Reinbek. Grundsteuerreform in Stormarn: Warum der Vorsitzende des Eigentümerverbandes Alexander Blažek dazu rät zu klagen.

Die Einwohnerinnen und Einwohner einiger kleiner Nordseegemeinden haben es gut: In Hedwigenkoog (300 Einwohner) oder Nordfriedrichskoog (um die 50 Einwohner) brauchen sie keine Grundsteuer zahlen. Entsprechend kann den Eigentümern dort auch die Grundsteuerreform schnurz sein. Die Einnahmen durch die Windkraft sind hier so hoch, dass die Gemeinden auf die Steuer verzichten. Anders sieht das bei den Eignern von insgesamt 1,26 Millionen Grundstücken in Schleswig-Holstein aus: Laut dem Finanzministerium in Kiel erhalten sie nach ihrer Erklärung peu à peu ihre Bescheide.

In Kiel hatte man sich für das Bundesmodell mit einem größeren Fragenkatalog entschieden, berichtet Thorsten Künzel, der bei der Bergedorfer Steuerberatung Von Hacht & Partner schwerpunktmäßig Mandanten in Sachen Grundsteuer beraten hat. „Die Welle ebbt jetzt langsam ab“, stellt der 48 Jahre alte Steuerberater fest. Der Bedarf war da: Etwa 120 Mandanten habe er zu dem Thema beraten – im „Dreiländereck“ aus den drei Bundesländern Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Das kompliziertere Bundesmodell beinhalte somit auch die meisten Fehlerquellen.

Grundsteuer: 14 Prozent der Stormarner Erklärungen fehlen noch

„Der schwerste Fehler ist es aber sicherlich, einfach den Kopf in den Sand zu stecken und keine Erklärung abzugeben“, mahnt Thorsten Künzel. „Sonst wird irgendwann brutal geschätzt.“ Das bestätigt Alexander Blažek, Vorstandsvorsitzender des Grundeigentümerverbandes Haus & Grund Schleswig-Holstein. „Eigentümer sind schlicht und ergreifend verpflichtet, ihre Grundsteuererklärung abzugeben. Anderenfalls drohen Säumniszuschläge und Bußgelder.“ Neben den Steuerberatern biete auch Haus & Grund Beratung dazu an. Denn für die verspätete Abgabe sollte man den Kontakt zum Finanzamt suchen oder sich beraten lassen.

Alexander Blažek, Verbandsvorsitzender des Eigentümerverbandes Haus und Grund Schleswig Holstein, hält das Bundesmodell der Grundsteuerreform für verfassungswidrig.
Alexander Blažek, Verbandsvorsitzender des Eigentümerverbandes Haus und Grund Schleswig Holstein, hält das Bundesmodell der Grundsteuerreform für verfassungswidrig. © Haus & Grund Schleswig-Holstein | Haus & Grund Schleswig-Holstein

Laut Finanzministerium in Kiel waren Mitte April beim Finanzamt Stormarn insgesamt 84.956 Erklärungen aus dem gesamten Kreis eingegangen, das entspricht rund 86 Prozent. 38.288 Eigentümer in Stormarn hatten zu diesem Zeitpunkt einen Bescheid erhalten. In Reinbek gibt es etwa 10.800 Grundeigentümer, berichtet Kämmerin Isabella Randau. Wie viele von ihnen noch auf ihre Bescheide warten, ist in Reinbeks Rathaus nicht bekannt, denn dies ist Sache des Finanzamtes Stormarn.

Das sind die häufigsten Fehler bei der Grundsteuer

Das Amt aber ist seit Monaten telefonisch schwer zu erreichen. Wer Fragen zum Ausfüllen der Online-Formulare hatte, war auf die eigene Recherche angewiesen oder musste gleich zum Fachmann gehen. Beispielsweise zum Grundeigentümerverband Haus und Grund oder zu einem Steuerberater wie Thorsten Künzel.

„Tatsächlich ergeben sich zwar aus der höheren Zahl der abgefragten Daten mehr Fehlerquellen, die häufigsten Fehler jedoch treten bundesländerübergreifend auf“, erklärt der Bergedorfer Experte und zählt auf: die strikte Berücksichtigung des Stichtages, die Größe der Wohnfläche, die Unterscheidung von Wohn- und Nutzfläche, die Eintragung der Nenner sowie das Akzeptieren der Bescheide, ohne die Daten noch einmal abzugleichen.

