Kiel. Monika Heinold gibt nach zwölf Jahren den Job als Kieler Finanzministerin auf. Jetzt übernimmt Silke Schneider. Ein Doppelinterview.
Sieben Landtagswahlen liegen hinter ihr, 28 Jahre in der Landespolitik, zwölf Jahre im Amt als Finanzministerin. Niemand hat es in dem Job so lange ausgehalten zuletzt in Deutschland. Jetzt ist Schluss: Von diesem Donnerstag an ist Monika Heinold nur noch eine Ex. Auf eigenen Wunsch, selbstbestimmt und nicht getrieben, mitten in der Legislaturperiode – so hat es die Politikerin der Grünen immer haben wollen.
Monika Heinold hat vier Regierungschefs erlebt. Als Heide Simonis (SPD) stürzte („Heide-Mord“), weil ein Parlamentarier von SPD oder Grünen die Stimme gleich mehrfach verweigerte, ohne sich zu outen, war sie parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion. In den sieben Jahren unter dem CDU-Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen („Beim Essen und Tanzen möchte ich gern drei Hände haben“) hing Heinold in der Opposition fest.
Gleich die nächsten beiden so unterschiedlichen Ministerpräsidenten setzten dann aber auf die ausgebildete Erzieherin als neue Herrin des Geldes: SPD-Mann Torsten Albig („Irgendwann entwickelte sich mein Leben schneller als ihres. Wir hatten nur noch ganz wenige Momente, in denen wir uns auf Augenhöhe ausgetauscht haben“) und CDU-Chef Daniel Günther („Puffmutter Layla – sie ist schöner, jünger, geiler“). Sprüche wie die von Carstensen, Albig, Günther und auch Simonis hat man von Monika Heinold nie gehört. Das ist nicht ihre Art.
SPD klagt gegen Haushalt - für Heinold passt das nicht zusammen
Heinold hat ihrem Land gedient – erst in den schwierigen Jahren nach der weltweiten Finanzkrise und dem Beinahe-Zusammenbruch der HSH-Nordbank – später dann während der Pandemie. In der Küstenkoalition mit SPD und SSW, im Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP und zuletzt in der schwarz-grünen Regierung – Heinold hielt auch den grünen „Laden“ zusammen. Jetzt, mit fast 66 Jahren, reicht es ihr. Egal, was komme, sie werde sich zu „99 Prozent nicht mehr einmischen“, sagt sie im Abendblatt-Doppelinterview mit Silke Schneider.
Heinolds 57 Jahre alte Nachfolgerin gibt für den neuen Job ihre Aufgabe als Landgerichtspräsidentin in Lübeck genauso auf wie ihren Sitz im Landesverfassungsgericht. Ganz fremd ist ihr die Aufgabe nicht: Schneider war vor ihrem Wechsel ans Landgericht Staatssekretärin für die Grünen. Im Doppelinterview sprechen die beiden Politikerinnen über neue Notkredite für Schleswig-Holstein, die Reform der Schuldenbremse, geforderte Stellstreichungen und über eine SPD, deren Klage gegen den laufenden Haushalt Monika Heinold fassungslos zurücklässt.
28 Jahre Landespolitik, zwölf Jahre Finanzministerin, vier Ministerpräsidenten – reicht es jetzt einfach, Frau Heinold?
Monika Heinold: Den Job als Finanzministerin habe ich gerne gemacht. Aber nach 28 Jahren Berufspolitikerin und mit 65 Jahren ist es jetzt ein guter Zeitpunkt, den Staffelstab an die jüngere Generation zu übergeben.
Was war schwieriger zu bewältigen: die Folgen der Finanzkrise und der drohende Zusammenbruch der HSH in Ihrer Anfangszeit als Finanzministerin? Zu dem Zeitpunkt waren alle Parlamentarier Hiobsbotschaften gewohnt, und deren Erwartungen waren gering. Oder sind die aktuellen Haushaltsprobleme schwieriger zu händeln nach den Jahren, in denen die Einnahmen stiegen und mit ihnen die Erwartungshaltungen?
Heinold: Die größte Belastung war der Verkauf der HSH Nordbank mit extrem hoher Verantwortung angesichts der Milliarden Landesgeld, um die es ging. Das war eine sehr intensive, anstrengende und nervenzehrende Phase. Die zweite einschneidende Belastung kam mit der Pandemie. Alles andere, die Haushaltskonsolidierung ab 2012, die Herausforderungen des Flüchtlingszuzugs 2015/2016, die aktuelle Haushaltskonsolidierung – das war, ohne es herunterzuspielen, eher Alltag im Finanzministerium.
Sind Sie müde geworden zu sparen, Frau Heinold?
Dieses Jahr haben Sie im Haushalt 100 Millionen Euro eingespart. Verglichen mit dem, was noch kommt, war das läppisch. Sind Sie ein wenig müde geworden, die nötigen Einsparungen noch durchzusetzen, Frau Heinold?
