Hamburg. Nach der Böhmermann-Enthüllung meldet sich Andreas Dressel zu Wort. Dass Hamburger Firmen in anderen Regionen Briefkästen haben, kommt nicht gut an.
- Böhmermann-Recherche zufolge haben in Bismarcks Hütte im Sachsenwald 21 Firmen ihren Sitz
- Betroffen ist auch die Firma Luxcara, die mit der Stadt Hamburg kooperiert
- Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel will „missbräuchliche Steuergestaltungen“ nicht dulden
Im Streit um die Holzhütte im Sachsenwald, die 21 Firmen als ihren Sitz angeben, darunter sogar Partner der Stadt, hat sich Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel zur Wort gemeldet: „Das Thema missbräuchlicher Steuergestaltungen von Unternehmen in Kommunen mit auffallend niedrigem Hebesatzniveau ist generell im Fokus der Hamburger Steuerverwaltung“, sagte der SPD-Politiker.
Zum Einzelfall darf sich der Senator aufgrund des Steuergeheimnisses zwar nicht äußern. Aber Dressel machte zwischen den Zeilen seines Statements deutlich, dass seine Experten es mit Argusaugen beobachten, wenn Umlandkommunen versuchen, durch besonders niedrige Gewerbesteuern Firmen anzulocken, die eigentlich in der Hansestadt tätig sind: Sobald die Hamburger Steuerverwaltung Hinweise erlange, „die auf eine unzutreffende Besteuerung hinweisen, geht sie diesen konsequent nach“, so der Finanzsenator.
Steueroase Sachsenwald: Linken-Politiker stellen Strafanzeige
Die Worte „Steuerflucht“ oder „Steueroase“ nahm er zwar nicht in den Mund, aber Dressel stallte klar, dass „Steuerstraftaten“ nicht akzeptiert würden: „Soweit sich ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht ergibt, erfolgt eine Prüfung des Steuerfalls.“ Und zwar im Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen, in dem auch die Steuerfahndung angesiedelt sei.
Und genau dort ist der Fall inzwischen angekommen: Denn zwei Politiker der Linkspartei – der Hamburger Haushaltsexperte David Stoop und der stellvertretende Bundesvorsitzende Lorenz Gösta Beutin aus Schleswig-Holstein – haben Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung gegen die 21 Firmen erstattet, die als Anschrift eine Holzhütte im Sachsenwald der Familie Bismarck angeben. Politisch besonders brisant: Darunter sind auch drei Töchter der Firma Luxcara, die der Partner der Stadt Hamburg beim Bau der neuen Wasserstofffabrik in Moorburg ist.
Hütte im Sachsenwald: ZDF-Star Jan Böhmermann spricht von „Briefkastenfirmen“
Die Linken beziehen sich auf Recherchen des „ZDF Magazin Royale“ sowie des Portals „Frag den Staat“ und üben scharfe Kritik: „Die journalistischen Recherchen legen den Verdacht nahe, dass die genannten Firmen unter Mithilfe der Familie Bismarck einen Firmensitz im Sachsenwald vortäuschen, um die Hamburger Gewerbesteuer zu umgehen“, sagte David Stoop, Finanzexperte der Fraktion. „Solches Vorgehen wäre strafbar und die Staatsanwaltschaften sollten diesen Verdacht dringend prüfen.“
Hintergrund: Das Team von ZDF-Star Jan Böhmermann hatte in Zusammenarbeit mit „Frag den Staat“ über Monate die reetgedeckte Waldhütte mit dem Schild „Büro“ und Briefkästen für 21 Firmen beobachtet. Auch eine Wildkamera am einzigen Zufahrtsweg wurde eingesetzt – die in zwei Monaten nur 25 Bewegungen aufgezeichnet habe, in erster Linie von Wanderern und Wildschweinen, so Böhmermann.
Er äußerte daher den Verdacht, dass es sich um Briefkastenfirmen handeln könnte, die nur wegen des sehr niedrigen Gewerbesteuerhebesatzes von 275 Prozent in dem gemeindefreien Sachsenwald ihren Sitz hätten, in Wahrheit aber in Hamburg tätig seien – hier beträgt der Hebesatz 470 Prozent.
