Geesthacht. An der Vamed Klinik entsteht der „Logopädie Campus Geesthacht“. Das Konzept ist besonders - und sieht auch eine Praxis vor.

„Heilstätte Edmundsthal, Stallgebäude“, steht nüchtern in der linken oberen Ecke auf dem Entwurf des berühmten Architekten Martin Emil Ferdinand Haller (1835-1925). Auch das Hamburger Rathaus stammt aus seiner Feder. Datiert ist die Zeichnung auf den 19. Februar 1911. 113 Jahre später spielt das aufgrund dieses Planes errichtete Gebäude erneut eine gewichtige Rolle bei einem Bauvorhaben der Vamed Klinik.

Während im Baucontainer vis-à-vis der ehemaligen Kutschengarage die neuen Pläne für den Umbau zur Logopädenschule ausliegen, hängt der historische Entwurf gerahmt im Büro von René August an der Wand. Unter seiner Leitung wird das aus zwei Gebäuden bestehende historische Ensemble entkernt, um innen modernisiert wieder zu erstrahlen.

Logopädenschule der Vamed Klinik in Geesthacht vor dem Start

Auf der Baustelle neben der Kita Edmundsthal geht es in den Endspurt. Kaum zu glauben, noch gehört das Gelände unübersehbar den Gewerken. In einem Raum, wo später Patienten behandelt werden, steht ein roter E-Bagger. Bereits ab dem 1. Oktober soll hier der erste Jahrgang von 15 Logopäden dem Unterricht folgen. Eine feierliche Eröffnung ist für den 30. September geplant.

Der Original-Entwurf für den Kutschenstall aus dem Jahre 1911 hängt gerahmt im Büro an der Wand.
Der Original-Entwurf für den Kutschenstall aus dem Jahre 1911 hängt gerahmt im Büro an der Wand. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

„Wir sind gut im Zeitplan“, sagt Vamed-Sprecher Nils Metzger. Begonnen wurde im Februar. Da es sich um einen Umbau von bestehenden Gebäuden handelt, gab es keinen traditionellen ersten Spatenstich. Der dürfte bei einem weiteren Bauvorhaben erfolgen, das in Sichtweite geplant ist.

Appartements für Azubis komplettieren den „Logopädie Campus Geesthacht“

Auf der Wiese neben dem Parkplatz soll bald ein Neubau entstehen, mit 45 Appartements für Azubis, auch für solche in Geesthacht, die gar nicht in der Vamed Klinik lernen. Das Gebäude komplettiert den „Logopädie Campus Geesthacht“. Fertigstellungswunsch ist zum Herbst des Jahres 2025. „Das Wohnheim wäre überregional einmalig“, freut sich Kathrin Höppner.

Sie ist seit vergangenem Oktober als Schulleiterin im Dienst, schrieb das Ausbildungskonzept, das vom Bildungsministerium in Kiel noch abgesegnet werden muss. Es ist fast durch in den Instanzen, nur drei Punkte sollen in detaillierterer Beschreibung nachgereicht werden.

Optisch wie eine Mischung aus Hanni&Nanni und Harry Potter

Genau eine solche Schule hätte sie gebaut, wenn sie je das Geld gehabt hätte, erzählt Kathrin Höppner. „Alte Fachwerkgebäude, traumhaft gelegen am Waldrand, optisch wie eine Mischung aus Hanni & Nanni und Harry Potter. ,Es ist mir wie auf den Leib geschrieben‘, dachte ich“, berichtet Kathrin Höppner von dem Moment, als sie die Stellenausschreibung vor einem Jahr sah.

Traumhaft gelegen: Der Umbau des historischen Gebäudeensembles zur Logopädenschule geht in den Endspurt. Hinten das alte Kutschenhaus von 1911.
Traumhaft gelegen: Der Umbau des historischen Gebäudeensembles zur Logopädenschule geht in den Endspurt. Hinten das alte Kutschenhaus von 1911. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Als Stellvertreterin wurde Xenia Bargfrede hinzugewonnen, sie ist erst seit vier Wochen im Amt. Besetzt ist das Basisteam der Lehrkräfte zum Start mit 2,5 Stellen. Ob weiterer Bedarf extern oder intern gelöst wird, ist noch unklar. So stünden als Dozenten auch Chef- und Oberärzte aus der Vamed Klinik zur Verfügung.

Das alte Labor der Lungenklinik wurde für Unterbringungen angemietet

Mit behördlichen Hürden rechnet Kathrin Höppner eigentlich nicht mehr. „Im Ministerium halten sie die Logopädenschule für eine großartige Idee“, sagt sie. Der Bedarf ist riesig, und es wäre die erst zweite Schule dieser Art in Schleswig-Holstein, eine weitere gibt es nur in Kiel. Der Standort scheint perfekt, das Einzugsgebiet ist riesig. Nur in Hamburg gibt es drei Schulen, weitere sind weit weg in Hannover, Bremen und bei Schwerin.

