Lauenburg/Boizenburg. Zu DDR-Zeiten tingelte Wolfgang Kniep als niederdeutscher Unterhalter durchs Land. Jetzt kommt er wieder mal nach Lauenburg.

Wolfgang Kniep ist in Lauenburg kein Unbekannter. Der plattdeutsche Autor und Liedermacher aus Leisterförde bei Boizenburg war mit seinen Programmen schon mehrmals zu Gast in der Schifferstadt, aber auch in Büchen. In der neuen Auflage der Veranstaltungsreihe Plattdütscher Harvst (Herbst) am Sonnabend, 2. November, präsentiert er gemeinsam mit der Sängerin Anke Gohsmann das Programm „Besinnen un Smüstern“.

Eigentlich ist das eine Ankündigung, wie viele andere in unserer Zeitung. Und es ist sicher auch nur Zufall, dass der Heimatbund und Geschichtsverein die Veranstaltung in Lauenburg genau eine Woche vor einem historischen Datum geplant hat. Am 9. November 1989 öffnete die DDR die Grenzen nach Westen. Vor 35 Jahren änderte sich auch für Wolfgang Kniep eine ganze Menge. Das Haus seiner Kindheit liegt im ehemaligen Sperrgebiet der DDR-Grenze. Wenn er später seine Eltern besuchen wollte, musste er zuvor einen Passierschein beantragen. Aber auch in anderer Hinsicht verlief das Leben von Wolfgang Kniep bis zur Grenzöffnung alles andere als gewöhnlich.

Den Lehrerberuf an den Nagel gehängt

„Eine Jammergeschichte, wie schlimm es bei uns war, werden sie von mir nicht hören“, stellt der 75-Jährige am Telefon gleich klar. Zu oft habe er erlebt, dass das Leben von DDR-Bürgern in den Medien mit vielen Vorurteilen dargestellt werde – selbst heute noch. „Das fängt schon an, wenn ich erzähle, dass ich 1988 meinen Beruf als Lehrer an den Nagel gehängt habe, um fortan freiberuflich als plattdeutscher Autor und Liedermacher durch die Lande zu ziehen“, erzählt er. Plattdeutsch sei doch in der DDR verboten gewesen, glaubten viele dann zu wissen.

„Sie staunen, wenn ich erzähle, dass die KGD (Konzert- und Gastspieldirektion, die Red.) mir diesen Weg selbst vorgeschlagen hatte“, sagt Kniep. Gezögert hätte er damals keinen Augenblick. „In den mecklenburgischen Dörfern sprach man auch zu DDR-Zeiten platt. Die Betriebe hatten einen Kulturfonds und rissen sich darum, einen Alleinunterhalter zu engagieren, der redete, wie ihnen selbst der Schnabel gewachsen war“, erinnert er sich. Frauentagsfeiern waren damals seine Spezialität. Um Auftritte und Gage hätte sich die KGD gekümmert. Eine unberschwerte Zeit.

Den Ausweis als Unterhaltungskünstler der DDR in der Tasche

Als Wolfgang Kniep seinen Ausweis als Unterhaltungskünstler der DDR in der Tasche hatte, war er 39 Jahre alt. Plattdeutsch hatte er da schon sein ganzes Leben lang gesprochen. Als er nach Armeezeit und Studium wieder in die Nähe des Dorfes seiner Kindheit zog, öffnete ihm das so manche Tür – übrigens nicht nur sinnbildlich. „In der DDR hat man getauscht, was knapp war. Oder gab es unter der Hand weiter. Beziehungen waren alles. Wer bei uns platt schnackte, gehörte dazu“, erzählt er.

Allerdings war Wolfgang Kniep mit damals Mitte 20 als „Plattsnacker“ eher die Ausnahme. Zwar pflegten die Alten ihre Muttersprache, doch anders als seine Eltern gaben nur die wenigsten diese Fähigkeit an die nächste Generation weiter. Wie im westlichen Teil Deutschlands gab es auch in der DDR kaum Lehrer, die Plattdeutsch beherrschten. Das ist heute ja kaum anders. Umso mehr verinnerlichte Wolfgang Kniep die Sprache seiner mecklenburgischen Vorfahren. Er vertonte plattdeutsche Gedichte und begleitete sich selbst auf der Gitarre dazu.

Die Zeit bei den Grenztruppen – ein ungeschminkter Rückblick

Eine heile Welt war das Leben so nahe am Eisernen Vorhang allerdings nicht. Wolfgang Kniep diente von 1972 bis 1974 bei den DDR-Grenztruppen in Lassahn am Schaalsee, unweit seines Heimatdorfes. Auf Befehl hätte er DDR-Bürger an der Flucht hindern müssen, notfalls unter Einsatz der Waffe.

Über diese Zeit hat Kniep ein Buch geschrieben: „Der Eid. Be- und Erkenntnisse eines Grenzers zwischen Ost und West“. Er erzählt darin über seinen Weg in die Grenztruppen, über Erlebnisse im Dienst und erinnert sich an Wahrnehmungen, Überzeugungen und Konflikte. Ein ungeschminkter, persönlicher Rückblick.

An Michael Gartenschläger, erschossen an der innerdeutschen Grenze, erinnert in Leisterförde ein Denkmal.
An Michael Gartenschläger, erschossen an der innerdeutschen Grenze, erinnert in Leisterförde ein Denkmal. © Susanne Holz

Unweit seines Heimatdorfes Leisterförde gibt es heute ein Denkmal. Es ist Michael Gartenschläger gewidmet, der als politischer DDR-Häftling von der Bundesrepublik freigekauft wurde. 1976 hatte er vom Westen aus Selbstschussanlagen mit gefährlichen Splitterminen vom DDR-Grenzzaun abgebaut. Zweimal ist ihm das geglückt. Er konnte damit beweisen, dass die DDR diese offiziell geleugneten tödlichen Waffen verwendete. Beim dritten Versuch, eine weitere Mine abzubauen, wurde er von einem Kommando des Staatssicherheitsdienstes erschossen.

Wolfgang Kniep hat sich mit dafür eingesetzt, dass in der Nähe des einstigen Signalzaunes ein kleines Grenzmuseum und das Denkmal für Michael Gartenschläger entstand. 

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Noch vor der Wiedervereinigung Deutschlands zog Wolfgang Kniep in sein Elternhaus in Leisterförde. Ein Passierschein war ja jetzt nicht mehr nötig. Seit der Grenzöffnung engagiert er sich im Landschaftspflegeverein Mecklenburgisches Elbtal. Und er begann Bücher zu schreiben. 17 Werke sind bisher von ihm erschienen. Für sein Verdienst um die Vermittlung der plattdeutschen Sprache wurde Wolfgang Kniep 2011 mit dem Johannes-Gillhoff-Preis geehrt. Seine literarisch-musikalischen Programme führen ihn seit nunmehr 35 Jahren auch in den westlichen Teil Deutschlands.

Für Verdienste um plattdeutsche Sprache mit Johannes-Gillhoff-Preis geehrt

Seit einigen Jahren tritt er regelmäßig mit der Sängerin Anke Gohsmann auf. Das Duo präsentiert neben eigenen Liedern auch vertonte Texte der plattdeutschen Autorin Ursula Kurz und Reimschwänke des Dichters Rudolf Tarnow. Die musikalische Lesung am Sonnabend, 2. November, beginnt um 15 Uhr in der Lauenburger Mühle (Bergstraße 17). Der Eintritt kostet 5 Euro. Interessierte melden sich bitte bis zum 29. Oktober telefonisch unter 04153/599 08 48 an oder senden eine E-Mail an heimatbund-lauenburg@t-online.de.