Lauenburg. Das Ein- und Aussteigen klappt gut und Hindernisse sind kein Problem. Warum der Transportroboter trotzdem nicht allein unterwegs ist.
TaBuLa-LOGplus heißt das Projekt, das derzeit bei Wissenschaftlern aus aller Welt Aufsehen erregt. Weil dieser Name dem Projektteam der Technischen Universität Hamburg (TUHH) wohl auch zu sperrig war, haben sie den kleinen Roboter einfach „Laura“ genannt. Das steht für „Lauenburgs Roboter Auslieferung“.
Zugegeben: Transportroboter sind schon eine ganze Weile auf dem Markt. Schon 2017 hatte Paketdienstleiter Hermes in Hamburg mit Lieferrobotern einen Praxistest gestartet. Inzwischen sind die intelligenten Kleinroboter auch in anderen Branchen im Einsatz: Sie assistieren Fachkräften in der Pflege, behalten die Übersicht in großen Logistikzentren und bewähren sich inzwischen sogar als Servicekräfte in der Gastronomie. Ihnen allen ist eine Eigenschaft gemeinsam: Sie transportieren Gegenstände auf einer programmierten Strecke, deren Länge ihre Grenze in der jeweiligen Akku-Leistung des Roboters hat.
Transportroboter in Lauenburg: Fahrt mit dem Bus macht „Laura“ mobiler
Bei „Laura“ ist das anders – sie nimmt einfach den Linienbus. Das hört sich nach einer witzigen Spielerei an, hat aber einen wissenschaftlichen Hintergrund: Durch dieses Verfahren kann der Roboter auch größere Strecken bewältigen und zum Beispiel Medikamente oder Einkäufe ins Haus zu bringen. „Wenn der Bus nicht voll besetzt ist, wird ‚Laura‘ im Huckepackverkehr durch Lauenburg befördert. Damit können wir ihre Reichweite deutlich erhöhen“, erklärt Christopher Rahlf aus dem Projektteam.
Dass ausgerechnet Lauenburg zum Testfeld für „Laura“ wurde, liegt an einer Besonderheit: Die Stadt ist in Ober- und Unterstadt geteilt. Es war diese Topografie, die die Schifferstadt vor fünf Jahren für die Wissenschaftler so interessant gemacht hatte. Angefangen hatte alles mit dem Forschungsprojekt TaBuLa (Testzentrum für autonome Busse im Kreis Herzogtum Lauenburg). Die beiden fahrerlosen Kleinbusse erregten auf ihrer Fahrt zwischen Unter- und Oberstadt viel Aufmerksamkeit. In der zweiten Projektphase fuhr „Laura“ zeitweise schon mit und beförderte die interne Post der Lauenburger Verwaltung von einer in die andere Einrichtung.
Künstliche Intelligenz: „Laura“ lernt in Lauenburg sehen
Eigentlich hatte sich die Projektgruppe damals vorgenommen, das Zusammenspiel zwischen „Laura“ und den autonomen Kleinbussen weiterzuentwickeln, doch das Gastspiel der beiden Fahrzeuge des französischen Herstellers Navya endete Ende 2021. Die neue Herausforderung nahmen die Wissenschaftler an: Was ist, wenn „Laura“ künftig den normalen Linienbus nimmt, um einen Großteil ihres Weges zu bewältigen? Um es vorwegzunehmen: Dafür musste „Laura“ eine ganze Menge dazu lernen.
Bis dahin konnte sie zwar programmierte Wege abfahren – aus Sicherheitsgründen war aber immer ein Operator dabei. Das muss nach aktueller Gesetzeslage zwar noch immer so sein, aber eingreifen soll der Mensch möglichst nicht mehr. Ziel des Forschungsprojektes TaBuLa-LOGplus war es jetzt, die Themen Künstliche Intelligenz und „normale“ Transporttechnik miteinander zu verknüpfen. „Laura“ sollte sozusagen sehen lernen. Dadurch wird „Laura“ nicht zur Gefahr für die Umwelt. Ein mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteter Roboter erkennt Menschen und Gegenstände an typischen Konturen, weiß, was eine Tür, ein Gang oder eine Straße ist.
In den Bus ein- und aussteigen: für „Laura“ kein Problem
Das musste „Laura“ nun unter den wachsamen Augen zweier TüV-Mitarbeiter unter Beweis stellen. Busfahrer Andreas Scheske steuerte den Linienbus an den Rand des Fürstengartens. Die Rampe, die normalerweise Rollstuhlfahrern den Ein-und Ausstieg ermöglicht, musste er mit der Hand bedienen. So sind die meisten Busse der VHH ausgestattet. Operator Noel Blunder stand mit seinem Laptop neben dem Einstieg. „Ich könnte aber auch in Brasilien sitzen. Hauptsache ich erhalte das Zeichen, dass ‚Laura“ einfahren kann“, sagte er.
