Kiel. Schleswig-Holstein macht 1,5 Milliarden Euro neue Schulden. Opposition hält schwarz-grüne Haushaltsführung für verfassungswidrig.
Die Allianz erschließt sich nicht auf den ersten Blick: Auf der einen Seite die SPD, die die Vermögenssteuer wieder einführen und die Reform der Schuldenbremse vorantreiben will, um mehr Schulden aufnehmen zu können. Auf der anderen Seite die FDP, die höhere Steuern rigoros ablehnt und die Schuldenbremse mit allem, was sie hat, verteidigt. Diese SPD und FDP haben sich jetzt in Schleswig-Holstein zusammengetan, um gegen die Haushaltsführung der schwarz-grünen Landesregierung zu klagen. Dabei liegen die finanzpolitischen Grundsätze von Daniel Günthers Kabinett irgendwo zwischen den beiden Polen von SPD und FDP.
Am Freitag hat die Opposition eine Normenkontrollklage vor dem Landesverfassungsgericht in Schleswig eingereicht. Damit war gerechnet worden, nachdem die beiden Parteien vor Monaten schon den Bielefelder Rechtswissenschaftler Simon Kempny eingeschaltet hatten. Die Opposition hält den Etat für verfassungswidrig und spricht von Trickserei. Jetzt muss sich das höchste schleswig-holsteinische Gericht mit der Klage gegen den Haushalt befassen, der in nicht einmal vier Monaten sowieso endet.
Klage von SPD und FDP gegen Günthers Finanzpolitik: Monate aufs Urteil warten
Das Urteil, das vermutlich Monate auf sich warten lässt, dürfte also keine unmittelbaren Auswirkungen auf das laufende Haushaltsjahr haben. Aber SPD und FDP wollen so Günthers Kabinett zwingen, die Vorschriften der Schuldenbremse künftig einzuhalten. Bekämen sie recht, dürfte das weitreichende Folgen für die kommenden Haushaltsjahre haben und neue Kredite erschweren – wenn nicht verhindern. Die Kläger erhoffen sich mit dem Urteil Planungssicherheit für künftige Haushalte, so deren Prozessbevollmächtigter Kempny. „Wir erwarten von der Landesregierung in Zukunft verfassungsgemäße Haushalte“, formulierten es Serpil Midyatli (SPD) und Christopher Vogt (FDP).
„Unsere begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Haushaltsführung haben sich erhärtet“, begründete SPD-Chefin Midyatli die Klage. Schließlich habe die Opposition einen Kontrollauftrag gegenüber der Landesregierung. „Und ein offener und bewusster Verfassungsbruch durch Schwarz-Grün ist mit uns nicht machbar.“ Das Instrument der Notkredite, mit denen Schwarz-Grün die Haushaltslöcher stopft, stellt Midyatli nicht grundsätzlich infrage. Aber: „Hier werden Notkredite für Dauerausgaben missbraucht“, kritisiert die SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende.
Schleswig-Holstein hat mehr als 32 Milliarden Euro Schulden
Ein „Unternehmen Schleswig-Holstein“ hätte längst Insolvenz anmelden müssen. Mehr als 32 Milliarden Euro Schulden hat das Land über die Jahre aufgetürmt. Auch 2024 reichen die Steuereinnahmen bei Weitem nicht aus, die Ausgaben zu decken. Trotz Einsparungen von 100 Millionen Euro, musste das Land in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Das passierte über drei verschiedene Notkredite. Um die Schuldenbremse zu umgehen, argumentieren die Finanzministerinnen Monika Heinold (alt) und Silke Schneider (neu) mit „besonderen Notlagen“ in Folge der Pandemie, des Ukraine-Krieges und der Ostsee-Sturmflut im vergangenen Herbst die neuen Schulden.
Haushalt in SH: Die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben ist riesig
Der Etat, gegen den SPD und FDP jetzt klagen, sieht für 2024 Ausgaben von fast 18 Milliarden Euro bei Einnahmen von nur gut 16 Milliarden vor. Um die Lücke zu schließen, verschuldete sich Schwarz-Grün nicht nur neu, sondern bediente sich für die laufenden Ausgaben auch noch an Rücklagen. Schwarz-Grün hält das für rechtskonform. Massive Kritik an dieser Haushaltsführung kommt hingegen nicht nur von der Opposition, sondern auch vom Landesrechnungshof.
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt kritisierte am Freitag bei der Vorstellung der Normenkontrollklage scharf, dass das Land Notkredite mit Corona, dem Krieg in der Ukraine und der Sturmflut begründe, daraus aber beispielsweise auch neue Radwege, Lastenräder für Hausmeister oder Klimaschutzprogramme finanziere. „Das ist nicht seriös und kein sorgfältiger Umgang mit Steuergeld“, so Vogt. „Diese Trickserei muss ein Ende finden“, erhofft sich der FDP-Politiker eine Signalwirkung des Urteils auf die künftige Haushaltspolitik des Landes.
„Verfassungsbruch“ – wie der Gutachter argumentiert
Aus Sicht des Gutachters von SPD und FDP hat die schwarz-grüne Mehrheit im Kieler Landtag mit jedem der drei Notkredite gegen die Verfassung verstoßen. Bei keinem der neuen Darlehen sieht der Bielefelder Rechtsprofessor Simon Kempny einen „sachlichen Veranlassungszusammenhang“ zwischen der Notlage und dem, was mit dem Geld finanziert werde. So gibt Schwarz-Grün beispielsweise zwei Millionen aus dem Corona-Notkredit aus, um tierwohlgerechte Schweineställe zu bezuschussen. Das hält Kempny für rechtswidrig.
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Die CDU-Fraktion im Kieler Landtag gibt sich betont gelassen. Deren finanzpolitischer Sprecher Ole Plambeck ist „überzeugt, dass der Haushalt 2024 verfassungskonform ist.“ Er kritisiert die klagenden Parteien. „Bei der Haushaltsaufstellung Anfang des Jahres keine einzige Alternative vorzulegen und nun gegen den Haushalt zu klagen, ist keine seriöse Politik“, so Plambeck.