Heinold: Nein. Bei meiner Entscheidung, zu gehen, geht es nicht um die Frage, ob ich müde bin oder nicht. Es geht darum, als Berufspolitikerin den richtigen Zeitpunkt für einen selbstbestimmten Rückzug zu finden. Mitten in der Legislatur die Verantwortung an eine Frau zu übergeben, von der ich weiß, dass sie es kann, ist der richtige Zeitpunkt.
In den nächsten Jahren muss Schleswig-Holstein jeweils 200 Millionen Euro einsparen. Die ersten 100 sind Ihnen in diesem Jahr schon schwergefallen. Wo sollen die nächsten Einsparungen herkommen?
Heinold: Darüber hat das Kabinett in mehreren Klausuren beraten, wir wissen, wie es gehen kann.
Schuldenbremse muss reformiert werden
Und wie?
Heinold: Über das endgültige Konzept wird das Kabinett im September entscheiden. Aber es wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Wichtig ist jetzt, dem Land auch mithilfe von Notkrediten Perspektiven zu geben und die Wirtschaft nachhaltig anzukurbeln.
Silke Schneider: Wir dürfen nicht nur die Ausgaben in den Blick nehmen. Wir wollen in Schleswig-Holstein nachhaltige und klimaneutrale Industrie ansiedeln. Das wäre die beste Grundlage für höhere Einnahmen.
Northvolt ist ein gutes Beispiel. Die Fabrik bringt Jobs und Wachstum. Aber Bund und Land zahlen dem schwedischen Konzern halt auch 700 Millionen Euro Subventionen und garantieren für eine 200-Millionen-Euro-Bürgschaft. Wo wollen Sie das Geld für künftige Ansiedlungen herbekommen?
Heinold: Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine neue Bundesregierung die Schuldenbremse so reformiert, dass wir künftig für notwendige Investitionen Kredite aufnehmen können.
Auf die Schuldenbremse kommen wir noch. Für den laufenden Haushalt haben Sie Notkredite über 1,5 Milliarden Euro aufgenommen und Geld aus den Rücklagen abgezweigt, um einen ausgeglichenen Etat hinzubekommen. Ist die Aufnahme neuer Kredite über Hunderte Millionen Euro für 2025 schon beschlossene Sache?
Heinold: Notkredite sind keine Dauerlösung. Ob auch 2025 damit gearbeitet werden soll, ist noch offen, und letztendlich entscheidet der Landtag darüber. So war es auch in diesem Jahr. Dem Parlament war wichtig, dass insbesondere die gegenüber den Kommunen gemachten Investitionsversprechen eingehalten werden. Zum Beispiel beim Schulbau.
Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es auch 2025 neue Notkredite geben wird?
Heinold: Diese Entscheidung treffen nun andere.
Schneider: Absoluter Maßstab ist das, was uns das Bundesverfassungsgericht gesagt hat. Und ob es nach diesen Maßgaben des Gerichts noch Notkredite geben darf, müssen wir schauen.
Muss Schleswig-Holstein massiv Stellen streichen?
Braucht es einen noch viel radikaleren Sparkurs, wie ihn die Landesrechnungshof-Präsidentin einfordert?
Schneider: Gerade in Krisenzeiten müssen wir in die Zukunft investieren. Wir müssen konsolidieren, uns dabei aber auch Gestaltungsspielraum erhalten. Damit sind wir wieder bei der Schuldenbremse. Was die Präsidentin des Landesrechnungshofs vertritt, ist eine strikte, puristische Einhaltung der Schuldenbremse. Die Schuldenbremse gibt Orientierung und setzt einen Rahmen für Bund und Länder. Aber sie stammt aus dem Jahr 2009. Wir haben heute ganz andere Herausforderungen zum Beispiel für die Instandhaltung der Infrastruktur. Alles, was rechtlich möglich ist an Krediten, sollten wir auch aufnehmen. Um das Land am Laufen zu halten.
Heinold: CDU bewegt sich erst, wenn sie an der Macht ist
Frau Schneider, Frau Heinold, unternimmt Ministerpräsident Daniel Günther innerhalb der CDU genug für eine Reform der Schuldenbremse?
Heinold: Er ist einer derjenigen, der innerhalb der CDU die Debatte führt. Das ist notwendig. Aber die Bundes-CDU wird sich bei der Schuldenbremse nicht bewegen, bevor sie nicht selbst an der Macht ist.
Schneider: Ich habe mich kürzlich mit Herrn Günther über Haushaltsfragen ausgetauscht. Er weiß, dass ich, wenn ich im Amt bin, bundesweit für eine Reform der Schuldenbremse werben werde.
Wirtschaftsexperten fordern die Reform, SPD und Grüne sind eh dafür. Wann kommt sie denn? Wenn die CDU den Kanzler stellt und merkt, dass es ansonsten hinten und vorne nicht reicht?