Linke: Partner des Hamburger Senats „bei der Steuerflucht im Sachsenwald erwischt“
Stoops Fraktionskollege Stephan Jersch stößt das besonders mit Blick auf Moorburg übel auf: „Luxcara bildet mit den Hamburger Energiewerken ein Konsortium – und wird jetzt bei der Steuerflucht im Sachsenwald erwischt“, so der Energieexperte. „Für die Senatspolitik bei der Energiewende, die auf private Mehrheitsbeteiligungen setzt, ist das ein Armutszeugnis!“
Der 100-Megawatt-Elektrolyseur zur Erzeugung von grünem Wasserstoff auf dem Gelände des ehemaligen Kohlekraftwerks ist eines der wichtigsten Zukunftsprojekte des Senats. Als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kürzlich eine Förderung über rund 154 Millionen Euro überbrachte (plus weitere 126 Millionen für ein Wasserstoff-Verteilnetzwerk im Hafen), waren daher auch Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) und Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) anwesend.
Steuerflucht? Was der Senat und die Energiewerke sagen
Gebaut wird die Anlage von dem Konsortium Hamburg Green Hydrogen Hub (HGHH), hinter dem zu 25,1 Prozent die städtischen Hamburger Energiewerke stehen und zu 74,9 Prozent die „Luxcara Green Hydrogen 1 GmbH“. Da diese Luxcara-Tochterfirma keinen Briefkasten im Sachsenwald hat, teilten die Energiewerke auf Abendblatt-Anfrage mit: „Sowohl die Hamburg Green Hydrogen GmbH & Co KG als auch unser Konsortialpartner haben ihren Unternehmenssitz in Hamburg und sind auch hier steuerpflichtig.“ Das HGHH-Projekt laufe daher „wie geplant weiter“.
Ähnlich äußerte sich die Hamburger Umweltbehörde (Bukea), die die Aufsicht über die Energiewerke und damit die politische Verantwortung für das Moorburg-Projekt hat. Sie betonte zudem: „Die Bukea unterhält keine Geschäftsbeziehungen mit anderen Tochtergesellschaften von Luxcara.“
Luxcara: Auf Firmen im Sachsenwald entfällt nur kleiner Teil der Gewerbesteuer
Das Unternehmen selbst teilte auf Anfrage mit: „Luxcara betreibt 137 Gesellschaften in Hamburg. Der Großteil der Gewerbeerträge der ,Luxcara-Gruppe‘ wird somit in Hamburg versteuert, wo die Firmen ihren Sitz haben.“ Auf die im Sachsenwald ansässigen Gesellschaften entfalle „lediglich ein verhältnismäßig sehr kleiner Anteil“ der Gewerbesteuer, der aber „ebenso regelkonform“ entrichtet werde.
Auf die Frage nach den Gründen für den ungewöhnlichen Firmensitz ging das Unternehmen nicht direkt ein, erklärte aber: Die im Sachsenwald erhobene Gewerbesteuer werde „insbesondere zur Erhaltung und Aufforstung des größten Waldes in Norddeutschland genutzt, was im Einklang mit Luxcaras Unternehmensphilosophie“ stehe.
Gregor von Bismarck wehrt sich gegen Vorwurf „Steueroase“
Auch Gregor von Bismarck hatte als Besitzer des Waldes den Vorwurf zurückgewiesen, die Holzhütte diene als Steueroase: „Am Stangenteich 2 sind ordentliche Büros eingerichtet, die mit allen zur Geschäftsführung erforderlichen Einrichtungen ausgestattet sind und regelmäßig von den dort ansässigen Unternehmen als Betriebsstätte genutzt werden.“
- Robert Habecks Wasserstoff-Millionen für Hamburg: Durchbruch oder Symbolpolitik?
- Neuer Energieriese in Hamburg: Was kommt auf Kunden und Beschäftigte zu?
- Steuer Hamburg: Trotz Mehreinnahmen droht der Hansestadt ein riesiges Finanzloch
Allerdings räumte er ein, dass es sich bei den Firmen um reine Verwaltungs- und Holdinggesellschaften handelt. Darauf verwies auch Luxcara: „Die im Sachsenwald ansässigen Gesellschaften agieren ohne Angestellte und Publikumsverkehr. Der Geschäftsbetrieb erfolgt vor Ort und erfordert geringen bis gar keinen operativen Aufwand.“ Das Büro werde aber „vor allem von der Geschäftsführung mindestens einmal (eher zweimal) im Monat als Arbeitsort genutzt“. Damit widerspricht Luxcara den Beobachtungen des Böhmermann-Teams.
Firmen in Bismarcks Wald: Luxcara will mit Finanzbehörden sprechen
Das Unternehmen räumt zumindest zwischen den Zeilen ein, dass diese Firmensitze im Wald Fragen aufwerfen, denn es heißt auch: „Trotzdem werden wir diese Themen zeitnah mit den hiesigen Finanzbehörden aktiv besprechen und klären.“ Denn selbstverständlich wolle man „immer in Einklang mit den Gesetzen“ agieren.
Inwiefern das der Fall ist, hat nun das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg zu klären.