Reinbek. Ulla Schneider widmet Ausstellung „Dem Himmel so nah“ in Reinbek verstorbenem Sohn. Die berührende Geschichte hinter einem Motiv.
In ihren aktuellen Werken richtet die Reinbeker Malerin Ulla Schneider ihren Blick in die Weite des Himmels. Zu jenem Ort, der zugleich Freiheit und Verheißung verspricht, die Fantasie beflügelt und der als Motiv für so manchen Künstler zur lebenslangen Herausforderung wird. „Dem Himmel so nah – Malerei und Erinnerung“ lautet der Titel ihrer Einzelausstellung, die derzeit im Schloss Reinbek zu sehen ist.
Es sind kostbare Erinnerungen an ihren Sohn Andreas Herbig, dem Schneider diese Ausstellung gewidmet hat. Der bekannte Musikproduzent starb 2022 nach langer Krankheit im Alter von 55 Jahren. Doch die Verbundenheit zu ihrem Sohn überdauert dessen Tod und spiegelt sich auch in den neuesten Bildern der Künstlerin wider. Die Ausstellung umfasst 48 Arbeiten. Die Werke, die 2023 entstanden sind, können Besucher in den beiden Räumen der alten Schlossküche im Erdgeschoss in Augenschein nehmen, weitere sind in der Galerie ausgestellt.
Udo Lindenberg besuchte Andreas Herbig im Hospiz
Mit leuchtend grünen Passagen, die über einen nachtblauen Horizont zu wabern scheinen, zieht eine großformatige Malerei jüngeren Datums die Blicke auf sich. Auch wenn Schneiders Bilder sonst viel Raum für Interpretation bieten, lässt „Aurora“ beim Betrachter keinen Zweifel aufkommen: Dargestellt sind Nordlichter, die ihr Schauspiel am Himmel entfalten. Zudem hat die Malerin das spektakuläre Phänomen zu weiteren Variationen inspiriert.
Über den Auslöser zu diesem Motiv sagt die Künstlerin: „Vor seinem Tod, da war Andreas schon im Hospiz, wollte er unbedingt mit mehreren Leuten zu den Nordlichtern nach Norwegen reisen. Er hat dazu sogar noch ein Wohnmobil gemietet, das vor dem Hospiz stand.“ Diesen Wunsch hat sie nun auf die Leinwand gebannt – für ihren Sohn. In der letzten Woche seines Lebens habe sie mit seinem Freund, dem Musiker Udo Lindenberg, auf dem Bett von Andreas gesessen. „Bis zuletzt hat Udo ihm seinen Traum gelassen, ihn sogar darin bestärkt.“ Dankbarkeit klingt in ihren Worten mit. „Er hat sich zum Schluss sehr gekümmert“, sagt sie. Ihr Mann Baldur Schneider ergänzt: „Udo ist ein fantastischer Mensch.“
Beim Blick nach oben ist die Verbindung zum Sohn da
In seiner Trauerrede habe er gesagt: „Du bist nur vorausgegangen“, erinnert sich Schneider. Seine Frau rede nicht gern über das Thema, bemerkt er dann. Er sei daher froh, dass sie es künstlerisch bewältige. Seine Frau meint dazu: „Das tut doch jeder Maler. Picasso hat beispielsweise all seine Frauen so bearbeitet.“ Nicht immer geschieht das bewusst. Wie der Titel zur Ausstellung, der sich Ulla Schneider wie aus dem Nichts aufdrängte. „Plötzlich war die Überschrift da, es passte einfach“, sagt sie.
„Der Blick nach oben, das ist auch die Verbindung zu meinem Sohn. Dem Himmel so nah – das sind wir und das ist Andreas. Wir haben ein Alter erreicht, in dem man sehr gut über das Leben nachdenken kann.“ Sie beschäftige sich sehr mit dem christlichen Glauben, so Schneider. Und mit der Suche nach dem, was sich hinter dem Horizont verbirgt: „Geht es da wirklich weiter?“, fragt sie im Vorwort zum Katalog der Ausstellung.
Andreas Herbig erweiterte Musikhorizont seiner Mutter
Für den kreativen Schaffensprozess zieht sich die Malerin oft für viele Stunden zurück. Als sie noch Zugang zu ihrem Atelier gehabt habe, das zurzeit wegen Asbestbelastung nicht zugänglich ist, sei sie oft erst um 23 Uhr nach Hause zurückgekehrt, berichtet ihr Mann. „Ich verliere mich manchmal und weiß dann nicht, wie spät es ist“, erläutert Ulla Schneider. „Manchmal muss man mich auch rausholen.“ Meist beginne sie am frühen Mittag mit dem Malen. Es sei eine „tolle Geschichte, sich auf sich selbst zu besinnen“, findet die Malerin. Ihr sei bewusst geworden, dass sie während des Malens darüber nachdenke, „wo man so steht oder was einem wichtig ist“.
Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen habe, mache sie gezielt laute Musik an, manchmal bevorzuge sie stattdessen aber auch die Stille. Die jüngsten Bilder seien bei klassischer Musik oder Oldies entstanden. „Oder Songs von Udo“, wirft ihr Mann ein. Sie nickt: „Durch Andreas hat sich mein Musikhorizont erweitert. Er hat mich zu Konzerten von Udo oder Adel Tawil mitgenommen.“ Manchmal habe er ihnen auch Karten für Konzerte mit Werken von Gustav Mahler oder anderen geschenkt. „Er hat dann aber schon mal gesagt: ,Komm, wir gehen nach der Pause, es reicht doch jetzt‘“, erinnert sie sich schmunzelnd.
Unter mancher Farbschicht verbergen sich frühere Bilder
Der Titel sei der Auslöser für ihre neueren Arbeiten gewesen. Die so entstandenen Werke tragen Titel wie „Ziehende Wolken“, „Über den Wolken“, „Gewitterwolken“, „Abendstimmung“ oder auch „Steps to heaven“. Gefühle und Stimmungen überträgt Schneider gekonnt durch die Dynamik des Pinselstrichs, transformiert sie in Farben, Linien und Formen. „Ich habe keine weiteren Hilfsmittel benutzt, nur Pinsel und Farbe – sonst nichts.“ Bei den aktuellen Bildern „musste es ein großes Format sein, Wolken kann man nicht klein malen“. „Ich habe nicht lang darüber nachgedacht, was ich male, es war eine ziemliche Knochenarbeit“, sagt sie rückblickend.
Der Himmel als Projektionsfläche, wo Realität und Imagination aufeinandertreffen. Und weil es dabei manchmal regelrecht aus ihr herausdrängte, nahm sie auch Übermalungen in Kauf, wenn das passende Format anders nicht zur Hand war. „Frustrierend“, lautet der knappe Kommentar ihres Mannes, der bedauert, dass er manchmal kaum dazu komme, die Werke fotografisch festzuhalten, bevor sie unter einer neuen Farbschicht verschwunden seien.
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Zur Vorbereitung hat Ulla Schneider über Maler gelesen, die sich mit Wolken, Licht und Himmel befasst haben. Wie Emil Nolde, John Constable oder Caspar David Friedrich. „In Wolkenbilder kann man alles reinpacken, Abstraktes wie Gegenständliches.“ Womit sie sich derzeit beschäftigt, hat Auswirkungen auf ihren Freundes- und Bekanntenkreis: „Freunde schicken mir aus dem Urlaub Fotos von Schäfchenwolken und Frauen aus meiner Malgruppe haben mir Wolkengedichte mitgebracht. Es ist schön zu sehen, was das auslöst.“
Berührendes Gedicht offenbart eine innige Beziehung
Auch Ulla Schneider hat ein Gedicht verfasst, das einen sehr persönlichen Einblick gewährt und damit die malerische Ebene ergänzt. Sie wendet sich darin direkt an ihren Sohn:
„Andreas, ich möchte noch einmal das Nordlicht sehen! Mit Freunden über den Wolken zu den Sternen gehen! Der Weg ist lang, der Weg ist weit, wer schenkt mir die Zeit von hier bis in die Ewigkeit!
Ich möchte noch einmal mit dir um die Häuser ziehen. Über das Leben lachen und der Angst entfliehen! Der Weg ist lang, doch wer gibt mir die Zeit von hier bis in die Ewigkeit!
Ich möchte mit allen den Sound meines Lebens spielen, zusammen die Musik der Liebe spüren. Der Weg ist lang, das Ziel ist nicht mehr weit von hier bis in die Ewigkeit.“
Berührende und innige Worte, voller Hoffnung und Zuversicht. Wer sich zudem von den Bildern von Ulla Schneider berühren lassen will, hat noch bis Sonntag, 25. Juni, Gelegenheit dazu. Die Ausstellung im Schloss Reinbek (Schlossstraße 5) ist mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Weitere Infos dazu finden sich auf schloss-reinbek.de.