Schulleiterin ist Kathrin Höppner (l.), Xenia Bargfrede ihre Stellvertreterin. Für den Logopädie-Campus Geesthacht wird auf Berufsmessen geworben.
Schulleiterin ist Kathrin Höppner (l.), Xenia Bargfrede ihre Stellvertreterin. Für den Logopädie-Campus Geesthacht wird auf Berufsmessen geworben. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Um den Bedarf an Unterbringung für den ersten Jahrgang zu sichern, wurde übergangsweise das alte Labor auf dem Klinikgelände aus der Zeit der Lungenheilanstalt angemietet. Sieben Plätze stehen zur Verfügung, geteilt wird sich die Nutzung des Gebäudes mit der Ausstellungsgemeinschaft Lauenburgischer Künstler, die hier ihre Werkstätten haben.

Bis zu zehn Prozent der Kinder fallen beim Einschulungstest negativ auf

Der bundesweite Fachkräftemangel an Logopäden gab den Impuls zum Bau der Schule. Die Anregung kam 2018 von der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Sie reagierte auf Ergebnisse von Schuleignungstests bei Kindern, die vielfach so massive Probleme bei Wortschatz und Sprache aufzeigten, dass die DRV eine Bedrohung für die spätere Erwerbstätigkeit dieser Kinder sieht. Acht bis zehn Prozent der ansonsten gesunden Kinder sprechen nicht so, dass sie eingeschult werden können.

Vamed behandelt in Fachklinik (70 Betten) und Rehazentrum Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Hirnverletzungen und auch Sprachentwicklungsstörungen. Mit dem Bau der Schule sorgt die Klinik nun kurzerhand selbst für Logopädennachwuchs. Geplant ist, während der Ausbildung in Kooperation mit der MSH Medical School in der Hamburger Hafencity zudem den Bachelor-Abschluss anzubieten. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Wer den Bachelor absolviert, benötigt vier Jahre. Die Schule wird also bei Vollbelegung ab 2026 ihren Peaklevel erreicht haben mit 45 Plätzen.

Der Denkmalschutz mischt bei der Gestaltung der Gebäudehülle mit

Die Baukosten werden mit etwa 3,7 Millionen Euro veranschlagt. Vom Land gibt Fördermittel für Bau, Betrieb und Eröffnung, Lehrpersonal wird zudem vom Bildungsministerium bezahlt.

Der Denkmalschutz mischt beim Umbau nur bei der Gebäudehülle mit. Die Fensterfarbe - ein leichtes Grau - soll der von 1911 entsprechen. Das Mauerwerk wird organisch, das Fachwerk sichtbar gemacht. Vor die neuen, energetischen Fenster werden die alten Bleiglasfenster gesetzt. Im Bürocontainer von René August reihen sich Dachpfannen an der Wand. Solche wie die von früher waren nicht mehr aufzutreiben, die neuen nähern sich ihnen so gut es geht an. Geheizt wird später mittels Wärmepumpe.

Das schöne alte Dachgebälk des „Klönschnack-Hus“ wird nach dem Umbau zu sehen bleiben.
Das schöne alte Dachgebälk des „Klönschnack-Hus“ wird nach dem Umbau zu sehen bleiben. © privat | Privat

In das Gebäude aus den 1930er-Jahren im hinteren Teil des Areals - getauft „Klönschnack-Hus“ - ziehen Schulleitung und Sekretariat, das Büro der Schulleitung liegt im ersten Stock direkt unter dem Giebel. Auf 350 Quadratmetern Netto-Fläche sind, zum Teil unter offenen Dachbalken, die drei Unterrichtsräume sowie ein großer Aufenthalts- und Küchenraum untergebracht.

Behandlungen werden zur Schulung in die Unterrichtsräume gestreamt

Das 1911 erbaute Gebäude erlebt nun die Beförderung vom Kutschenstall zum „Wunnerwark-Hus“, hier zieht auf 180 Quadratmetern eine Logopädie-Praxis ein. Sie ist die Anlaufstelle für Patienten, bei deren Behandlung auch Auszubildende von Beginn an mit einbezogen werden.

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Es gibt vier Therapieräume. Behandelt werden nicht nur Kinder, die Praxis ist offen für Patienten jeden Alters. Der mitgefilmte Livestream der Sitzung wird zur Schulung für die anderen ins „Klooksnacker-Hus“ übertragen. Das Obergeschoss bleibt zunächst ungenutzt als Reserve.

Logopädenschule: Fast alle Plätze belegt - Bewerbungen noch möglich

Seit Jahresanfang wird um Auszubildende geworben. Schulen wurden ebenso aufgesucht wie Berufsmessen. Mit Erfolg: Fast alle Plätze sind belegt. Wer sich als Schüler für eine Ausbildung an der neuen Schule interessiert, kann sich noch bei Kathrin Höppner melden (Mail an kathrin.hoeppner@vamed-gesundheit.de).

Benötigt wird mindestens Mittlere Reife oder ein Hauptschulabschluss plus abgeschlossene Ausbildung. Auch Quereinsteiger sind gern gesehen. Aber: Es muss eine gesundheitliche Eignung nachgewiesen werden. Wer andere bei der Sprechfähigkeit trainieren will, muss dazu selbst körperlich in der Lage sein. Benötigt werden ein sogenannter Spiegelbefund, ausgestellt durch einen HNO-Arzt, und ein Audiogramm, das ist ein Hörgutachten.