Reinbek. Erfolgreicher Musikproduzent wuchs in Reinbek auf. Er starb nach langer Krankheit. So haben ihn Eltern und Weggefährten erlebt.
Sein Spitzname war „Boogieman“, sein zweites Zuhause die Hamburger Boogie Park Studios. Am Montagmittag ist Andreas Herbig, einer der erfolgreichsten deutschen Musikproduzenten, im Alter von 55 Jahren nach langer Krankheit in einem Hamburger Hospiz gestorben.
Udo Lindenberg besuchte Andreas Herbig im Hospiz
Dabei hatte der in Reinbek aufgewachsene Musiker noch so viel vor, wie seine Mutter, die Reinbeker Künstlerin Ulla Schneider, berichtet. „Andreas hat zwei Jahre mit seiner Krankheit gekämpft. Er wollte nicht sterben, er hätte gern noch ganz viel gemacht.“ Selbst auf dem Krankenbett im Hospiz habe ihr Sohn gemeinsam mit seinem engen Freund Udo Lindenberg Pläne geschmiedet, „doch die Krankheit nahm ihm die Kräfte“. Herbig litt an Lungenfibrose, einer unheilbaren Krankheit, die dafür sorgt, dass die körperliche Belastbarkeit sich immer mehr reduziert.
Lindenberg habe ihn regelmäßig besucht, bei ihm am Krankenbett gesessen und ihm Mut gemacht. „Er hat sich rührend gekümmert, es war einmalig, wie er das gemacht hat“, sagt sie und Dankbarkeit klingt in ihren Worten mit.
Als Jugendlicher wollte Herbig Profifußballer werden
Täglich hätten sie und ihr Mann Baldur ihren Sohn im Hospiz besucht. „Auch sein Sohn David und seine Freundin, mit der er im Wendland ein Haus gemietet hat, waren dort.“ Seine zehn Jahre jüngere Schwester Tine sei vor 14 Tagen angereist, „damit sie noch einmal mit ihm sprechen kann“. Die beiden hätten ein liebevolles Verhältnis gehabt.
In Reinbek ist Andreas Herbig aufgewachsen, hier hat der fußballbegeisterte Junge das Gymnasium besucht. „Er hat super gespielt, wir dachten, er wird ein erfolgreicher Fußballer.“ Er spielte in der A-Jugend der TSV Reinbek, seine Position war Linksaußen. Doch wegen einer Verletzungsserie musste er sich vom Traumberuf Fußballprofi verabschieden.
Eltern schenkten Andreas Herbig seine erste Gitarre
„Wir haben ihm dann auf seinen Wunsch hin eine Gitarre gekauft.“ Was als Ablenkung gedacht war, entpuppte sich als Bestimmung. Er spielte zu Beatles-Songs und Jimi Hendrix, gründete eine Schulband. „Seine zweite Band hieß Got to be, mit ihr veröffentlichte er seine erste Platte“, erinnert sich Ulla Schneider. Als Junge für alles fing er 1988 in den Boogie Park Studios an und lernte die Musiker und Szene kennen, experimentierte am Mischpult, entwickelte sich immer weiter hin zum Soundexperten. Musik bestimmte fortan sein Leben, füllte und erfüllte es – bis zuletzt.
„Bis zum Schluss hat er die wahnwitzigsten Sachen gemacht, es war nie langweilig, immer aufregend mit ihm“, sagt Ulla Schneider. Er habe trotz fortgeschrittener Erkrankung auch immer mal im Studio vorbeigeschaut und Kontakt zur Musikszene gehalten. Andreas’ Freunde hätten gesagt, er habe ein Leben mit Turbo-Antrieb geführt.
Sebastian Krumbiegel: Prinzen verdanken Herbig viel
„Es erinnern sich jetzt ganz viele Musiker an ihn“, sagt sie. Sie erhalte viele berührende Nachrichten. „Jan Delay, Udo Lindenberg, Adel Tawil“, zählt sie auf, bricht dann ab, die Liste wäre wohl einfach zu lang, fasst dann zusammen: „Die ganze Hamburger Musikszene denkt liebevoll an Andreas.“ Er habe eine besondere, sehr bodenständige und nicht abgehobene Art des Umgangs mit den Musikern gepflegt. Sebastian Krumbiegel, Sänger und Frontmann der Band Die Prinzen, bestätigt das. Er hat die Nachricht von Herbigs Tod Montagnacht erhalten. „Seine Mutter hat mir geschrieben“, sagt Krumbiegel. Er habe ihr noch in derselben Nacht geantwortet. „Ich habe ihr geschrieben, dass mir die Worte fehlen“, sagt er.
Vor einem halben Jahr habe er zuletzt Kontakt mit Herbig gehabt. „Beim letzten Telefonat hatte ich den Eindruck, dass er wusste, dass es zu Ende geht“, sagt der Sänger. „Als Prinzen haben wir Andreas wahnsinnig viel zu verdanken.“ Der Produzent habe maßgeblichen Anteil an dem Sound der Band. Krumbiegel: „Er hat in unseren Herzen einen großen Platz – nicht nur künstlerisch, sondern auch menschlich. Er war ein ernsthaftes Genie und dabei immer nahbar.“
Sobald Herbig das Studio betrat, kehrte Ruhe ein
Ulla Schneider sagt: „Zu Udo hat er wohl mal gesagt, wir machen jetzt ein schönes Album und arbeiten dann auch ganz lang daran.“ Er sollte recht behalten, „Stark wie zwei“ wurde ein Riesenerfolg. Es habe geheißen: „Wenn der Herbig das Studio betrat, dann wussten alle, Ruhe – jetzt wird es was.“
Lindenberg-Bassist Steffi Stephan stimmt dem zu, sagt: „Andreas Herbig war ein bemerkenswerter kreativer Kopf mit einer eigenen Meinung, kein Typ, der dir nach dem Mund geredet hat.“ Er habe ihn auf einer Schiffsreise mit Lindenberg und seiner Crew kennengelernt. Stephan: „Ich hab ihn als sehr sympathisch und konstruktiv erlebt.“
Steffi Stephan: „Der Erfolg hat ihm recht gegeben“
Ein Mensch, der erfüllt gewesen sei von seinem Job, der aber auch ein exzessives Leben in der Musikbranche geführt habe. „Sein Tod ist ein großer Verlust. Was er gemacht hat, hat er auf einen speziellen Punkt gebracht und hat das so durchgezogen.“ Seine Meinung habe er dann auch durchgesetzt. „Der Erfolg hat ihm recht gegeben.“
Ulla Schneider meint, als Produzent habe ihr Sohn die nötige Ruhe ausgestrahlt, im Privatleben sei er lebhaft gewesen. Und jemand, der gern einen großen Kreis um sich gebaut hätte von Menschen, die ihm wichtig waren, Familie und Freunde. Seine Nummer eins sei sein Sohn (12) gewesen. „Es war ihm sehr wichtig, dass David weiß, dass er ihn so geliebt hat.“ Mit ihr habe er sich auch mal gezofft. „Besonders zum Schluss haben wir ein ganz inniges, herzliches Verhältnis gehabt.“ Baldur Schneider fügt hinzu: „Er hat zuletzt immer gesagt, du bist mein Papa.“ Herbigs leiblicher Vater starb früh. Ein Schicksal, das nun auch sein Sohn verkraften muss.