Reinbek. Neue Feuerwehrwachen, modernes Rathaus und Schulen: Das kostet Geld, das Reinbek eigentlich nicht hat. Woher es kommen soll.
Eigentlich hätte Reinbeks Kämmerin Isabella Randau allen Grund zur Freude: 34 Millionen Euro sprudelten im vergangenen Jahr in die Steuerkasse. „Das ist absoluter Rekord“, sagt die 53-Jährige und zeigt sich selbst überrascht über die Mehreinnahmen von sage und schreibe 13,5 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Reinbeks Wirtschaft zeigt sich robust und trotzt den Folgen aus Pandemie, Inflation und womöglich auch aus der Energiekrise.
„Der große Branchenmix ist ein großer Vorteil“, weiß Reinbeks oberste Finanzchefin. Richtig freuen kann sich Isabella Randau über das Rekordergebnis aber nicht: „Die Reinbeker leben seit Jahren auf zu großem Fuß. Wenn das so weiter geht, steuern wir auf eine finanzielle Apokalypse zu“, fürchtet Randau, bekannt für ihre klaren Worte. Denn nicht nur die Steuereinnahmen erreichen unbekannte Höhen, auch der Schuldenstand mit 31,4 Millionen Euro ist so hoch wie noch nie zuvor in seiner Geschichte. Pro Kopf ist jeder Reinbeker aktuell mit 1111 Euro verschuldet. Das sind 90 Euro mehr als noch im Jahr zuvor.
Reinbek könnte von Schuldenlast erdrückt werden
„Das wird so weitergehen“, befürchtet Randau angesichts der millionenschweren Vorhaben, die Reinbek sich allein für dieses Jahr vorgenommen hat: Sanierung der Gertrud-Lege-Schule (zehn Millionen Euro), Neubau Feuerwehrwache in Ohe (Planungskosten allein rund eine Million Euro), Erweiterung des Gymnasiums (600.000 Euro), Rathaussanierung (1,6 Millionen Euro) und die dringend notwendige Modernisierung von Reinbeks maroden Straßen (unter anderem Gutenbergstraße: acht Millionen Euro). „Die Vorhaben sind ehrgeizig und sehr teuer“, sagt Bürgermeister Björn Warmer. „Wenn die Stadt langfristig nicht von ihrer Schuldenlast erdrückt werden will, muss an den Stellschrauben gedreht und die Einnahmen erhöht werden.“
Eine Stellschraube wäre, die Steuern anzuheben. „Das wäre das Schlimmste, was man aktuell tun kann. Der Kostendruck der Unternehmen ist angesichts der Inflation schon groß genug“, rät Bernd-Uwe Rasch, Fraktionsvorsitzender der FDP, vehement davon ab. Eine zweite: die Ausweisung neuer Gewerbeflächen. Doch mögliche Flächen sind knapp, Warmer nennt nur zwei Möglichkeiten: die erste Freifläche wäre im Bereich Büchsenschinken, wo die Stadt zusammen mit Witzhave ein Gewerbegebiet in der Nähe der Autobahn entwickeln möchte. „Hier befinden wir uns in Wartestellung.“
Die Aussichten auf Erfolg schätzt der Rathauschef aber eher gering ein. Umso mehr setzt er seine Hoffnung auf die Erweiterung des Gewerbegebiets Senefelder Ring gen Osten. Zehn Hektar stünden hier zur Verfügung und böten genug Platz für einen neuen Recyclinghof. „Wir setzen uns für die Erweiterung seit mehr als zehn Jahren ein“, sagt FDP-Mann Rasch und weiß die SPD und CDU hinter sich. Eingesessenen Reinbeker Firmen soll hier die Möglichkeit zum Wachsen gegeben werden. Frei gewordene Flächen im alten Gewerbegebiet sollen dann an neue Unternehmen vermietet werden.
Politik fürchtet kein weiteres Bürgerbegehren
Mehr Unternehmen gleich mehr Steuereinnahmen. Die Rechnung ist für Ulf Hahn, Geschäftsführer der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS) ganz einfach. Er ist sich sicher, dass die Flächen schnell weg wären, denn davon gibt es am Rand von Hamburg viel zu wenig. Die WAS-Stormarn würde die Vermarktung übernehmen. Mit dem Eigentümer der Reinbeker Fläche ist er in guten Gesprächen. In Barsbüttel, wo aktuell eine ähnlich große Fläche vermarktet wird, ist bereits nach wenigen Monaten ein Großteil verkauft oder reserviert. Die Kommunen haben ein Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl der Betriebe. „Gewerbegebiete von heute sind ganz als anders als früher – viel grüner und zertifiziert“, wirbt Hahn.
Das aber überzeugt die Schönningstedter bislang nicht. Sie lehnen Gewerbe – bis auf die Ansiedlung des Recyclinghofs – grundsätzlich ab. Das war der Grundtenor der umfangreichen Stadtteilplanung, an der sich rund 35 Bürger beteiligt haben und die am Donnerstagabend zu Ende gegangen ist. Statt Gewerbe wünschen sich die Schönningstedter ein eigenes Nachbarschaftshaus in der Nähe des Einkaufszentrums, das im Notfall mit eigenem Notstromaggregat ein Zufluchtsort sein könnte.
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Photovoltaik-Anlagen auf der Landschaftsfläche sind willkommen
Die Grünen pflichten den Schönningstedtern bei: „Derzeit gibt es keine Nachfrage örtlicher Betriebe. Demnach gibt es keine Grundlage, um über Gewerbeflächenausweitung in die freie Landschaft nachzudenken“, sagt Günther Herder-Alpen, Fraktionschef der Grünen. Er schlägt stattdessen vor, auf der Landschaftsfläche Photovoltaik-Anlagen zu installieren. Eine Idee, die bei den Schönningstedtern gut ankommt.
Die Ergebnisse der Planungswerkstatt werden voraussichtlich im Bau- und Planungsausschuss im März (Dienstag, 21. März) besprochen. Was die Politik am Ende daraus macht, liegt in ihren Händen. Mit einer Entscheidung für oder gegen eine Erweiterung des Gewerbegebiets noch vor der Kommunalwahl rechnet aber niemand. Einen Bürgerentscheid wie beim Holzvoigtland, der das Vorhaben kippen könnte, fürchtet Bernd-Uwe Rasch nicht. „Im Gegenteil, der wäre uns willkommen. Wir hatten selbst schon die Idee, einen zu initiieren“, sagt der FDP-Mann.