Geesthacht. Ein- oder zweigleisig? Akkuzüge oder Oberleitung? Für Geesthachts Bahnanbindung spielt eine andere Frage die wichtigere Rolle.
Der Bau einer Brücke für die geplante Geesthachter Umgehungsstraße „verhindert zweites Gleis für Bahnanschluss“ hatte unsere Zeitung über Befürchtungen von Bahnexperten und Politikern berichtet. Die fehlende Durchfahrtsbreite für ein zweites Gleis zwischen Geesthacht und Bergedorf ist keineswegs das einzige Problem. Dazu kommen befürchtete Verzögerungen durch die Forderung der AKN, die Strecke zwischen Geesthacht und Bergedorf zu elektrifizieren, obwohl nach aktuellem Stand für den Betrieb auf dem Abschnitt Akku-Züge wahrscheinlich sind.
Unklar ist aber vor allem, wo in Zukunft Züge aus Geesthacht Platz im total überlasteten Hamburger Hauptbahnhof finden sollen. Eine kurzfristig realisierbare Lösung ist inzwischen vom Tisch.
Deutsche Bahn: Kein Platz für Geesthachter Regionalzüge in Hamburg?
Von Experten war immer wieder angedeutet worden, das Platzproblem in Deutschlands größtem Bahnhof lasse sich möglicherweise leicht lösen. Niedersachsen hatte schon vor rund fünf Jahren einen Vorstoß unternommen, Regionalzüge aus Deutschlands flächenmäßig zweitgrößtem Bundesland nicht alle in Hamburg enden zu lassen. Sie sollten in der Regel weiter Richtung Norden rollen.
Verfahre man umgekehrt mit Zügen aus Schleswig-Holstein Richtung Süden und verknüpfe man die bislang jeweils in Hamburg endenden Verbindungen, würde nicht nur die Zahl der Züge in etwa halbiert. Die Regio-Verbindungen würden weit weniger Bahnsteigkapazitäten im Hauptbahnhof blockieren. So könne Platz für weitere Verbindungen geschaffen werden.
Elf Regionalbahnen verstopfen Hamburgs Hauptbahnhof
Das ist mehr als eine Kleinigkeit. In Hamburg enden nicht weniger als elf Regionalbahnverbindungen aus den Nachbarländern und Bremen. Im Regelfall handelt es sich um 13 Züge in der Stunde je Richtung. In besonders kritischen Hauptverkehrszeiten verdoppelt sich die Zahl auf 25 Halte in der Stunde.
Voraussichtlich wird es jedoch beim Anachronismus bleiben, dass Hamburgs Hauptbahnhof weiter als Kopfbahnhof für die Regionalzüge wirkt. Wo in Deutschland zweistellige Milliardensummen verbaut werden, um noch bestehende Kopfbahnhöfe durchgängig zu machen, wie etwa in Stuttgart, soll es an der Elbe beim alten Zustand bleiben.
Koppelung von Regionalzügen: Gutachter sehen kaum Vorzüge
Eigentlich hatte ein in Auftrag gegebenes Gutachten bereits Ende 2020 vorliegen sollen. Mit dreieinhalb Jahren Verspätung wurden die Ergebnisse jüngst präsentiert. Das Ergebnis ist ernüchternd. „Die Deutsche Bahn und das beauftragte Beratungsunternehmen sehen beim Thema Linienverknüpfung viele Nachteile und nur wenig Vorzüge“, so Bahnexperte Christian Hinkelmann von nahverkehrhamburg.de.
„Den zusätzlichen Risiken durch die Durchbindungen steht unter den aktuellen und mittelfristigen Randbedingungen kein angemessener Nutzen gegenüber“, heißt es in einer Bahn-Präsentation, die im Verkehrsausschuss der Hamburger Bürgerschaft vorgestellt wurde.
Mittelfristig sehen Bahnexperten wie Gerhard Boll (BUND) dennoch die Chance, für Regionalzüge aus Geesthacht Platz zu schaffen. Eine Möglichkeit sei, Güterzüge, die Hamburgs Hauptbahnhof nur durchfahren, um ihn herumzuleiten. Allerdings wird ihre Zahl mit Fertigstellung des Fehmarn-Belt-Tunnels zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein insgesamt deutlich steigen, prognostizieren die Planer.
Bahnexperte: Güterzüge müssen raus aus dem Hauptbahnhof
Kurzfristige Verbesserungen kann aus Sicht des Geesthachter Grünen der Ausbau der S4 Richtung Bad Oldesloe bieten. „Der Bau geht zügig voran. Mit der Fertigstellung können Regionalzüge aus Bad Oldesloe und Bargteheide entfallen, die bislang im Hamburger Hauptbahnhof halten“, gibt sich Boll zuversichtlich.
Einen dauerhaften Verzicht auf eine Elektrifizierung der AKN-Strecke zwischen Geesthacht und Bergedorf sieht Boll zwiespältig: Dass die Bahn in der Vergangenheit zu wenig Energie und Geld in moderne Strecken in Schleswig-Holstein gesteckt habe, erweise sich immer mehr als Riesenproblem. „Es stimmt, die Elektrifizierung ist teuer.“
Elektrifizierung: „Teuer, aber notwendig“
Doch für die Verbindung von Geesthacht über Bergedorf nach Hamburg „ist sie auf Dauer sehr wichtig. Sie ist eine Voraussetzung dafür, dass später Regionalzüge getrennt werden können. Ein Teil kann dann nach Geesthacht rollen, der andere über Schwarzenbek Richtung Büchen“.
Stephan Jersch, Bürgerschaftsabgeordneter der Linken aus Bergedorf, will nicht ausschließen, dass für die Trasse Richtung Geesthacht eine Elektrifizierung auf sich warten lassen wird – wenn diese überhaupt realisiert wird. „Schleswig-Holstein sagt, das Land ist bei der Nutzung von Akkuzügen weit vorn.“ Nicht auszuschließen also, dass diese künftig bis Hamburgs Hauptbahnhof rollen sollen.
Verbindung funktioniert auch mit Akkuzügen
Jersch: „Nachdem ich in einem solchen Zug mitgefahren bin, haben mir Experten gesagt, Fahrgäste bemerken den Übergang von Akku-Betrieb auf externe Stromversorgung in modernen Zügen gar nicht.“
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Ob also eigenständige Regionalzüge die Anbindung Geesthachts an den Hamburger Hauptbahnhof später einmal sicherstellen werden, oder ob Akkutriebwagen über Bergedorf hinaus Richtung Innenstadt rollen, lasse sich derzeit nicht sicher sagen. „Wir wollen warten, was Ende des Jahres auf den Tisch kommt.“
Sicher sei aber eines: „Wir kommen nur Schritt für Schritt voran“, so der Bürgerschaftsabgeordnete. Zunächst einmal müsse geklärt werden, dass für diese zusätzlichen Züge auch Platz im Hauptbahnhof sei. Und auf welcher Trasse sie den Hauptbahnhof erreichen.
Gefährdet Kieler Spardiktat Geesthachts Bahnanbindung?
Ein weiterer Punkt ist die Finanzierung. Jersch: „Die Kieler Landesregierung kürzt jetzt schon bei den bestehenden Regionalbahnverbindungen.“ Angesichts der behaupteten Finanzierungslücke von bis zu 60 Millionen Euro jährlich hätten „millionenschwere Brückenbauwerke“ auf dem Weg nach Hamburg mit Sicherheit Auswirkungen auf die Entscheidung, was realisiert werde.