Kiel. Der große Streit im Kieler Landtag: Sparen oder investieren? Auch 2025 kommt das Land trotz Kürzungen nicht ohne weitere Schulden aus.
Die Konjunktur schwächelt, die wirtschaftliche Erholung bleibt aus, die Steuereinnahmen brechen ein. Auf der Ausgabenseite wiederum treiben steigende Zinsen, hohe Tarifabschlüsse und neue Stellen die Kosten in die Höhe. Die Folge: Schleswig-Holstein lebt trotz eines Sparkurses weiter über seine Verhältnisse. 17,02 Milliarden Euro Ausgaben im kommenden Jahr stehen 16,63 Milliarden Euro Einnahmen gegenüber.
In der Folge muss das Land für 2025 neue Kredite aufnehmen. Darunter ist ein Notkredit über 116 Millionen Euro, den die schwarz-grüne Landesregierung mit Putins Krieg in der Ukraine und dessen Folgen für Schleswig-Holstein begründet. „Die Finanzlage des Landes ist infolge der jüngsten Krisen erheblich beeinträchtigt“. Das sagte die neue Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) am Mittwoch in der Haushaltsdebatte im Kieler Landtag.
Schleswig-Holstein lebt über seine Verhältnisse – neue Kredite nötig
Während die schwarz-grüne Koalition die Sparziele verteidigt, sieht die Opposition (allen voran die SPD) die Regierung auf einem „kompletten Irrweg“. „Statt eines harten Sparkurses braucht es in der Krise einen aktiven Staat, der investiert“, forderte SPD-Partei- und Fraktionschefin Serpil Midyatli im Landtag. „CDU und Grüne setzen ihre Priorität aufs Sparen. Die SPD will mehr investieren und wichtige Probleme lösen.“
Dass alle Familien Kinderbetreuung bekämen, dass die Zustände an den Schulen besser würden, dass es ausreichend bezahlbaren Wohnraum gebe – das habe für die SPD Priorität, so Midyatli. Um die Maßnahmen zu finanzieren, fordert sie eine Reform der Schuldenbremse und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.
Die SPD will, statt zu sparen, die Ausgaben erhöhen. Gleichzeitig aber klagt sie (mit der FDP) vor dem Landesverfassungsgericht gegen die Haushaltspolitik der Regierung. Die hatte 2024 gleich drei Notkredite aufgenommen und so die Schuldenbremse umgangen. Dass die für hohe Investitionen werbende SPD die Klage überhaupt erst möglich gemacht hat, stößt in Teilen der Partei und der Gewerkschaften auf Unverständnis.
SPD und SSW wollen Reiche stärker besteuern
Wie Midyatli macht sich auch SSW-Fraktionschef Lars Harms für eine Initiative des Landes zur Schuldenbremse stark. Es brauche eine „leichte Ausweitung des Verschuldungsspielraums“. Zudem forderte auch Harms, „Superreiche“ stärker zu besteuern.
Schleswig-Holstein hat in den vergangenen Jahrzehnten mehr als 32 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Im kommenden Jahr fallen dafür fast 600 Millionen Euro Zinsen an. Das Land muss bis 2030 jedes Jahr aufs Neue 200 Millionen Euro sparen, um die strukturelle Haushaltskrise in den Griff zu bekommen. Im kommenden Jahr will die Parlamentsmehrheit beispielsweise die Beihilfe für Beamte zusammenstreichen, die Städtebauförderung eindampfen, eine große Justizstrukturreform anschieben und auch die Unterrichtsversorgung an den Schulen von theoretisch 101 Prozent auf 100 absenken.
FDP: Das Einzige, was sich in Schleswig-Holstein ansiedelt, ist das zweite Wolfsrudel
Gerade letztgenannten Punkt hält die FDP angesichts teils desaströser Noten für schleswig-holsteinische Schüler bei nationalen Bildungstests für grundfalsch. „Die Absenkung der Unterrichtsversorgung ist problematisch, weil schon heute viel zu viel Unterricht ausfällt. Das geht massiv zulasten der Bildungsqualität“, kritisiert FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. Er griff auch die schwarz-grüne Wirtschaftspolitik an. Schleswig-Holstein drohe eine Deindustrialisierung. „Das Einzige, was sich hier derzeit nachhaltig anzusiedeln scheint, ist das zweite Wolfsrudel.“
Für Silke Schneider, die die Aufgabe als Landeskassenwartin im Sommer von der ausgeschiedenen Monika Heinold übernommen hat, ist es der erste Etat, den sie verantwortet. „Die Haushaltslage ist angespannt und macht teils schmerzhafte Maßnahmen nötig“, sagte die Politikerin der Grünen. „Klar ist: Konsolidieren, ohne dass jemand im Land etwas mitbekommt, funktioniert nicht.“
Trotz des Spardrucks investiere das Land aber in die Kitas (plus 60 Millionen Euro), die innere Sicherheit (plus 10,3 Millionen), in die Steuerverwaltung (plus 30 Stellen), die Staatsanwaltschaft (plus 25 Stellen) und die Lehrerschaft (plus 411 Stellen), so Schneider. Da aber auch Hunderte Stellen wegfielen, komme es unter dem Strich zu einem Aufbau um 117 Arbeitsstellen.
Fast jeder Zweite im öffentlichen Dienst ist ein Lehrer
Insgesamt arbeiten fast 55.000 Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner im öffentlichen Dienst. Mit Abstand die meisten (48 Prozent) sind Lehrerinnen und Lehrer, knapp 20 Prozent arbeiten bei der Polizei, elf Prozent bei der Justiz. Für sein Personal gibt das Land 5,87 Milliarden Euro im kommenden Jahr aus. Das ist mehr als ein Drittel aller Ausgaben.
Schleswig-Holstein spart im Haushalt 2024 insgesamt 100 Millionen Euro, im kommenden Etat werden es 217 Millionen Euro sein. Anders als ursprünglich geplant, will das Land aber darauf verzichten, seinen Versorgungsfonds für laufende Ausgaben zu plündern.
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Das hängt mit den jüngsten Zensusberechnungen des Bundes zusammen. Danach ist der Anteil der Schleswig-Holsteiner an der deutschen Bevölkerung größer als gedacht. In der Folge erhöhen sich die Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich für 2024 und 2025 um immerhin gut 300 Millionen Euro.
186 Millionen Euro müssen noch eingespart werden
Trotz dieser unerwarteten Zuwendung, trotz Sparmaßnahmen und neuer Kredite klafft im Haushalt für 2025 noch eine Lücke von 186 Millionen Euro. Das Geld müssen die Ministerien zusätzlich einsparen. „Das wird kein Spaziergang, denn die Budgets sind ja ohnehin schon enger als in den vergangenen Jahren“, sagte Schneider.
„Es ist ein Sparhaushalt. Dafür ist niemand von uns in die Politik gegangen, keiner von uns hat mit Sparpaketen Wahlkampf gemacht. Trotzdem macht die aktuelle Haushaltslage diese Entscheidungen notwendig“, sagte der grüne Fraktionschef Lasse Petersdotter. Und sein CDU-Pendant, Tobias Koch, nannte die Lage „ernst, aber nicht hoffnungslos“. Ein finanzieller Kahlschlag sei vermieden worden. „Wir geben mit diesem Sparhaushalt mehr Geld für Bildung aus als jemals zuvor in diesem Land.“
Endgültig beschlossen werden soll der Landeshaushalt für 2025 in zweiter Lesung im Januar.