Lübeck. Im Prozess gegen 27-Jährigen vor dem Landgericht Lübeck sagen neun Zeugen aus. Halten sie den Angeklagten für den Täter?
Die Taten liefen immer nach demselben Schema ab: Eine vermummte Person stürmt in eine Tankstelle. Mit vorgezogenem Messer fordert sie die Hilfskraft auf, das Kassengeld herauszugeben. Nach wenigen Minuten verschwindet die Gestalt wieder in die Dunkelheit. Manchmal mit, manchmal ohne Beute.
Seit dem 27. Juni muss sich ein 27-Jähriger vor dem Landgericht Lübeck verantworten. Er soll nach dem dargestellten Prozedere insgesamt acht Tankstellen in Wentorf, Großhansdorf, Trittau, Glinde und Oststeinbek sowie zwei Spielhallen in Reinbek und Oststeinbek überfallen haben.
Tankstellenüberfälle: Täter drohte und entschuldigte sich
„Zuerst dachte ich, dass es ein normaler Gast ist“, sagt eine 25-Jährige, die in der Spielhalle am Grenzweg in Reinbek gearbeitet hat. „Als ich dann die Sturmhaube sah, wusste ich, dass es ein Überfall ist – so wie man es aus dem Fernsehen kennt.“ Die Beweisaufnahme erfordert angesichts der Anzahl an Taten viel Zeit. Beim zweiten Verhandlungstag am Donnerstag sagen neun Personen aus.
„Als ich ‚Überfall’ hörte, hielt ich das zunächst für einen Scherz“, beschreibt eine Kassiererin aus Glinde. „So etwas habe ich in 30 Jahren nicht erlebt.“ Die 63-Jährige räumte umgehend die Kasse leer, der Täter verschwand mit rund 700 Euro. Eine Vorliebe soll der Räuber außerdem für Zigaretten der Marke Marlboro gehabt haben, von denen er mehrere Packungen mit auf die Flucht nahm.
Nach Überfall: Hoher Sachschaden in Reinbeker Spielhalle
In der Reinbeker Spielhalle belief sich der Schaden letztlich sogar auf rund 5000 Euro. Die junge Frau hatte dem Eindringling eine Tasche mit Schlüsseln, in der dieser offenbar weiteres Geld vermutet hatte, mitgegeben. Der Geschäftsführer musste daraufhin alle Schlösser austauschen lassen.
„Er meinte zu mir, dass er mich umbringt“, berichtet die Aushilfe und fügt an: „Kurz darauf sagte er, dass er mir nichts antun möchte und nur das Geld will.“ Bei einem anderen Überfall soll der Täter sogar gesagt haben, dass es ihm leid tue und er Hunger habe.
Tankstellenräuber in Wirklichkeit eine Frau?
Beim Prozessauftakt in der vergangenen Woche waren mehrere Videoaufnahmen von den Taten gesichtet worden. Der Verteidiger hatte im Anschluss betont, dass unterschiedliche Personen zu sehen gewesen seien. Am Donnerstag sind sich die meisten Zeugen sicher, dass es sich um einen Mann gehandelt hatte. Ein 67-Jähriger, der in der Tankstelle an der Möllner Landstraße in Oststeinbek gearbeitet hatte, räumte hingegen ein, dass es auch eine Frau gewesen sein könne.
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Während der Überfälle soll der Täter teilweise seine Stimme verstellt haben. Bei einem Überfall habe er die türkischen Wörter tamam (Deutsch: ok) und yalla (Deutsch: los) benutzt. Beim Prozessauftakt hatten Zeugen zudem von einem russischen Dialekt berichtet. Am zweiten Verhandlungstag betonen die Beteiligten, dass er klares, akzentfreies Deutsch gesprochen habe.
Der Angeklagte selbst schweigt während der Verhandlung. Im Vergleich zum Prozessauftakt macht er einen etwas wacheren Eindruck. Den Schilderungen der teilweise bis heute leidenden Opfer hört er aufmerksam zu. In den kommenden Wochen werden noch viele Zeugenaussagen folgen. Bis zum 10. Oktober sind neun weitere Verhandlungen angesetzt. Der nächste Prozesstermin ist für Freitag, den 14. Juli, angesetzt.