Reinbek. Er ist seit Jahren Mangelware, und das könnte sich jetzt noch dramatisch verschärfen. Woran das liegt und welche Rolle Reinbek spielt.

Reinbek ist in großen Teilen auf Sand gebaut. Auf wertvollem mineralischem Sand, der in der Industrie für Baustoff und Baubranche begehrt ist und immer seltener wird. 200 Stätten für den Abbau und 100 verarbeitende Betriebe gibt es derzeit in Schleswig-Holstein.

Einer davon sitzt seit Jahrzehnten in Reinbek am Sportplatz zwischen Ohe und Neuschönningstedt. Hier am Kattenbaum baut der Konzern Xella auf circa 25 Hektar aktuell Sand für die Produktion von Kalksandstein im dazugehörigen Werk ab. Doch die Genehmigung zum Abbau läuft Ende 2024 aus.

Wird ein ganz wichtiger Baustoff im Norden bald knapp? Genehmigung in Reinbek läuft aus

„Wir haben eine akute Knappheit an Sand und Kies in Schleswig-Holstein und Hamburg“, warnt Jan Christian Janßen vom Verband der Baustoff- und Rohstoffindustrie mit Sitz in Kiel. Ein Problem, das seit Jahren besteht und das sich in naher Zukunft noch verschärfen könnte, wenn nämlich viele Genehmigungen für den Abbau der wichtigen Baurohstoffe Sand, Kies und Ton in der Region ablaufen.

Laut Xella-Sprecher Olaf Kruse ist Kalksandstein ein „gefragter Baustoff, der nachhaltig, energieeffizient ist und vollständig recycelbar ist“ und sich insbesondere für den Bau von Passivhäusern eignet. Deren Produktion könnte Ende 2024 ins Stocken geraten, denn dann läuft die Genehmigung für den Abbau von Sand am Standort Reinbek aus.

Eigentümer Xella hält an Reinbeker Kalksandsteinwerk fest

Beim Sportverein FC Voran macht die Nachricht bereits die Runde. Denn der Oher Sportverein wünscht sich dringlichst einen Umzug und setzt starke Hoffnungen auf den Bau eines Sportzentrums im Norden Reinbeks. Laut Plänen der Stadt soll das auf der freien Fläche gegenüber dem Kalksandsteinwerk entstehen. „Wenn das Werk geschlossen würde, wäre das Problem mit dem Lärmemissionen gelöst“, sagt Marco Luther, stellvertretender Vereinsvorsitzender. Die entstehen, wenn die Steine gebrochen werden.

Eine Schließung des Werks mit derzeit 46 Mitarbeitern und zwei Azubis steht aber außer Frage, denn Xella will an dem Reinbeker Standort festhalten: „Wir bereiten derzeit einen entsprechenden Verlängerungsantrag vor und werden ihn rechtzeitig stellen“, bestätigt Olaf Kruse. Der Sprecher der großen Unternehmensgruppe mit Konzernzentrale in Duisburg-Huckingen ist zuversichtlich, dass der Antrag genehmigt wird, schließlich sei das Sandvorkommen an dieser Stelle noch ausreichend. Deshalb setzt Xella auch auf Wachstum, sucht weiteres Personal und will in eine nachhaltigere Produktion investieren.

Baustoffverband kritisiert: viel zu wenige Genehmigungen für Sandabbau

2,73 Millionen Kubikmeter Sand sollten laut Genehmigungsantrag von 2001 an dieser Stelle aus Reinbeks Boden geholt werden. Damaliger Antragsteller war noch die Vorgängerfirma Firma Kalksandsteinwerk Stüwe & Co.

Kommunalpolitiker Heinrich Dierking vom Forum 21 erinnert sich noch gut an die Diskussionen aus der Zeit und daran, dass die Politik es durch Flächentausch geschafft hat, die Abbaufläche zu konzentrieren. „Verhindern war nicht das Ziel. Dafür ist der Sand zu rein und wertvoll, und die Begehrlichkeiten in der Metropolregion sind zu groß“, sagt Dierking. Allein deshalb hält der Reinbeker Kreistagsabgeordnete eine Verlängerung der Genehmigung nach 2024 auch für sehr wahrscheinlich.

Kritik: Genehmigungsverfahren dauern zu lange

Allerdings erfolgt die dann nicht mehr auf Jahrzehnte, sondern nur auf ein, in Ausnahmefällen auf zwei Jahre, sagt Janine Klann, Fachdienstleiterin Naturschutz im Kreis Stormarn. „Die Genehmigungspraxis ist ein riesiges Problem“, kritisiert Jan Christian Janßen vom Vero-Baustoffverband. Die Unternehmen seien auf eine langfristige Planung angewiesen. „Zum anderen gibt es aktuell viel zu wenig Genehmigungen für den Abbau an Kies und Sand, der für den Bau von Straßen, Wegen und Häusern in Schleswig-Holstein und Hamburg benötigt wird“, sagt Janßen. Und wenn doch genehmigt werde, dauere das Verfahren viel zu lange – bis zu zehn Jahre.

Zwischen 17 und 19 Millionen Tonnen an Kies und Sand werden im Jahr in Schleswig-Holstein gefördert und direkt vor Ort verarbeitet. „Der Bedarf wird im Zuge der Energiewende weiter steigen, da die Rohstoffe unter anderem für die Betonsockel der Windkraftanlagen benötigt werden“, sagt Janßen. Mit Vorkommen sei Schleswig-Holstein durch die Eiszeit zwar reich gesegnet, so reichten die Vorräte noch für die nächsten 150 Jahre. „Doch was nützen die wertvollen Rohstoffe, wenn sie nicht ausgegraben werden dürfen?“, fragt Janßen.

Große Vorkommen von Quarzsand in Büchsenschinken

Es gibt viele Gründe, die gegen einen Abbau sprechen: Entweder ist die Fläche mit Häusern bebaut, wird landwirtschaftlich genutzt, steht unter Naturschutz oder aber ist – immer öfter – mit Photovoltaik-Anlagen versehen. „Da bremst die eine Seite der Energiewende die andere aus“, sagt Janßen.

„Das ist ein riesiges Spannungsfeld“, weiß auch Heinrich Dierking zu berichten – dennoch sieht er Grenzen. So gibt es seit Jahren Begehrlichkeiten, ein großes Vorkommen an Quarzsand in Büchsenschinken abzubauen. Doch dem steht Dierking negativ gegenüber: „Die Landschaft soll erhalten bleiben und der Bedarf an dem Rohstoff wird auch in 40 Jahren noch groß, vielleicht sogar noch größer sein.“