Lauenburg. Der Kalender des Heimatbund und Geschichtsvereins erzählt Geschichten aus einer Zeit, in der die Stadt ein Einkaufsparadies war.
Viele geschichtlich interessierte Bewohner der alten Schifferstadt Lauenburg, aber auch die sogenannten „Butenlauenburger“, die das Schicksal in alle Welt verschlagen hat, warten schon darauf: Der Kalender 2025 des Heimatbund und Geschichtsvereins liegt druckfrisch auf dem Tisch. Natürlich traditionell mit historischen Stadtansichten auf jedem Monatsblatt. Diesmal haben sich die Heimatforscher einem besonderen Thema zugewandt: „Handel und Wandel in Lauenburg“
Es gab Zeiten, da galt es als schick, einen Einkaufsbummel in Lauenburg zu machen. Ältere Bewohner der Schifferstadt schwärmen noch heute vom legendären Kaufhaus Burgdorff, von Eisen-Heinrich oder dem Schuhhaus Buer, in dem es immer die neusten Salamander-Modelle gab. Viele alte Aufnahmen von Lauenburger Geschäften hat der Heimatbund und Geschichtsverein in seinem Fundus. Das ist kein Wunder, schließlich inszenierten sich die Geschäftsleute gern selbst auf diese Weise, eine bessere Werbung gab es ja damals kaum.
Lauenburg: Kalender 2025 des Heimatbund und Geschichtsvereins
Heute kaum zu glauben, aber bis in die 1960er-Jahre war die Unterstadt das Zentrum des geschäftlichen Treibens. Doch wer weiß heute noch, wo Thams & Garfs, Kaisers Kaffee und Fisch-Brügmann ihre Läden hatten? Bei Kröger-Heuer konnte man Kunstgewerbe kaufen. Herrenanzüge gab es bei Bleyer, Damenmode bei Oberbekleidung Kampff, Lederwaren bei Dankert, Zylinder im Hutgeschäft Feit, Strickwolle bei Flemming.
Selbst die neuste Mode und feine Seifen konnte man in der Unterstadt kaufen, was die Elbstraße zur beliebtesten Einkaufsmeile der ganzen Umgebung machte. Überliefert ist die Geschichte des Bauern Hermann aus Lütau. Wenn der seine Hilde groß ausführen wollte, spannte er die Pferde ein und fuhr mit Gattin und dicker Brieftasche nach Lauenburg.
Historischer Kalender: Heimatgeschichte unterhaltsam verpackt
Im Stappenbeck spannte er die Rösser aus und genehmigte sich das eine oder andere Bier, denn er wusste, wenn seine Angetraute in der Lauenburger Unterstadt unterwegs war - das konnte dauern. Hilde traf sich mit einer alten Schulfreundin zum Schnack im Café Peters, ließ sich dann bei ihrem Lieblingsfriseur August Cirpinski die Haare ondulieren und kam wie immer nicht an den neusten Pumps von Salamander vorbei.
Solche Anekdoten erzählt Horst Eggert vom Heimatbund und Geschichtsverein während seiner Vorträge über die Zeit, in der Lauenburg noch ein Einkaufsparadies war. Selbst von den Schrullen der Ladenbesitzer weiß er zu berichten. Für den neuen Kalender hat er wieder die Texte geschrieben. Und so ist auch der gespickt mit vielen unterhaltsamen Geschichten.
Nationalsozialisten schließen jüdisches Kaufhaus in Lauenburg
Doch manchmal liegen Komik und Tragik nah beieinander. Das Monatsblatt Juli zeigt ein für damalige Verhältnisse großzügiges Geschäft. 1902 war es von Samuel Alexander eröffnet worden. Der galt als elegante Erscheinung, hatte aber auch den Schalk im Nacken. Jeden Morgen fegte er mit Zylinder auf dem Kopf und weißen Handschuhen die Straße vor seinem Geschäft.
Einmal sollen ihn Reisende gefragt haben, ob alle Lauenburger Straßenfeger so vornehm gekleidet seien. Schlagfertig seine Antwort: Ja, er gehöre zur Straßenfeger-Gilde. 1937 schlossen die Nationalsozialisten das Geschäft des jüdischen Kaufmanns. Was aus Samuel Alexander wurde, ist nicht bekannt.
In Puschen zum Schlachter, den Schnack gab es gratis dazu
Egal, ob man nur mal schnell Milch kaufen wollte oder die Zigarren ausgegangen waren - kein Bewohner der Unterstadt musste dazu extra über die Fährtreppe nach oben kraxeln. „Man lief in Puschen rüber zum Schlachter und erfuhr nebenbei den neusten Klatsch“, erzählt Horst Eggert.
