Geesthacht. Neuer Zaun wird für Rehfamilie zur Falle, ein Tier verdurstet und verhungert qualvoll. Aber es gibt auch eine gute Nachricht.

Mittwoch, 7. August – ein Tag, der den Mitarbeitern der Geesthachter Städtischen Betriebe mit Sicherheit noch sehr, sehr lange im Gedächtnis bleiben wird. Wer dabei war um kurz vor 11 Uhr beim Einsatz am Richtweg, dürfte eine schreckliche halbe Stunde erlebt haben.

Es ging um die Bergung des toten, seit einer Woche verwesenden Rehs von einem verwilderten Grundstück zwischen Richtweg und Siedlerweg. Auch ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes war vor Ort.

Mitarbeiter der Städtischen Betriebe bergen verwesendes Reh von Grundstück

Zwei Fahrzeuge fuhren am Vormittag vor. Die fünf Männer, die ausstiegen, trugen ihre normale, orangefarbene Arbeitskluft. Nichts schützte ihre Nasen vor der Wucht des Leichengestanks. „Die wären fast in Ohnmacht gefallen, einer bekam Würgereize“, berichtet Anwohner Frank Böhmke, der die Bergungsaktion verfolgte.

„Der Gestank zog mittlerweile den halben Siedlerweg hoch, das war noch 500 Meter entfernt zu riechen. Eine furchtbare Mischung aus süßlich und faulig, einfach widerwärtig. Das hast du nicht ausgehalten“, schildert er den Anschlag auf die Riechnerven.

Die kleine Rehfamilie war durch den Zaun ohne Nahrung eingeschlossen

Die Gärten am Richtweg und Siedlerweg werden oft von Rehen besucht. Durch einen neuen Zaunbau wurde eine Rehfamilie jetzt eingeschlossen, eine Ricke starb.
Die Gärten am Richtweg und Siedlerweg werden oft von Rehen besucht. Durch einen neuen Zaunbau wurde eine Rehfamilie jetzt eingeschlossen, eine Ricke starb. © privat | Privat

Frank Böhmke war es, der zusammen mit seinem Nachbarn Stephan Meißner und einem Gärtner am vergangenen Freitag, 2. August, zwei von drei Rehen rettete. Die kleine Rehfamilie war durch den Bau eines Zaunes wochenlang auf dem unwirtlichen Grundstück eingesperrt gewesen. War ihre Anwesenheit auf dem unübersichtlichen Areal nicht bemerkt worden?

So blieben sie viele Tage lang ohne Zugang zu ausreichend Nahrung, ohne Wasser. „Nur im Swimmingpool gab es einen winzigen Rest extrem fauligen Wassers“, hat Frank Böhmke bei der Rettung bemerkt. Sein Gärtner hatte ihm von dem Tierdrama ganz in der Nähe berichtet.

Der Bergungstrupp musste sich den Weg zur toten Ricke erst freischneiden

Der Grundstückseigentümer soll im Urlaub sein, also bauten die drei ein Zaunelement aus, befreiten ein Jungtier sowie den abgemagerten Rehbock aus einem Dornengestrüpp. Die beiden trollten sich anschließend in den Wald. Die Ricke aber war tot, sie hatte sich sterbend tief in die Brombeerhecke zurückgezogen.

Den Weg dorthin musste sich der Bergungstrupp nun erst freischneiden. Dann wurde der Tierleichnam in eine Tonne geladen und zum Verwerter gefahren. „Die entstandenen Kosten werden dem Grundstückseigentümer in Rechnung gestellt. Das Ganze lief im Rahmen einer sogenannten Ersatzvornahme, weil der Grundstückseigentümer nicht vor Ort war“, heißt es von der Stadtverwaltung.

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Frank Böhmke klapperte die Nachbarschaft ab, fragte nach den anderen Rehen

Aber es gibt auch eine gute Nachricht. Dem Jungtier geht es gut. Es gab Befürchtungen, dass es ohne seine Mutter nicht überleben kann. „Das kleine Reh war am Wochenende auf einem Grundstück im Siedlerweg, hat gefuttert und getrunken“, erzählt Frank Böhmke.

Das hätten ihm die Anwohner erzählt. Das Schicksal der beiden überlebenden Tiere hatte ihm keine Ruhe gelassen. Er klapperte die Nachbarschaft ab, fragte, ob jemand die Rehe gesehen hatte. Die Tiere kommen normalerweise oft aus dem Stadtwald herüber und besuchen die Gärten. Frank Böhmke ist fest überzeugt: „Wenn das kleine Reh es geschafft hat, dann wird der Bock auch durchkommen.“