Schwarzenbek. Der lauenburgische Landtagsabgeordnete Oliver Brandt besuchte die Westukraine. Was er in dem vom Krieg geschundenen Land erlebt hat
Der Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist inzwischen fast zweieinhalb Jahre her. Seitdem kämpfen Ukrainerinnen und Ukrainer auf eigenem Territorium gegen den scheinbar übermächtigen Nachbarn. Hierzulande ist der Krieg nicht mehr so präsent, andere Krisen wie der Nahost-Konflikt bestimmen die Nachrichten. Gerade deswegen sei es wichtig, sich weiterhin für die Menschen in der Ukraine einzusetzen, findet der lauenburgische Landtagsabgeordnete Oliver Brandt. Nun hat der Grünen-Politiker das Land erstmalig seit Kriegsbeginn besucht.
Im Jahr 2017 hatte Brandt eine Bildungsreise unter anderem nach Lwiw und Czernowitz gemacht und dort Menschen aus der Zivilgesellschaft kennengelernt. Der Kontakt bestehe bis heute, das Engagement der Menschen in der Westukraine, die als relativ sicher gilt, ist groß. Denn: „Sechs Millionen Ukrainer sind in andere europäische Länder geflüchtet. Doch es gibt auch fünf Millionen Binnenflüchtlinge im Land“, berichtet Brandt. Besonders Czernowitz, das weit von der Front entfernt liegt, werde von vielen Geflüchteten angesteuert.
Lehrerin unterricht aus Sechs-Quadratmeter-Zimmer
Wie Brandt es beschreibt, sei die Stadt, die bis 1918 zu Österreich-Ungarn gehörte, erheblich gewachsen. Vor dem Krieg lebten rund 260.000 Menschen in Czernowitz, seit Anfang 2022 seien jedoch über 40.000 weitere dazugekommen. Dies führe zum Beispiel dazu, dass die Mietpreise durch die Decke gegangen seien.
„Auch dort gelten noch die Gesetze des Marktes“, sagt Brandt. Doch nicht nur die Mietpreise sind gestiegen, auch Energie und Lebensmittel. Dies führt dazu, dass Binnengeflüchtete in teils prekären Umständen leben. „Ich habe eine Lehrerin kennengelernt, die in einem sechs Quadratmeter großen Zimmer im Wohnheim lebt“, sagt Brandt. „Von dort aus unterrichtet sie online ihre Schüler, die auf neun Länder verteilt sind.“
Rund 440 Euro verdienen Ukrainer durchschnittlich
Abhilfe schafft der Verein Active Commons e.V., der Binnengeflüchtete vor Ort unterstützt. In Czernowitz können 23 Familien auf die Hilfe der Ehrenamtlichen zählen. Dies gehe von moralischer Unterstützung bis hin zu materieller Hilfe.
Über den Verein erhalten die Familien Geld, um die hohen Mieten überhaupt stemmen zu können. Weitere Spenden aus Deutschland seien deshalb wichtig. Rund 440 Euro verdienen Ukrainer durchschnittlich.
Strom wird wegen der Energieknappheit regelmäßig abgestellt
Trotz der finanziellen Probleme vieler Menschen nehme man den Krieg in der Westukraine nur unterschwellig war, beschreibt Oliver Brandt. „Da hat man kein unmittelbares Gefühl der Bedrohung.“ Eingeschränkt ist der Alltag eigentlich nur durch die Energieknappheit, weswegen regelmäßig der Strom abgestellt wird. Doch darauf können sich die Einwohner einstellen, da es Excel-Tabellen gibt, die zeigen, wann und in welchem Viertel es keinen Strom gibt.
Luftalarm habe er auch erlebt, berichtet Brandt. Allerdings werden diese turnusmäßig ausgelöst, wenn Raketen in den ukrainischen Luftraum vordringen. Meist richten sich diese gegen Ziele weiter im Osten, der Alarm sei dann vorbeugender Natur und werde wieder abgestellt.
Ukraine: Große Dankbarkeit gegenüber Deutschland
Beeindruckend sei der soziale Zusammenhalt in der Ukraine, sagt Brandt. Familien haben traumatische Erfahrungen gemacht und erfahren die Hilfe ihrer Landsleute. „Die Leute sind ohne Hab und Gut geflohen, aber es gibt wahnsinnig gute gegenseitige Unterstützung“, so Brandt
Besonders in Erinnerung geblieben seien ihm die menschlichen Schicksale, von denen ihm berichtet wurde. Da sei zum Beispiel eine Familie gewesen, die aus einem besetzten Gebiet nach Saporischja geflohen ist, links und rechts Bombenkrater an der Straße.
Es sterben immer noch jeden Tag Menschen
Aber auch die Geschichte einer jungen Frau aus Mariupol sei nachdrücklich gewesen. „Die Frau hat gerade ihr Kind entbunden und einen Tag später kamen russische Soldaten ins Krankenhaus. Sie hat sich direkt auf den Weg gemacht, mit einem Säugling und einem dreijährigen Kind mit Gelbsucht. Das sind hochdramatische Geschichten“, sagt Brandt.
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Der Grünen-Politiker möchte mit seinem Besuch daran erinnern, dass weiter Hilfe nötig ist. Sowohl die staatliche Hilfe durch die Bundesrepublik als auch ziviles Engagement sei weiterhin groß, doch Hilfe wird auch vor Ort benötigt. Man spüre große Dankbarkeit gegenüber Deutschland. „Doch der Krieg in der Ukraine geht weiter. Dort sterben immer noch jeden Tag Menschen“, sagt Brandt.