Lauenburg. Historische Ansichten zeigen „Handel und Wandel“ in Lauenburg. Eine besondere Geschichte rankt sich um die Kaufmannsfamilie Alexander.
Der neue historische Kalender des Heimatbundes und Geschichtsvereins erzählt viele Geschichten über die Zeit, in der Lauenburg ein Einkaufsparadies war. Ein kurzer Absatz unseres Artikels widmete sich dem Kaufmann Samuel Alexander, der seit 1902 an der Elbstraße 115 ein gut gehendes Konfektionsgeschäft betrieb.
Im Jahre 1937 zwangen die Nationalsozialisten den jüdischen Kaufmann, sein Geschäft zu schließen. Damit verlor sich die Spur für uns zunächst. Doch dank der Hamburger Initiative „Stolperstein“ und der Recherchen des Heimatbundes und Geschichtsvereins können wir die Geschichte von Samuel Alexander und seiner Familie in Lauenburg weitererzählen.
Samuel Alexander, ein angesehener Geschäftsmann in Lauenburg
Samuel Alexander war ein in Lauenburg angesehener Geschäftsmann. Das Monatsblatt Juli des neuen Kalenders zeigt das für damalige Verhältnisse große Geschäftshaus an der Elbstraße 115. Das im Jahre 1899 errichtete Kaufhaus blühte erst mit der Übernahme durch ihn drei Jahre später so richtig auf.
Samuel Alexander war dafür bekannt, seine Kundschaft stets in Gehrock, Zylinder und weißen Handschuhen zu bedienen. Stets geschäftstüchtig legte er Wert darauf, der geneigten Kundschaft hochwertige Waren für jeden Geldbeutel anzubieten und der Konkurrenz ein Schnippchen zu schlagen.
Nach 1933: Die Repressalien gegen den jüdischen Kaufmann nehmen zu
Samuel Alexander liebte das hohe Ansehen, das seine Familie in Lauenburg genoss. Seine Frau Rosalie gebar ihm sieben Kinder, von denen drei womöglich früh verstarben. Die älteste Tochter hieß Bertha. Ihr weiteres Schicksal ist am genauesten belegt. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 änderte sich auch das Leben der jüdischen Kaufmannsfamilie in Lauenburg. Im Jahre 1937 musste Samuel Alexander das Konfektionsgeschäft in der Unterstadt zwangsweise schließen.
Von der ehemals treuen Kundschaft wurde die einst so verehrte Familie plötzlich geschnitten. Die Alexanders wurden gezwungen, ihre Besitztümer zum Schleuderpreis in Lauenburg zu verkaufen. Die Repressalien gegen Juden setzten dem Ehepaar immer mehr zu. Tochter Bertha war mittlerweile nach Hamburg verzogen und hoffte, in der Großstadt von Anfeindungen verschont zu bleiben.
Ehepaar Alexander zieht nach Hamburg – Lauenburg meldet sich „judenfrei“
Samuel und Rosalie Alexander, beide mittlerweile Anfang 70, wollen Lauenburg auch verlassen. Die Geheime Staatspolizei verlangte Informationen über Familie Alexander für eine „lückenlose Überwachung“. 1939 packte das Ehepaar die paar Habseligkeiten, die ihnen noch geblieben waren, zusammen und zog in die Nähe ihrer Tochter nach Hamburg. Daraufhin meldete sich die Stadt Lauenburg offiziell als „judenfrei“.
Von ihrer Tochter hörten die Alexanders lange Zeit nichts. Sie wussten nur, dass sie zuletzt in einem Hamburger Privathaushalt als Unterstützung angestellt worden war. In großer Sorge schrieb die Mutter im Mai 1942 an die zwei jüngeren Töchter, die schon 1939 ins Ausland emigriert waren: „Wir sind gesund, aber schwere Sorgen wegen Bertha. Seit Oktober ohne jegliche Nachricht.“
Mutter und Tochter in Vernichtungslager verschleppt und ermordet
Was die Eltern damals nicht wussten, Bertha wurde am 25. Oktober 1941 in das Ghetto Lodz deportiert. Dort war sie alten Unterlagen zufolge unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht. Am 4. Mai 1942 erhielt sie dann den „Aussiedlungsbefehl“. Mit diesem zynischen Begriff verschleierte die Gestapo den Transport ins Vernichtungslager Chelmno. Vermutlich war das auch der Todestag von Bertha Alexander.
Samuel Alexander starb im Juni 1942 im Alter von 76 Jahren in Hamburg. Seine Witwe Rosalie wurde vier Wochen später, am 15. Juli 1942, ins Ghetto Theresienstadt verschleppt und zwei Monate später im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Nur drei Kinder des Ehepaares entkamen dem Holocaust, da sie schon 1939 nach England beziehungsweise in die USA ausgewandert waren.
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Stolperstein für Bertha Alexander liegt in Hamburg
Anlass die Geschichte der Lauenburger Kaufmannsfamilie Alexander zu erforschen war die Aktion Aktion „Stolperstein“ in Hamburg. Vor diesem Arbeitskreis hatte Lauenburger Heimatbund und Geschichtsverein eines Tages einen Brief bekommen: „Wir beschäftigen uns mit dem Schicksal der in Hamburg oder von Hamburg aus Verfolgten des NS-Regimes. Sie kennen sicherlich die Stolperstein-Initiative, die bundesweit den im Dunkeln der Geschichte verschwundenen Menschen wieder eine Stimme und ein Gesicht geben will.“
Der Stolperstein für Bertha Alexander liegt, in Erinnerung an sie, in der Brahmsallee 11. Ihr Schicksal und das ihrer Familie wurde in der Reihe „Biographische Spurensuche“ der Landeszentrale für politische Bildung in Hamburg veröffentlicht.