Trittau. Trittaus Verwaltungschef kritisiert nach Feuer in Flüchtlingsunterkunft auch Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei.
Mit einer gemeinsamen Pressemitteilung haben die Staatsanwaltschaft Lübeck und die Polizeidirektion Ratzeburg nach Ansicht des Trittauer Bürgermeisters Oliver Mesch eine fremdenfeindliche Diskussion befeuert. Anlass sind Ermittlungen der Polizei zur Brandursache in einer Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkunft in der Kieler Straße, die wie berichtet am Freitag durch ein Feuer komplett zerstört wurde.
Die Feuerwehr war mit einem Großaufgebot im Einsatz, Rettungsdienst und Polizei waren ebenfalls vor Ort. Eine Bewohnerin und vier Trittauer Feuerwehrleute trugen leichte Verletzungen davon, zwei wurden über Nacht stationär im Krankenhaus aufgenommen. Andere Menschen kamen bei dem Brand nicht zu Schaden. In dem Haus waren acht Geflüchtete, darunter vier Kinder, und ein Obdachloser untergebracht.
Kritik an fremdenfeindlichen Äußerungen nach dem Brand
Das Geschehen hat nicht nur innerhalb des Ortes für viel Aufregung gesorgt, auch in den sozialen Netzwerken gab es dazu viele Kommentare. Viele Menschen äußerten ihr Mitgefühl für die Betroffenen, andere ergingen sich in wilden Spekulationen über die Ursache des Feuers und machten die Geflüchteten verantwortlich. So richtig Fahrt nahm die Debatte aber erst auf, als die Ermittlungsbehörden bereits am Montag nach dem Brand offiziell einen Ermittlungserfolg der Kriminalpolizei Ahrensburg verkündeten.
In dem Schreiben wurde verlautbart, dass sich die „Verdachtsmomente wegen schwerer Brandstiftung gegen einen 61-jährigen Bewohner des Hauses“ derart verdichtet hätten, dass seine Festnahme erfolgt sei. Er befinde sich wegen Fluchtgefahr derzeit in Untersuchungshaft.
Bürgermeister Mesch kritisiert Wortlaut der Pressemitteilung scharf
Für Bürgermeister Oliver Mesch lassen die Formulierungen des Schreibens den notwendigen sensiblen Umgang vermissen. Seinem Ärger darüber macht der Verwaltungschef mit deutlichen Worten Luft. Er sagt: „Ich kritisiere es scharf, dass Staatsanwaltschaft und Polizei hier ohne Not eine Pressemitteilung herausgeben, die dermaßen viel Raum für Spekulationen lässt. Das nützt niemandem.“ Viel schlimmer noch: Damit werde rechten Narrativen Tür und Tor geöffnet und der Hetze gegen Geflüchtete Vorschub geleistet.
Denn ein Teil der Kommentare, die Oliver Mesch nach dem Vorfall gehört oder gelesen hat, gehen in genau diese Richtung. „Das ist nicht gut und verunsichert die Bürgerinnen und Bürger“, führt der Bürgermeister weiter aus. „Warum macht man das?“ Er erwarte eine Erklärung und umgehende Spezifizierung des Sachverhalts: „Wer war es genau? Was heißt schwere Brandstiftung? Bedeutet das Absicht und Vorsatz oder könnte damit beispielsweise ein unachtsamer Umgang mit Zigaretten gemeint sein? Wie eindeutig und weit ist der Sachverhalt aufgeklärt?“ Wenn die Sache klar sei, sollte auch klar und eindeutig kommuniziert werden, was Sache ist, fordert Mesch.
Polizeisprecherin nennt datenschutzrechtliche Gründe für Vorgehen
Polizeisprecherin Jacqueline Fischer nimmt auf Anfrage unserer Redaktion Stellung zu den Vorwürfen. Sie sagt: „Auch Tatverdächtige oder Täter haben Persönlichkeitsrechte.“ Weitergehende Informationen zu dem Beschuldigten als die bisher veröffentlichten dürften aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht herausgegeben werden. „Alles, was wir sagen dürfen, ist dass er 61 Jahre alt ist und in der Unterkunft gewohnt hat.“ Es würden keine Angaben dazu gemacht, ob er zur Gruppe der Geflüchteten zähle oder ein Obdachloser sei.
Bei der schweren Brandstiftung gehe es um Gebäude, die dem Aufenthalt von Menschen dienten. Wer sie in Brand setze oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstöre, werde mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr belegt. „Das ist ein Verbrechenstatbestand. Man ist dann vorbestraft.“ Im Gegensatz dazu steht die fahrlässige Brandstiftung, bei welcher der Täter das Feuer weder billigend in Kauf nimmt noch beabsichtigt hat. „Ob es sich in diesem speziellen Fall um schwere Brandstiftung handelt und der Tatverdächtige deswegen verurteilt wird, zeigt sich erst vor Gericht“, sagt Fischer.
Nach Kritik gibt Polizei Staatsangehörigkeit bekannt
Auf die Frage, ob die Bekanntgabe der Schwere der Anschuldigung und der Verhaftung des Mannes zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu früh sei, sagt die Polizeisprecherin: „Das würden wir nicht machen, wenn es keine deutlichen Anhaltspunkte dafür gäbe.“ Wenig später dann die Nachricht: Die Polizeidirektion Ratzeburg hat sich mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt und teilt auf Nachfrage unserer Redaktion mit, dass es sich bei dem Tatverdächtigen „um einen deutschen Staatsbürger handelt, der in Untersuchungshaft ist“.
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Damit ist zumindest geklärt, wer als möglicher Täter infrage kommt oder nicht. Mesch hofft, dass sich die ganze Diskussion um eine Beteiligung der Geflüchteten damit erledigt hat, bleibt aber dabei: „Nichtsdestotrotz hätte man mit der Pressemitteilung abwarten sollen oder zumindest nicht erst auf Nachfrage erklären sollen, worum es geht.“ Er bekomme direkt die Reaktion der Leute mit, die gezielt auf solche Meldungen abzielen würden. Mesch: „Es gibt auch diesen unterschwelligen Rassismus.“ Bezeichnend ist auch, dass zwei Ersthelfer, die noch vor Eintreffen der Feuerwehr vor Ort waren, aus Angst vor persönlichen Angriffen wegen ihrer Hilfsbereitschaft nicht ihren Namen in der Zeitung abgedruckt sehen wollen.
Bürgermeister bittet Ministerium um unbürokratische Hilfe
Doch Oliver Mesch hat auch Positives zu vermelden: „Umgehend nach dem Brand hat sich das Sozialministerium über die Staatssekretärin telefonisch bei mir gemeldet und sich umfassend informiert.“ Er sei sehr dankbar, dass das geschehen sei. „Ich habe um schnelle und unbürokratische Hilfe für das Amt Trittau gebeten, denn wir müssen so schnell wie möglich neue Unterkünfte schaffen.“ Man habe ihm versprochen, das zu versuchen.
Beeindruckt zeigt sich der Verwaltungschef von der großen Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. „So viele haben gefragt, was sie tun können, und noch am Freitagabend hatten wir Kleidung und Sachen bekommen. Auch die DRK-Kleiderkammer hat geholfen.“