Fehler in der Erklärung lassen sich nachträglich korrigieren

Wer Fehler bemerke, hätte jederzeit die Möglichkeit zur Korrektur, beschwichtigt Künzel: „Das ist halb so wild. Wenn der Bescheid noch nicht da ist, korrigiert man die Daten und schickt das Elster-Formular noch einmal ab.“ Fällt der Fehler erst beim Eintreffen des Bescheides auf, könne man innerhalb der Frist von vier Wochen mit einem formlosen Schreiben an das Finanzamt Einspruch einlegen.

Wichtig sei bei der Erklärung die Eigentumsverhältnisse zum Stichtag 1. Januar 2022 zu beachten. „Auch wenn das Haus auf dem Grundstück heute abgerissen ist oder das Grundstück längst verkauft ist, muss der damalige Eigentümer die Erklärung abgeben“, erläutert Thorsten Künzel.

Die Größe der Fläche entspricht nicht immer der einer Wohnungsanzeige

Auch mit der Quadratmeterzahl ist das so eine Sache: Zur abgefragten Wohnfläche zähle weder der Dachboden, wenn die Deckenhöhe dort niedriger als einen Meter ist (bei bis zu zwei Metern Deckenhöhe ist die Hälfte der Quadratmeter anzugeben) noch der Keller. Als Nutzfläche gelten nur Geschäftsräume, ein Laden oder Büro, während ein Arbeitszimmer in der Wohnung, das beispielsweise für das Homeoffice genutzt wird, wiederum zur Wohnfläche gehört.

Der beim Flurstück abgefragte Nenner bezieht sich einerseits auf den Miteigentumsanteil, andererseits aber auch darauf, wenn das Mehrfamilienhaus mit der Eigentumswohnung auf mehreren Flurstücken steht.

Haus & Grund kritisiert Bundesmodell als verfassungswidrig

Im Gegensatz zur Steuerberatung Von Hacht & Partner rät Alexander Blažek Eigentümern, sobald die Grundsteuerbescheide vorliegen, Einspruch zu erheben, damit sie ihre Rechte wahren. Denn Haus & Grund kritisiert das Bundesmodell als verfassungswidrig: „Tatsächlich begleitet unser Zentralverband federführend Musterklagen gegen das Bundesmodell bei der Grundsteuer.“ Blažek rechnet mit 100.000 Einsprüchen für Schleswig-Holstein. Unter www.hausundgrund.de sind Mustereinsprüche für Grundstückseigentümer zu finden.

Er erläutert: „Der Faktor, der die Kosten in die Höhe treibt, ist der Bodenrichtwert. Dieser ist besonders hoch, weil die Grundstückspreise in den letzten Jahren stark gestiegen sind. Hier zeigen sich auch die Schwäche und die Ungerechtigkeit der Bodenrichtwerte. Wenn – zufällig – in einem Stadtteil viele Grundstücke in den letzten Jahren verkauft worden sind, sind hier die Bodenrichtwerte auch besonders hoch.“ Auch der Steuerzahlerbund strengt Musterverfahren gegen das Bundesmodell an.

Bis 2025 weiß niemand, wie hoch die Grundsteuern sein werden

Auch Thorsten Künzel rechnet mit einer Klagewelle gegen das Bundesmodell, er gibt sich jedoch neutral und sagt: „Die Entscheidung, Einspruch einzulegen, muss jeder Steuerpflichtige selbst treffen. Einen Einspruch sollte man jedenfalls begründen, sonst wird er abgelehnt.“ Dann bleibe nur der Klageweg. Er gibt zu bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht bei Steuerthemen in der Regel nicht rückwirkend entschieden hat. Meist hätte der Gesetzgeber allein für die Zukunft nachbessern müssen.

Künzel geht davon aus, dass er jetzt wieder mehr Zeit für Jahresabschlussprüfungen bei Firmen und andere steuerliche Themen hat. „Bis 2025 werden wir nicht wissen, wie hoch die Grundsteuer ausfallen werden“, sagt er. „Denn erst müssen die Kommunen ihre Hebesätze festlegen. Das ist ein Prozess.“ Laut Ministerium in Kiel aber waren bis Ende März schon 1624 Einsprüche gegen Grundsteuerwertbescheide und 981 Einsprüche gegen Grundsteuermessbescheide beim Finanzamt Stormarn eingetroffen. Das Telefon in Bad Oldesloe dürfte weiterhin häufig besetzt sein.