Geesthacht. Volle Straßen bei der 6. Kulturnacht in der Innenstadt. 38 Veranstaltungen wurden geboten. An einer Stelle wurde es etwas gefährlich.

„Schade, dass man nicht überall sein kann“, meinte eine begeisterte Passantin zu ihrer Begleiterin. So wie dem Duo ging es bei der sechsten Auflage der Kulturnacht in der Geesthachter Innenstadt am Sonnabend (14. September) vielen Besuchern. Das Programm war einfach zu gut, am liebsten hätte man alles gesehen, dafür war es aber zu viel.

Zum 100. Stadtjubiläum hatte Geesthacht ein vielfältiges Programm auf die Beine gestellt.  An 13 Orten wurden 38 Veranstaltungen geboten. Die Straßen waren rappelvoll. Die Menschen zogen bis in den späten Abend hinein scharenweise von einem Veranstaltungsort zum nächsten. Für jeden Geschmack war etwas dabei. Lesungen, Tanzveranstaltungen, ein Weinfest und vieles mehr erfreute die Besucher, viele reisten auch von außerhalb an.

Geesthachter Kulturnacht lockt zahlreiche Gäste in die Innenstadt

Und erstmals war ein Künstler aus einem Metier zu Besuch, das oftmals im Schutze der Nacht eher heimlich ausgeübt wird: Die Rede ist von Graffiti. Der Hamburger Mikel Godling zeigte tagsüber in einem Workshop, wobei es beim Sprayen ankommt. „Im Grunde ist es egal, ob die Farbe teuer oder günstig ist. Das Wichtigste ist, den richtigen Druck auf die Dose zu bringen, sodass nicht zu viel oder zu wenig herauskommt. Das kann man gut auf einer alten Pappe ausprobieren“, erläuterte der 54-Jährige.

Auch wenn er auf Höhe der ehemaligen Schlachterei Voss mitten auf der Straße Position bezogen hat, wurden natürlich lediglich Leinwände und keine Hausmauern mit einem bunten Graffito verschönert. Er selbst sprayt, seit dem 17. Lebensjahr. Sein Geld verdient er inzwischen als freischaffender Künstler. Vor Kurzem hat er zum Beispiel für Stromnetz Hamburg gearbeitet und zum Thema Energie Farbe auf die Wände gebracht.

Großer Andrang bei Lena Inter und ihrem Jazz Projekt im Lilie Hof

Ein paar Meter weiter roch es köstlich nach Gegrilltem. Rene Breitbach bot im Curry Pavillon ein American BBQ aus seinem Smoker an. Mariniert hat er natürlich alles selbst. Auch BBQ kann eine Kunst sein.

Lena Inter und ihr Jazz Projekt begeisterten im Lilie Hof.
Lena Inter und ihr Jazz Projekt begeisterten im Lilie Hof. © Denise Ariaane Funke | Denise Ariaane Funke

Im Lilie Hof hatte sich zwischenzeitlich eine Menschentraube gebildet. Dort war die aus Geesthacht stammende Sängerin Lena Inter mit ihrer Band Jazz Projekt zu erleben. Die Zuschauer standen fast bis in die Bergedorfer Straße hinein, einige hatten es sich auf der Metalltreppe im Innenhof gemütlich gemacht. „Kommt doch näher heran“, rief die Sängerin. Kurz darauf hatten alle den Blick auf die Combo und erlebten feine Jazz Arrangements, so wie „Fly me to the Moon“.

„Morden in der Menopause“: Tine Dreye im Krügerschen Haus

Derweil zog Helmut Knust vom Heimat- und Geschichtsverein mehrmals mit etwa zehn Leuten im Schlepptau durch die Stadt. Der Experte für die Geesthachter Geschichte erzählte auf kurzen Führungen von der Tourist-Information bis zur St.-Salvatoris-Kirche beispielsweise, dass die Kirche mit Baujahr 1684 das älteste Gebäude und das Krügersche Haus, errichtet um 1700, das älteste Wohnhaus der Innenstadt ist.