Heinold: Sollte die CDU nach der nächsten Bundestagswahl regieren, wird es ruck, zuck gehen. Denn alle wissen, dass Deutschland dringend hohe Zukunftsinvestitionen braucht.
Schneider: Es führt kein Weg an einer maßvollen Reform der Schuldenbremse vorbei.
Klage gegen Haushalt: „SPD hängt am Rockzipfel der FDP“
Haben Sie Verständnis für das Verhalten der schleswig-holsteinischen SPD? Sie bekämpft die Schuldenbremse, fordert Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur – und klagt dann gegen Ihre Notkredite vor dem Verfassungsgericht?
Heinold: Ich kann das Verhalten der SPD nicht nachvollziehen. Was sie macht, passt hinten und vorne nicht zusammen.
Lässt sich Frau Midyatli von einer FDP treiben, die die Klage unbedingt einreichen wollte?
Heinold: Sie hängt sich an den Rockzipfel der FDP. Damit schließt sie sich einem Partner an, der für einen schlanken Staat steht und nicht für eine gute Daseinsvorsorge. Vermutlich glaubt die SPD, dass es ihre Hauptaufgabe ist, der Regierung zu schaden. Aber es geht nicht nur um die Regierung, sondern um alle Menschen in diesem Land. Schleswig-Holstein braucht kreditfinanzierte Investitionen, um durch diese schwierige Zeit zu kommen. Eine gute Entwicklung des Landes sollte für alle Parteien das oberste Ziel sein.
Als scheidende Finanzministerin sehen Sie dem Urteil sicher entspannter entgegen als Ihre Nachfolgerin …
Heinold: Ich bin davon überzeugt, dass es politisch richtig ist, in Krisenzeiten mit Notkrediten zu arbeiten. Sollte sich das Gericht dennoch der Position von SPD und FDP anschließen und möglicherweise sogar in einem Eilverfahren den Haushaltsvollzug stoppen, wäre das sehr schlecht für unser Land. Ob Ansiedlungsprojekte oder Schulbau – da wäre vieles erst einmal gestoppt. Vermutlich würde sich die Opposition freuen, der Regierung geschadet zu haben. Aber darum darf es doch eigentlich nicht gehen. Deshalb habe ich kein Verständnis für die Positionierung der SPD, denn auch sie trägt trotz Oppositionsrolle Verantwortung für die Menschen, die Vereine, die Kommunen und Verbände. Und steht doch eigentlich programmatisch für einen handlungsfähigen Staat.
Warum tun Sie sich das an, Frau Schneider?
Die Präsidentin des Landesrechnungshofs fordert einen radikalen Stellenabbau, um die Ausgaben des Landes zu senken. Seit 2017 hat Schleswig-Holstein fast 5500 neue Jobs geschaffen. Müssen Sie als Neue im Amt jetzt anfangen, sie jetzt wieder zu streichen?
Schneider: Ich kann es heute nicht ausschließen. Natürlich müssen wir auch auf den Stellenplan schauen. Es gab Aufbau im Bereich der Inneren Sicherheit, der Bildung, der Justiz, beim Küstenschutz. Das sind zentrale und sehr sensible Aufgaben unseres Landes. Wir müssen mit Stellenstreichungen immer sehr vorsichtig umgehen, denn unser Staat muss gerade in Krisenzeiten handlungsfähig sein. Gut ist, dass das Land mit der Schaffung von Stellen Nachwuchskräfte für die Verwaltung gewinnen konnten. Das wird uns helfen, die hohen altersbedingten Personalverluste zu verdauen.
Frau Schneider, warum tun Sie sich das an? Sie geben Ihre Stellung als Landgerichtspräsidentin auf, um Kassenwartin in einem armen und hoch verschuldeten Land zu werden?
Schneider: Ich habe mir das sehr gut überlegt. Ich gebe ja nicht nur meine Stelle als Präsidentin des Landgerichts auf, sondern auch die als Mitglied des Verfassungsgerichts. Ich bin gerne Richterin, aber es reizt mich sehr, in genau diesen schwierigen Zeiten mitzuwirken und mitzugestalten, und zwar genau an dieser Stelle als Finanzministerin. Ich werde mit einer gut eingespielten und verlässlichen Koalition zusammenarbeiten. Ich glaube, dass ich mit meiner Erfahrung als Juristin, als Führungskraft in der öffentlichen Verwaltung und als ehemalige Finanzstaatssekretärin viel einbringen kann, um das Land zukunftsfähig aufzustellen.
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Frau Heinold, werden Sie die Politik vermissen?
Heinold: Mit Sicherheit. Nach einer aktuellen Nachricht aufzuschrecken und erst danach zu realisieren, dass das jetzt andere klären müssen, wird gewöhnungsbedürftig sein. Natürlich bleibe ich ein politischer Mensch und erwarte, dass die Landesregierung gut arbeitet. Aber ich kann zu 99 Prozent sagen, dass ich mich nicht einmischen werde.