Wentorf. Wenn die Müllabfuhr in den Reinbeker Weg kommt, bangt Friederike Tiede um Passanten und Rolli-Fahrer. Anwohner fordern mehr Sicherheit.
Wer als Radfahrer den Reinbeker Weg nutzt, muss entweder lebensmüde oder besonders mutig sein. „Killer- oder Abschussrampe“ haben Radfahrer die stark befahrene Verbindung zwischen Wentorf und Reinbek getauft, auf der sie sich alles andere als sicher fühlen. Dran ändere auch der 90 Zentimeter breite Fahrradschutzstreifen auf der einen Fahrbahnseite nichts, hat die ADFC-Ortsgruppe Reinbek/Wentorf bereits vor zwei Jahren kritisiert. Der Schutzstreifen schütze die Radler nämlich nicht davor, dass ihnen Autos gefährlich nah kommen oder sie gar von der Fahrbahn gedrängt werden. Denn bei Überholmanövern können die Autos den Mindestabstand von zwei Metern auf der engen Straße nicht einhalten, insbesondere bei Gegenverkehr nicht. Und davon gibt es auf der stark frequentierten Landesstraße reichlich.
Der Wentorferin Friederike Tiede weiß genau, was mit Killerrampe gemeint ist. Seit Jahren ist der 64-Jährigen die Sicherheitslage auf dem Reinbeker Weg ein Dorn im Auge und dabei hat die Anwohnerin nicht nur die Radfahrer im Blick. „Auch Fußgänger und Rollstuhlfahrer leben hier gefährlich“, sagt Tiede. Denn der kombinierte Geh- und Radweg auf der rechten Seite Richtung Wentorf sei mit seinen nicht einmal zwei Metern viel zu schmal und entspricht damit kaum den Mindestanforderungen von 2,50 Meter Breite.
Wentorf: Reinbeker Weg ist für Fußgänger lebensgefährlich
Zweimal in der Woche aber werde er zu einem echten Lebensrisiko, wenn zusätzlich die Mülltonnen zur Abfuhr auf den Gehweg geschoben werden. „Dann bleiben nur noch wenige Zentimeter und es wird richtig eng“, sagt Tiede. So eng, dass eine Rollstuhlfahrerin vor einigen Tagen keine Chance hatte, vorbeizukommen. Gegenüber der Einmündung An der Hege, dort, wo der Reinbeker Weg abknickt, stand die Frau hilflos in ihrem Rolli auf dem Fußweg. Auf die viel befahrene Straße auszuweichen, ist keine gute Idee, die Autos kommen mit Tempo 50 um die Kurve geschossen. Die mobilitätseingeschränkte Frau hatte Glück, dass Tiede dazukam, die die Tonnen beiseite schob und sich dann an die Redaktion wandte, um über den Missstand zu informieren.
Bis heute kann die Wentorferin nicht verstehen, dass bei den Sanierungsarbeiten der Straße in den Jahren 2000 sowie in 2017, versäumt wurde, die Belange aller Verkehrsteilnehmer ausreichend zu berücksichtigen. „Der Platz ist zwar begrenzt, aber man hätte beispielsweise mit Verschwenkungen arbeiten können.“
Tempo 30 würde die Lage entschärfen
Zudem gebe es ihrer Meinung nach zu wenig Querungshilfen. Die einzige ist an der evangelischen Kirche. Danach kommt nichts mehr. „Doch wie sollen die über die Straße kommen, die an der Bushaltestelle Hochweg aussteigen?“, fragt Tiede. Die haben eigentlich keine Chance, die Straße sicher zu überqueren – ein Grund, warum ihre Enkelkinder immer eine Haltestelle früher aussteigen sollen. „Für mehr Sicherheit würde auch die Einführung von Tempo 30 sorgen“, sagt Tiede. Eine Forderung, die schon seit zwei Jahren im Raum steht und um dessen Umsetzung sich die Gemeinde bereits mehrfach bemüht hat.
„Bislang ohne Erfolg“, sagt Wentorfs Bürgermeisterin Kathrin Schöning. Denn die Entscheidung liegt nicht in den Händen der Gemeinde, sondern beim Kreis, der für die Landesstraße die Verkehrsaufsicht hat und damit für die verkehrsrechtlichen Anordnungen wie Tempolimit und Querungshilfen zuständig ist. „Wir sperren uns dagegen aber nicht, sondern sind bei den Entscheidungen an die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung gebunden“, sagt Tobias Frohnert, Sprecher des Kreises Herzogtum Lauenburg, der den Wunsch der Wentorfer durchaus verstehen kann.
Auch interessant
- Aldi in Börnsen wird größer, heller und nachhaltiger
- Geesthacht: After-Work-Party mit Live-Musik – Feierabend mal anders
- Nächstes Geschäft: Schuh Armbruster in Schwarzenbek schließt
Es ist zu laut, zeigt der Lärmaktionsplan
Die Verkehrsordnung aber sieht auf einer Landesstraße eine Tempo-30-Zone eigentlich nicht vor, der Verkehrsfluss hat hier stets Vorrang. Geschwindigkeitsreduzierungen könnten nur in drei Ausnahmen angeordnet werden: Wenn das Gefährdungspotenzial für schwächere Verkehrsteilnehmer hoch ist, weil sich in direkter Nähe eine Kita, Schule oder Seniorenheim befindet. Wenn es gehäuft Unfälle gegeben hat und die Straße laut Polizeistatistik ein Unfallschwerpunkt ist oder wenn es für Anwohner zu laut ist, was ein Lärmgutachten belegen müsste.
Zu laut ist es definitiv längs der Landesstraße, wie der gerade erstellte Lärmaktionsplan der Gemeinde zeigt. Danach haben die Gutachter errechnet, dass an der Hauptverkehrsachse, mit mehr als zwei Millionen Fahrzeugen pro Jahr, der Lärmpegel Tag und Nacht bei weitem die erlaubten Werte überschreitet und damit für die Gesundheit der Anwohner eine Gefahr darstellt. Zu viel Lärm führt zu Schlafstörungen, kognitiven Beeinträchtigungen, macht das Herz krank und kann vorzeitig zum Tod führen.
Alternativstrecke soll ausgeschildert werden
Kurzfristig wird sich an der Sicherheit für Radfahrer aber nichts ändern. Ein zweites Vorhaben des ADFC – die Ausweisung einer alternativen und sicheren Fahrradroute von Wentorf nach Reinbek – hat der Kreis abgelehnt. Als Begründung wurde laut Schöning die bauliche und verkehrliche Situation herangezogen. Die Strecke sollte vom Kreisel über die Straßen Petersilienberg, An der Bergkoppel, Hohler Weg, Waidmannsgrund, Bergedorfer Weg bis zur S-Bahn-Unterführung über die Untere Bahnstraße nach Reinbek führen.
Nun sei die Idee der Gemeinde, über eine Art touristische Beschilderung eine Ausweisung der sicheren Strecke vorzunehmen. Die soll aber erst nach Vollendung der Baumaßnahmen am Bergedorfer Weg umgesetzt werden, was Radfahrer nicht davon abhalten sollte, die Strecke dennoch zu nutzen.