In beiden Gebäuden tobte am Abend ebenfalls das Leben. In der Kirche riss eine Mischung aus Flamencotanz und klassischer Musik mit, im Krügerschen Haus hielt Autorin Tine Dreyer eine Lesung aus ihrem Buch „Morden in der Menopause“. Wie das geht, wollten viele wissen. Alle Stühle waren besetzt.

Die ausgelassene Stimmung setzt sich außerhalb der City fort

Die ausgelassene Stimmung setzte sich bis zur Friedenskirche fort, an der Querstraße, etwas außerhalb der Innenstadt gelegen. Vor vollbesetzten Bankreihen animierte der Hamwarder Chor Fresh Old Gospels die Zuschauer zum Mitklatschen und Singen. Der Gesang und die gute Stimmung waren bis nach draußen zu hören.

Der Geesthachter Arne Arnold freute sich über das breitgefächerte Angebot der Kulturnacht. „In den Straßen ist richtig was los. Am besten gefiel mir die persische Singer-Songwriterin Sonistic“, sagt der 39-Jährige, der sich auch die Hip-Hop-Performance vor der Kreissparkasse und das Duo Coloured Mood, das mit Piano und Chansons die Zuschauer im Bann hielt, anschaute.  

Bürgermeister Olaf Schulze regelt kurzerhand den Verkehr

Bürgermeister Olaf Schulze fungierte kurz als „Ordnungshüter“. Damit keiner der Passanten unter die Räder kam, regelte der Verwaltungschef kurzerhand den Straßenverkehr an der Kreuzung Buntenskamp, Ecke Bergedorfer Straße. Dort war nämlich die Trommel-Gruppe Fogo do Samba unterwegs.

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Die heißen brasilianischen Rhythmen versprühten enorme Lebensfreude. Kein Wunder also, dass viele Dutzend Menschen der trommelnden Gruppe folgten. Auf den Straßenverkehr achtete vor Begeisterung der eine oder andere dabei nicht. Den Part übernahm der Bürgermeister dann höchstpersönlich.

Sambatrommler bekommen Weinspende vom Winzer persönlich

Vor dem KTS angefahren zu werden, diese Angst indes musste niemand haben. Die Schillerstraße war hier autofrei. Aus gutem Grund: Vor dem Kino herrschte feuchtfröhliche Stimmung. Das KTS, die Plattsnacker der Niederdeutschen Volksbühne und die Winzerfamilie Schauf luden zum gemütlichen Weinfest ein. Auf der abgesperrten Straße standen Bierzeltgarnituren, Weinfässer und kleine Pavillons. Alle Sitzgelegenheiten waren belegt. Die Besucher ließen sich die Tropfen aus Rheinland-Pfalz reichlich schmecken.

Winzer Peter Schauf (4. v. l.) veranstaltete gemeinsam mit dem KTS und der Niederdeutschen Volksbühne zum zweiten Mal ein Weinfest in Geesthacht.
Winzer Peter Schauf (4. v. l.) veranstaltete gemeinsam mit dem KTS und der Niederdeutschen Volksbühne zum zweiten Mal ein Weinfest in Geesthacht. © Denise Ariaane Funke | Denise Ariaane Funke

„Hier ist wie immer der Dreh- und Angelpunkt“, meinte der Geesthachter Klaus Böhn. Marcel Jammer, Chef der Theatergruppe, und die Vizevorsitzende Andrea Behrens spendierten gemeinsam mit Winzer Peter Schauf den Samba-Trommlern gut gefüllte Gläser. „Trommeln macht bestimmt durstig“, befand der Winzer aus Gunsterblum, der noch in der Nacht die 555 Kilometer zurück nach Hause fuhr, um am Sonntag bei der Weinlese zu helfen.