Normalerweise hätte der Busfahrer dieses Signal über ein Tablet an die Leitstelle gesendet. Das Manöver klappte perfekt. Der Roboter fuhr die Rampe hoch und suchte sich einen sicheren Platz. Auch der Ausstieg war für „Laura“ kein Problem. Dann wurde es spannend: Wird „Laura“ erkennen, dass der Gehweg voller Menschen ist? Mit etwa sechs Kilometern pro Stunde fuhr sie auf die angenommenen Fahrgäste an der Haltestelle zu. Doch sie bremste rechtzeitig ab und umfuhr die Gruppe.
Der Mensch behält die Kontrolle über „Laura“
Das Projektteam um Prof. Dr. Heike Fläming war zufrieden. Trotzdem gilt es noch so manche Frage zu klären: Was passiert, wenn der Bus so voll ist, sodass „Laura“ nicht zusteigen kann? Was, wenn sie auf halber Strecke aussteigen muss, etwa weil ein Passagier mit Kinderwagen einsteigen möchte und den Platz braucht? Und können Strukturen des ÖPNV so entwickelt werden, dass autonome Transportroboter der Entlastung des Verkehrssystems dienen?
Auch für Busfahrer Andreas Scheske sind diese Fragen eine „spannende Sache“. Schon bevor die beiden fahrerlosen Kleinbusse in Lauenburg unterwegs waren, hat er sich zum Ausbilder für die Begleiter an Bord qualifizieren lassen. Diese Mitarbeiter der VHH konnten jederzeit per Joystick eingreifen – und mussten es auch das eine oder andere Mal. Angst, dass ihm die neue Technik seinen Arbeitsplatz streitig machen könnte, hat Scheske nicht. „Dass der Personen- und Warentransport in Bussen überall völlig autonom erfolgt, werde ich nicht mehr erleben. Aber vielleicht können so künftig ländliche Gebiete erreicht werden, die heute vom ÖPNV abgehängt sind“, sagte er.
Wie im Science Fiction Film: Wenn der Roboter den Einkauf bringt
Bisher hat sich der Einsatz der autonom fahrenden Busse als nicht wirtschaftlich erwiesen. „Die Anschaffung sowie der Kostenaufwand zur Inbetriebnahme eines jeweiligen Shuttles sind sehr hoch und nicht wirtschaftlich. Die Kosten betragen pro Fahrplankilometer mit den aktuellen Randbedingungen ungefähr das 10-fache eines regulären Busbetriebes eines 12-Meter-Standardbusses“, hieß vor zwei Jahren im Abschlussbericht zum Projekt TaBuLa.
Das Forscherteam der TUHH um Heike Fläming ist davon überzeugt, dass es auch noch eine Zeit dauern wird, bis Transportroboter zum normalen Straßenbild gehören. Es ist ein bisschen wie in einem Science-Fiction-Film: „Laura“ wartet mit anderen Robotern auf einen Bus ohne Fahrer, um den Einkauf, Medikamente aus der Apotheke oder eilige Post zu Bewohnern der umliegenden Dörfer zu bringen. „In zehn Jahren ist das vielleicht ganz normal. Aber bis dahin müssen wir noch eine ganze Menge an Voraussetzungen schaffen“, sagt die Wissenschaftlerin.
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Transportroboter auf der Straße: Noch fehlt der rechtliche Rahmen
Dabei ist es weniger die Technologie, die dem Einsatz von Transportrobotern heute noch Grenzen setzt. Zwar könnte „Laura“ im öffentlichen Raum allein unterwegs sein, sie darf es aber bislang nicht. Ein aufwändiges Genehmigungsverfahren ist nötig, um autonom fahrende Transportroboter auf den Weg zu schicken. Auch der Datenschutz spielt eine Rolle: Was dürfen Lieferroboter im öffentlichen Raum alles „sehen“ und was passiert mit diesen Informationen? Nichtsdestotrotz scheint ihr Vormarsch unaufhaltsam. So prognostiziert das Marktforschungsinstitut Interact Analysis, dass der Markt für Transportroboter in den nächsten fünf Jahren jährlich um bis zu 40 Prozent wachsen wird.
Ob „Laura“ in Lauenburg weiter dazulernen darf, steht derzeit noch in den Sternen. Die Wissenschaftler wünschen sich eine Verlängerung des Projektes. Wie schon bei den beiden Vorgängerprojekten sind auch bei TaBuLa- LOGplus mehrere Partner im Boot. Neben der Technischen Universität Hamburg sind unter anderem die zur Uni gehörenden Institute für Technische Logistik (ITL) sowie für Verkehrsplanung und Logistik (VPL) beteiligt. Das Projekt TaBuLa-LOGplus wird durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr im Rahmen des Programms „Ein zukunftsfähiges, nachhaltiges Mobilitätssystem durch automatisiertes Fahren und Vernetzung“ bis zum Jahresende mit 2,34 Millionen Euro gefördert.