Im heutigen Brau- und Brennhaus hatte seit Anfang des 20. Jahrhunderts Heinrich Burmester sein Geschäft. Er vertrieb hier den guten Tabak, der damals in der Lauenburger Feldmark angebaut wurde. Am Hause stand geschrieben: „Tabackspinnerey (soll) dem Lande nützlich werden und den armen Leuten wie Kindern, so dabey arbeiten, zum besten gereichen.“
Berliner Edelgeschäft eröffnet Filiale in Lauenburg
Was war das für ein Ereignis, als 1928 Kaiser‘s Kaffee an der Elbstraße 80 eine Filiale eröffnete. Das Monatsblatt Mai zeigt das Geschäft und die Auslagen in den großen Schaufenstern. Das Berliner Kolonialwarengeschäft war bekannt dafür, dass es Geschäfte nur in besten Stadtlagen bezog. Allein das spricht dafür, dass Lauenburg damals als Einkaufsstadt einen guten Namen hatte. Kaffee, Tee, Kakao, Schokolade und Pralinen – hier gab es alles, was feine Gaumen liebten. Natürlich durfte das Werbeschild mit der berühmten Kaffeekanne nicht fehlen.
Mit dieser „heilen Welt“ war es Ende der 50er-Jahre vorbei, als in der Oberstadt der Bauboom begann. „Die Leute hatten keine Lust, für jeden Einkauf den beschwerlichen Weg in die Unterstadt und wieder zurück zu nehmen“, sagt Horst Eggert. Dies hätte leider zur Folge gehabt, dass die kleinen „Tante-Emma-Läden“, aber auch die größeren Geschäfte in der Elbstraße nach und nach aufgeben mussten.
Die Wiege der Edeka Nord steht in Lauenburg
Nicht jedem ist bekannt: Die Wiege der Edeka Nord steht in Lauenburg. Im September 1919 wurde die „Einkaufsgenossenschaft deutscher Kaufleute“ hier gegründet. Noch im selben Jahr richteten die 34 Gründungsmitglieder die ersten Lagerräume in der Elbstraße 16 ein. Nur ein Jahr später kaufte die Genossenschaft von Brennereibesitzer Theodor Stolte das Grundstück Elbstraße 70-74. Aus alten Unterlagen geht hervor, dass dafür 100.000 Mark über den Tisch gingen.
Nachdem auch Edeka in die Oberstadt an den Büchener Weg gezogen war, übernahm Kaufmann Albert Heinrich das verwaiste Geschäft. Das Monatsblatt Dezember zeigt die weihnachtlich dekorierten Schaufenster. Mit gleich vier Sonderseiten erscheint die Lauenburgische Landeszeitung am 6. Dezember 1956. Kein Wunder, die zahlreichen Geschäfte der Unter- und der Oberstadt wollen die Kunden an den bevorstehenden verkaufsoffenen Sonntagen in die Läden locken.
Sammeltassen für die Dame, für den Gatten einen Schal
Fast 80 Geschäfte und Unternehmen übertreffen sich gegenseitig darin, die Kunden im Weihnachtskaufrausch anzusprechen. Die Lust darauf scheint in diesen Tagen auch in Familien ausgebrochen, bei denen das Geld nicht so locker sitzt: Perlonstrümpfe für 2,95 D-Mark empfiehlt das Textilhaus Burgdorff dem sparsamen Ehemann, einen Mohair-Schal für 5,50 DM kann die Gattin ihm auf den Gabentisch legen.
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Wer es noch preiswerter mag, dem sei ein Besuch bei Eisen-Heinrich empfohlen: Hier gibt es Sammeltassen für 1,85 DM und Schnapsgläser für 10 Pfennig. Das Seifenhaus Hansa wirbt mit einem Probestück Gesichtsseife pro Einkauf. Ein paar Geschenktipps gibt es noch gratis dazu: Wie wäre es mit einem Plättbrett für die Dame und einem edlen Duft für den Herrn?
Kalender weckt Lust auf eine Zeitreise ins alte Lauenburg
Der neue Kalender des Heimatbund und Geschichtsvereins weckt die Lust auf eine Zeitreise. Der Vereinsvorsitzende Manfred Maronde hat Hunderte Schwarzweißfotos gesichtet und eine Auswahl getroffen. Bewusst hat er auf eine zeitlich chronologische Ordnung der historischen Fotos verzichtet. Das lässt Spielraum für eigene Recherchen oder gar Erinnerungen.
Den Kalender gibt es zum Preis von 10 Euro in der Touristinformation (Elbstraße 59), beim Altstadtfriseur (Elbstraße 121) in der Postagentur Deko for Seasons (Berliner Straße 17-25) sowie im Kiosk Franck (Reeperbahn 9).