einblicke in die Datenlage erhalten und Expertengespräche, zum Beispiel mit Chefärzten, führen. Bis Ende November dann wolle man bindende Angebote erhalten. „An Weihnachten soll die Belegschaft wissen, wohin die Reise geht“, sagt Vaasen.
Bundestag beschließt Krankenhausreform
Gleichzeitig zur Sitzung des Sozialausschusses in Kiel hat die Bundesregierung die viel diskutierte Krankenhausreform verabschiedet. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von der größten Reform der letzten 20 Jahre. Die Umstrukturierung sieht vor, dass Fallkostenpauschalen eingeschränkt werden. Damit soll verhindert werden, dass Kliniken Eingriffe durchführen, die finanziell attraktiv, aber medizinisch gar nicht notwendig sind.
Künftig werden Krankenhäuser dafür entlohnt, dass sie bestimmte Leistungen vorhalten. Dafür erhalten sie eine Pauschale, die 60 Prozent der Kosten decken soll. Zudem soll das Leistungsspektrum an kleineren Standorten eingedampft werden. Für wichtige Kernbereiche wie die Geburtenhilfe erhalten die Kliniken zusätzliche Mittel.
Lauenburgische Bundestagsabgeordnete Nina Scheer begrüßt die Verabschiedung
Hintergrund der Reform ist die schlechte finanzielle Lage vieler Häuser. Bundesgesundheitsminister Lauterbach erhofft sich eine „Ent-Ökonomisierung“. 2023 hatten bundesweit 40 Kliniken Insolvenz angemeldet. In der ersten Hälfte dieses Jahres waren es 17 Standorte. Das Johanniter-Krankenhaus in Geesthacht hatte am Montag, 23. September, einen Insolvenzantrag gestellt. Lauterbach geht davon aus, dass einige Klinikstandorte schließen werden. „Wenn es am Ende 20 Prozent Krankenhäuser weniger gibt, diese aber bessere Versorgung bieten, dann ist das aus meiner Sicht richtig“, sagt er.
Die lauenburgische Bundestagsabgeordnete Nina Scheer (SPD) begrüßt die Verabschiedung: „Die Krankenhaus-Reform ist notwendig und richtig, da es ohne sie zu Insolvenzen an unverzichtbaren Klinik-Standorten kommen kann, was auch die Beschäftigten vor kritische Situationen stellt“, sagt sie. Durch die Abkehr von der Fallkostenpauschale werde finanzieller Druck von den Kliniken genommen.
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Kritik kommt unterdessen von den Ländern. „Wir brauchen eine Reform, aber eine gute“, sagt die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU). Sie befürchte, dass die Reform dazu führt, dass künftig noch mehr Kliniken im ländlichen Raum in die Insolvenz schlittern. Während der Umstrukturierungsphase sollen Krankenhausstandorte Mittel aus einem sogenannten Transformationsfonds im Volumen von 50 Milliarden Euro erhalten. Die Hälfte davon sollen die Länder tragen.