Hamburg/Kiel. 2024 schon 1275 „Rückführungen“, Ausreisen und Überstellungen. 177 Straftäter darunter. Schleswig-Holstein unternimmt deutlich weniger.
Hamburg schiebt sehr viel konsequenter illegale Migranten ab, als Schleswig-Holstein es tut. Und dabei nutzt die Hansestadt die extra für diesen Zweck im schleswig-holsteinischen Glückstadt aufgebaute Haftanstalt auch intensiver als das Bundesland, in dem die Einrichtung steht. Das geht aus den aktuellen Zahlen zu Rückführungen in die Heimatländer der Flüchtlinge und zur Überstellung in andere EU-Staaten hervor.
Demnach mussten in diesem Jahr bis Ende September bereits 1275 Personen Hamburg verlassen. 285 von ihnen wurden ins Herkunftsland abgeschoben, 250 wurden nach dem Dubliner Abkommen in das EU-Land überstellt, in das sie zunächst eingereist waren, und 740 illegale Migranten sind freiwillig, aber behördlich überwacht, ausgereist. Das ist ein Plus von rund 15 Prozent und geht aus Zahlen der Innenbehörde hervor, die dem Abendblatt vorliegen. 2023 war es von Hamburg aus zu insgesamt rund 1500 Rückführungen gekommen – so viele wie seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 nicht mehr.
Hamburg schiebt konsequenter ab – nächster Flieger nach Kabul „in Kürze“
„Die zuletzt ergriffenen Maßnahmen und Anstrengungen in Bund und Ländern wirken. Während die Zugangszahlen spürbar um 28 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken sind, konnten wir die Rückführungen auch in diesem Jahr noch einmal signifikant steigern“, kommentiert Innensenator Andy Grote die Entwicklung. Hohe Priorität habe dabei die Abschiebung von Straftätern. „Wer in dem Land, das ihm Schutz gewährt, selbst zur Gefahr für die Sicherheit wird, für den muss der Aufenthalt in Deutschland enden“, sagt Grote. Im vergangenen Jahr hat Hamburg rund 200 verurteilte Straftäter abgeschoben, in den ersten neun Monaten dieses Jahres sind es bereits 177.
Deutschland hatte Ende August – erstmals seit der Machtergreifung der Taliban 2021 – 28 kriminelle Afghanen in ihre Heimat abgeschoben. Das dürfte erst der Anfang gewesen sein. So geht SPD-Politiker Grote davon aus, dass „wir in Kürze einen weiteren Flug in Richtung Afghanistan sehen werden, hoffentlich auch mit dem einen oder anderen Straftäter aus Hamburg an Bord.“ Nach allem, was der Senat wisse, arbeite die Bundesregierung auch daran, Rückführungen in Teile Syriens praktisch umzusetzen.
Warum Schleswig-Holstein weniger konsequent ist
Zum Vergleich: Bis Ende August, neuere Zahlen liegen noch nicht vor, hat Schleswig-Holstein keine 200 illegale Migranten abgeschoben und keine 150 in andere EU-Staaten überstellt. Fachleute erklären den deutlichen Unterschied zu Hamburg und das Vollzugsdefizit in Kiel mit einer konsequenteren Abschiebepraxis in der Hansestadt und der hier klar geregelten Verantwortlichkeit. Während in Hamburg die Zuständigkeit bei der SPD-regierten Innenbehörde liegt, sind in Schleswig-Holstein neben dem grün regierten Sozialministerium die 15 dezentralen Ausländerbehörden der Kreise verantwortlich. „Der Vollzug des Rückführungsmanagements funktioniert in Schleswig-Holstein nicht“, kritisiert der Kieler FDP-Innenexperte Bernd Buchholz.
Um sicherzustellen, dass Migranten, deren Abschiebung nur noch eine Frage der Zeit ist, nicht untertauchen, leisten sich Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern die gemeinsame Abschiebehaftanstalt in Glückstadt. Das Abendblatt konnte sie im Frühjahr besuchen. Wie die drei Nordländer mit dem Instrument der Abschiebehaft umgehen, zeigen die Zahlen vom Stichtag des Besuchs exemplarisch: Hamburg hatte hier 13, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern aber nur drei bzw. zwei Häftlinge untergebracht. „Hamburg nutzt von den drei Bundesländern sein Kontingent am stärksten aus“, sagte dieser Zeitung der damalige Anstaltschef.
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In den ersten neun Monaten 2024 hat Hamburg insgesamt 159 Personen von Glückstadt aus in ihre Heimat abgeschoben oder in die zuständigen EU-Staaten übergeführt. Der Stadt stehen aktuell 14 eigene Haftplätze zur Verfügung. Hinzukommen zwei Haftplätze, die Hamburg Schleswig-Holstein „abgekauft“ hat. Aktuell laufen zudem Verhandlungen über weitere Unterbringungsmöglichkeiten.